12 Fragen zum autonomen Fahren

Das selbstfahrende Auto gilt als eines der größten Zukunftsprojekte der weltweiten Fahrzeugindustrie. Einig sind sich alle Anbieter: Billig werden selbstfahrende Fahrzeuge nicht. Maria Brandl hat recherchiert.
 

Das autonome Fahrzeug gilt vielen als Wundermittel gegen weltweite Probleme des Straßenverkehrs: Es soll die Verkehrssicherheit erhöhen, Staus verhindern, die Umwelt entlasten, Menschen zum Umstieg vom Privat-Pkw auf öffentliche autonome Taxis bringen. Privatlenker erwarten sich mehr Komfort und Entlastung. Außerdem gilt es als Geschäft mit großer Zukunft für Hersteller, Zulieferer sowie für Betreiber etwa von autonomen Fahrzeugflotten, weil sie keine Fahrer mehr bezahlen müssen. Strategy&, die Strategieberatung von PricewaterhouseCoopers, rechnet, dass bis 2035 allein mit Robotaxis Umsätze in der Höhe von weltweit rund 500 Milliarden US-Dollar getätigt werden. Es wird gerechnet, dass dann bereits zwei Millionen autonom fahrender Taxis weltweit verkauft werden.

VW entwickelt nach eigenen Angaben als erster Fahrzeughersteller ein autonomes Flottenfahrzeug (ID.Buzz AD gemäß SAE-Level 4, siehe weiter unten) für eine Großserienproduktion bei Bedarf ab 2026 im sechsstelligen Bereich. Noch fehlen eine Zulassung für den ID.Buzz AD sowie eine Konzession für den kommunalen Betrieb.

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1. Was ist der Unterschied zwischen Fahrassistenz und autonomem Roboterauto?

In Europa und für private Pkw generell dominieren elektronische Assistenzsysteme, die den Fahrer unterstützen – vom Antiblockiersystem bis zum Spurhalteassistenten. Es handelt sich dabei um Level 1 und Level 2 auf der international gültigen sechsteiligen Automatisierungsskala von SAE (siehe weiter unten "Auf dem Weg zum Roboterauto"). Tesla entspricht mit seinem Autopilot Level 2+. Bei diesen Systemen bleibt der menschliche Fahrer in der Verantwortung.

Von Roboterautos ist ab Level 3 die Rede. Sie sind für Stefan Poledna, Technikvorstand des Wiener Softwareexperten TTTech Auto, „die größte Sicherheitsherausforderung der Menschheit in diesem Bereich.“ Denn ab Level 3 muss der Rechner im Auto besser sein als der Mensch. Das heißt: Der Rechner muss statistisch 10 Millionen Fahrstunden ohne Systemfehler, der zu einem schweren oder tödlichen Unfall führen kann, schaffen. Das entspricht mehr als 500.000 Kilometer. Derzeit schaffen die besten unter den Roboterautos in den USA laut Poledna 100.000 Kilometer. Ab Level 3 brauchen die Vehikel eine komplett neue Fahrzeugarchitektur.

2. Welche Stufen führen zum autonomen Fahren?

Die sechs Stufen (Level 0 bis 5) des automatisierten Fahrens gemäß der international anerkannten Skala der Society of Automotive Engineers (SAE):

Level 0: Keine elektronische Unterstützung.
Level 1: Assistiertes Fahren mit elektronischer Unterstützung (etwa ABS oder ESP).
Level 2: Teilautomatisiertes Fahren mit zusätzlicher elektronischer Unterstützung (etwa Spurhalteassistent, der das Auto selbsttätig in der Spur hält). Der Fahrer muss aber jederzeit Fahraufgaben übernehmen könne, er bleibt voll in der Verantwortung.
Level 3: Das Auto kann selbsttätig lenken, bremsen und beschleunigen. Der Lenker muss aber im Bedarfsfall nach Aufforderung und kurzer Reaktionszeit die Fahraufgabe übernehmen können.
Level 4: Vollautomatisiertes Fahren. Der Lenker kann während der Fahrt auch schlafen. Diese Fahrzeuge müssen laut Gesetz vor jeder Fahrt vom Halter geprüft und alle 90 Tage technisch kontrolliert werden, sagte Frederic Geber, Spezialist für automatisiertes Fahren bei der Rechtsberatungsfirma PSWP, auf dem Internationalen Wiener Motorensymposium. Für Privatpersonen ist dieser Aufwand sehr hoch, deshalb werden Level-4-Fahrzeuge meist für Mobilitätsdienstleistungen (z.B. Robotaxis) eingesetzt.
Level 5: Das Fahrzeug kommt ohne Lenker, Lenkrad und Pedale aus, fährt also vollkommen selbsttätig.

