Der Landeanflug auf Los Angeles macht mich fertig, bevor ich kalifornischen Boden betreten habe. Unser Flieger befindet sich noch auf Reiseflughöhe, da sind 10.000 Meter unter mir schon die ersten Ausläufer der wahnwitzig riesigen „Stadt der Engel“ zu sehen. „Stadt der Engel“ – schöne Umschreibung für diesen gigantischen Moloch voll Smog, Verkehrschaos und Oberflächlichkeit, aber auch Schauplatz unerfüllter Träume, grandioser Musik und zur Kunstform stilisierter Lässigkeit. Aber egal, wir sind nicht wegen L.A. hier: Auf dem Mietwagenparkplatz des Flughafens harrt ein, nun ja, gut abgehangener Dodge Challenger mit gespannten Muskeln dessen, was Redakteur und Fotograf in den nächsten Tagen mit ihm vorhaben. Gemeinsam mit ihm wollen wir nahe gelegene Touristenmagneten wie Hollywood, Disneyland oder Las Vegas nämlich links liegen lassen und uns stattdessen auf die Suche nach etwas machen, das wir noch nie gehört haben: die absolute Stille.
Fluchtpunkt Wüste
Ein „Roadtrip“: Ins Auto setzen, nicht um anzukommen, sondern um unterwegs zu sein. Fahren um des Fahrens Willen. Wir haben uns in die dafür wohl passendste Gegend begeben: die südkalifornische Wüste. Reisebegleiter? Die Muscle-Car-Legende Dodge Challenger.
Lassen Sie mich kurz den dritten Teilnehmer unseres Roadtrips vorstellen: Die Wahl fiel nämlich aus gutem Grund auf den Dodge Challenger. Vielleicht kennen Sie den Film „Vanishing Point“ (dt. „Fluchtpunkt San Francisco“) aus dem Jahr 1971.
This radio station was named Kowalski, in honour of the last American hero to whom speed means freedom of the soul.
Filmzitat Vanishing Point, 1971
Datenschutz Zur Anzeige des Youtube-Videos benötigen wir Ihre Einwilligung. Detaillierte Informationen über den Einsatz von Cookies auf dieser Webseite erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung und den Cookie-Einstellungen.
Bei Sonnenuntergang werfen wir den V8 an und starten in die Nacht. An Bord ist es bis auf die Musikuntermalung von Bruce Springsteen und unserem insgeheimen Roadtrip-Hit komplett still, draußen herrscht absolute Dunkelheit, denn eine Straßenbeleuchtung gibt es auf den einsamen „desert roads“ nicht. Pro Stunde kommen uns im Schnitt ein bis zwei Autos entgegen – wir haben mitgezählt. Im Morgengrauen finden wir am nördlichen Ende des Joshua Tree Nationalparks eine kleine Abzweigung, die in 5 Meilen Entfernung eine Geisterstadt namens „Pioneertown“ verspricht. Wir blinken und biegen ab …
Auf einem Parkplatz in der Einöde stellen wir den knisternden Challenger ab, um uns die Beine zu vertreten. Die mickrige Häuseransammlung neben der schmalen Landstraße in der Hochwüste trägt den Namen Pioneertown, und weit und breit sind keinerlei Anzeichen menschlichen Lebens zu sehen. Nicht einmal der Saloon hat offen, obwohl wir dringend starken Kaffee bräuchten.
If you’re in a rush, you’re in the wrong place!
Pappy and Harriet's, Pioneertown
Datenschutz Zur Anzeige des Youtube-Videos benötigen wir Ihre Einwilligung. Detaillierte Informationen über den Einsatz von Cookies auf dieser Webseite erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung und den Cookie-Einstellungen.
Weit unten im Süden von Kalifornien, nur 95 Kilometer von der mexikanischen Grenze entfernt, fahren wir die Küstenstraße eines riesigen Gewässers entlang und bemerken plötzlich einen stechenden Geruch im Auto. Es riecht derartig streng nach Verwesung, dass uns übel wird. Wir surren die Fenster rauf, schalten die Klimaanlage auf Umluft, allein: Es hilft nichts, der Gestank dringt durch alle Ritzen.
Klimaanlage auf Umluft: Es hilft nichts, der Gestank dringt durch alle Ritzen.
Fischverwesung, Salton Sea
Datenschutz Zur Anzeige des Youtube-Videos benötigen wir Ihre Einwilligung. Detaillierte Informationen über den Einsatz von Cookies auf dieser Webseite erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung und den Cookie-Einstellungen.
Zu trauriger Berühmtheit hat es auch der Ort Bombay Beach an der Ostküste von Salton Sea gebracht. Was in den Fünfziger Jahren als mondänes Ausflugsziel für die Reichen aus Los Angeles geplant war, als man über die langfristige Tragweite von Naturkatastrophen nur lachen konnte, ist über die Jahre komplett verfallen und heute eine verarmte Barackensiedlung, bestehend aus salzverkrusteten Ruinen. Es ist ein unfassbar deprimierender Ort – und zugleich ein Ort poetischer Schönheit. 2011 hat die israelische Filmemacherin Alma Har'el eine unter die Haut gehende Dokumentation namens „Bombay Beach“ gedreht, die sich – Achtung! – aber nur starke Gemüter antun sollten.
Wir wollen endlich dorthin, wo nichts mehr ist: in die richtige Wüste. Zuerst fahren wir auf vierspurigen Highways, dann auf Landstraßen, deren Fahrbahnen noch durch einen Mittelstreifen getrennt sind, dann auf schmalen, grobkörnigen Asphaltwegen, deren Belag seit sehr, sehr langer Zeit nicht mehr erneuert wurde.
Wir bleiben stehen, setzen uns in den Sand und reden nicht miteinander, minutenlang.
Christoph Löger, Redakteur
Datenschutz Zur Anzeige des Youtube-Videos benötigen wir Ihre Einwilligung. Detaillierte Informationen über den Einsatz von Cookies auf dieser Webseite erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung und den Cookie-Einstellungen.
10 Grundregeln für den Wüsten-Roadtrip
Einige der folgenden Tipps klingen vielleicht simpel. Aber es gibt Regionen auf dieser Welt, wo alles anders ist: Wo Tempolimits per Flugzeug kontrolliert werden, das Gesetz der Straße von Lkw-Fahrern geschrieben wird oder Menschen nach einer Autopanne einfach verdursten, weil es keinen Handy-Empfang gibt.
Videos: Markus Zahradnik
Kommentare