3. Ist die Infrastruktur bereit für autonome Fahrzeuge?

Selbstfahrende Autos tauschen gigantische Datenmengen von Auto zu Auto, mit Leitstellen oder mit der Straßeninfrastruktur (z.B. Ampel). Zudem muss die Software über den Äther („over-the-air“) regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht werden. Laut einer aktuellen Studie des deutschen Fraunhofer-Instituts reicht die Infrastruktur in Europa für diese Datenmengen noch nicht überall. Schon jetzt umfassen die Verkehrsdaten, die allein Bosch mit seinen Sensoren in Autos gesammelt hat, mehr als 210 Petabyte. Ein Petabyte ist eine Million Gigabyte. Für Roboterautos braucht es laut Bosch noch viel mehr Daten.

4. Wie sieht es mit der Cybersicherheit aus?

Am Schutz vor Hackerangriffen wird seit Langem gearbeitet. Es gibt auch spezielle gesetzliche Anforderungen. Aber eine hundertprozentige Sicherheit gegen Hackerangriffe wird es laut Experten nicht geben. Wertvolle Hinweise auf Schwachstellen liefern laut Bosch Fahrzeugprotokolle über versuchte Hackergriffe auf elektronische Fahrassistenzsysteme im Auto. Diese Attacken werden analysiert, um die Schwachstellen mit dem nächsten Software-Update zu beseitigen.

5. Wer haftet bei einem Unfall?

Es gibt bereits internationale Regelungen, wonach bei einem Unfall mit einem Level 3- oder Level 4-Roboterfahrzeug im autonomen Betrieb der Hersteller haftet. Aber es wird wohl etliche Anlassfälle brauchen, bis auf dem neuen Gebiet Klarheit herrscht. Auch die Gewährleistungspflicht bei solchen Fahrzeugen wird heiß diskutiert.

(Anm.: Im ÖAMTC-Podcast "Was uns bewegt" nahm der auf autonomes Fahren spezialisierte Anwalt Andreas Eustacchio in Folge 12 dazu Stellung.)

6. Warum fahren in den USA und in China schon selbstfahrende Autos herum und bei uns nicht?

China und die USA haben mit Robotaxi-Flotten gegenüber Europa deutlich die Nase vorne. In den USA standen von Beginn an vollkommen autonom fahrende Vehikel wie Robotaxis im Mittelpunkt der Entwicklungen, weil sich die Investoren das größte Geschäftspotenzial bei Flottenbetreibern erwarten, die dank selbstfahrender Vehikel keine Fahrer mehr bezahlen müssen. In den USA und in China stehen auch die für die Entwicklung nötigen enormen Geldsummen bereit.

Die führenden Anbieter sind in den USA Waymo (Tochter des Google-Konzerns Alphabet) sowie Cruise (GM-Tochter), in China ist es Apollo (Tochter des Suchmaschinenkonzerns Baidu). Alle drei zusammen betreiben laut Fraunhofer Institut rund 1.500 Fahrzeuge und haben bereits viele Millionen Testkilometer heruntergespult. Alle Einsätze in den USA und in China konzentrieren sich auf wenige Großstädte. Noch bringen Roboterautos als Mobilitätsdienstleister enorme Verluste, wie eine Fraunhofer-Studie zeigt. Die GM-Tochter Cruise etwa machte im ersten Halbjahr 2023 einen Umsatz von 51 Millionen US-Dollar, ihre Verluste hingegen betrugen 1,3 Milliarden US-Dollar.

In der EU fehlt es bislang auch an der finanziellen und politischen Unterstützung für Robotaxi-Flotten, das liegt teilweise auch am guten öffentlichen Verkehrsangebot. Europäische und vor allem deutsche Anbieter sind aber weltweit führend bei elektronischen Assistenzsystemen (Level 1 bis 2+). Renault sieht generell für die Automatisierungsstufen ab Level 3 wegen der Aufpreise das Marktpotenzial nicht bei Privatkunden, sondern im Flottengeschäft etwa mit autonomen Mini-Bussen.

7. Wie sind die rechtlichen Voraussetzungen für automatisiertes Fahren?

Wie die weltweit einheitlichen Verkehrsschilder ist auch das automatisierte Fahren in der „Wiener Konvention", der internationalen Straßenverkehrsregel-Vereinheitlichung der UNO, geregelt. Sie wurde in den vergangenen Jahren schrittweise überarbeitet und ergänzt. Länder wie China oder die USA, die die Wiener Konvention nicht unterzeichnet haben, müssen sich auch nicht an deren Regeln halten. Auch der Datenschutz ist dort weniger streng geregelt.

Neben der Wiener Konvention muss auch die Straßenverkehrsordnung angepasst werden. Deutschland hat als erstes Land weltweit den Gesetzesrahmen für selbstfahrende Autos geschaffen, 2021 für Level-3-Fahrzeuge und inzwischen auch für Level 4. In den meisten anderen EU-Staaten inklusive Österreich ist dies nicht der Fall. Daher ist etwa der „Drive Pilot“ (Autobahnpilot) von Pionier Mercedes-Benz, der Level 3 auf der fünfteiligen Automatisierungsskala der SAE entspricht, in der EU derzeit nur in Deutschland zugelassen. Aufpreis: 6.000 Euro.

8. Funktionieren die Assistenzsysteme auch bei schlechtem Wetter, bei Schnee und Eis?

Derzeit handelt es sich um „Schönwettersysteme“. Bei dichtem Nebel oder Schneefall funktionieren sie nicht, die Technik (Hard- wie Software) erlaubt unter diesen Bedingungen noch keinen sicheren Betrieb. Erschwerend für die Entwickler ist, dass es für extreme Fahrbedingungen weniger Daten zum Trainieren der Rechner gibt als für reguläre Fahrbedingungen.

Auch Level-4-Fahrzeuge wie die Robotaxis in den USA und in China sind heute nur eingeschränkt nutzbar.

9. Wie stark wird künstliche Intelligenz für automatisiertes Fahren genützt?

Künstliche Intelligenz (KI) wird seit Jahren für die Entwicklung automatisierter Fahrfunktionen genützt. Die nächste Stufe der KI, die generative KI, ist laut Bosch ein Meilenstein: Damit können automatisierte Fahrzeuge zum Beispiel komplexe Situationen besser einschätzen. Rollt etwa ein Ball auf die Fahrbahn, erkennt das Fahrzeug dank der generativen KI nicht nur den Gegenstand, sondern „ahnt“ auch das Kind, das dem Ball vielleicht nachrennt. Aber die KI benötigt noch sehr viele Trainingsstunden, um bei der Risikoeinschätzung an die menschlichen Fähigkeiten heranzukommen. Heikel sind vor allem seltene Ereignisse: Wenn etwa um Halloween auf der Straße maskierte Personen unterwegs sind.

10. Wann ist mit der Massenproduktion von hochautomatisierten Pkw zu rechnen?

Darauf gibt es derzeit keine klare Antwort. „Bis zur Massenproduktion dauert es noch“, sagte vor kürzlich Bosch-Chef Stefan Hartung auf dem Techday. Neben den hohen Kosten – Experten sprechen von Aufpreisen in der Höhe von mehreren Tausend Euro – gibt es aber auch technische und regulatorische Hürden. Selbst die Testverfahren gelten als noch nicht ausreichend. Die Praxis zeigt, dass nach wie vor nicht einmal die Tempolimitanzeigen im Auto einwandfrei funktionieren. In Europa gibt es zudem großen Harmonisierungsbedarf etwa bei den Zulassungsbestimmungen. Um die hohen Kosten drastisch zu senken, müssen Hard- und Software vereinheitlicht werden. Zudem ist der Energiehunger der Rechner mit teils mehr als zehn Kilowattstunden pro Fahrstunde noch sehr hoch. Er soll drastisch gesenkt werden. Der Mensch braucht dafür 100 bis 300 Wattstunden.

Als Herausforderung gilt der Mischverkehr mit selbstfahrenden und vom Menschen gesteuerten Fahrzeugen.

11. Sind Robotaxis in Österreich schon generell erlaubt?

Nein. Bei den autonomen Shuttles in Klagenfurt etwa, die ab Juli mit Fahrgästen im öffentlichen Verkehr unterwegs sein werden, handelt es sich um ein Forschungsprojekt. Die Shuttles dürfen mit maximal 20 km/h fahren und haben einen Sicherheitsexperten an Bord, der im Bedarfsfall eingreifen kann.

Auf Firmengeländen gibt es jedoch auch in Europa und in Österreich immer mehr autonom fahrende Lkw und Busse im Testbetrieb.

12. Wann verschwinden Lenkrad und Pedale aus den Autos?

Autos ohne Lenkrad und Pedale entsprechen der höchsten Automatisierungsstufe, dem Level 5. In der Fachwelt wird inzwischen offen hinterfragt, ob diese Stufe überhaupt nötig ist. Viele Experten halten es für sinnvoller sich mit Level 4 zu begnügen.

Anm.: Eine etwas andere, optimistischere Sicht zum Thema autonomes Fahren hat Mario Herger. Er lebt im Silicon Valley und hält Kontakte zu allen namhaften Unternehmen, die dort auf diesem Gebiet tätig sind. Was er im ÖAMTC-Podcast darüber erzählte, ist verkürzt hier zu lesen.