Adam trifft Marcus

Das erste vollwertige Elektroauto von Opel, vom ÖAMTC jüngst mit dem Autopreis Marcus ausgezeichnet. Da hätte Firmengründer Adam Opel Augen gemacht!

Gerne hätte ich Ihnen hier erzählt, wie der Opel Ampera-e sich fährt. Wie er beschleunigt, bremst, in der Kurve liegt und wie er klingt. Aber leider konnte ich ihn noch nicht fahren. Geplant war es, ja, und angekündigt auch, in der Mai-Ausgabe des auto touring. Doch dann kam das Wetter dazwischen, genauer gesagt: Schnee in Oslo. Viel Schnee.

Der Linienflug nach Norwegen wurde erst verschoben, dann noch einmal verschoben, schließlich abgesagt. Von der Fluglinie, nicht von mir und auch nicht von den Opel-Leuten, die mich eingeladen hatten. Der Ampera-e stand ja in Oslo und wartete auf mich, nur kam ich von Wien aus nicht zu ihm. Keine Chance.

Und hätte ich es geschafft, wären da immer noch die aufgezogenen Sommerreifen gewesen, die eine Probefahrt verhindert hätten. Wer kann denn auch damit rechnen, dass Ende April in Norwegen Schnee fällt?

Doch auch wenn es dem auto touring wetterbedingt noch nicht gelungen ist, den Ampera-e zu fahren – und damit auch keinem anderen österreichischen Fachjournalisten –, ist das noch lange kein Grund, Ihnen bewegte Bilder von dem kleinen Stromer vorzuenthalten. Voilà, hier fährt der Hoffnungsträger von Opel in Sachen Elektromobilität:





Nicht unpikant ist ja der Umstand, dass der Ampera-e zwar ein Produkt von General Motors ist, des bisherigen Opel-Mutterkonzerns – Opel ihn aber quasi als Mitgift in die neu geschlossene Ehe mit der PSA Group (Peugeot, Citroën) einbringen darf. GM gab dazu offensichtlich den Segen, deshalb konnte Opel-CEO Karl-Thomas Neumann ebenso wie Opel-Austria-Chef Alexander Struckl öffentlichkeitswirksam verkünden, dass der von Händlern wie Kunden heiß ersehnte Ampera-e wirklich auf den Markt kommen wird: In Deutschland noch im heurigen Sommer, in Österreich ist die Markteinführung für Herbst 2018 geplant. Der Grund: Opel wird nicht genügend Ampera-e aus den USA bekommen und bedient als erstes jene europäischen Märkte, auf denen Elektroautos durch staatliche Förderungen höhere Marktanteile erzielen.

Die Österreich-Preise sind naturgemäß noch nicht einmal schätzbar. In Deutschland rechnet man damit, mit dem Einstiegspreis unter 35.000 Euro bleiben zu können.

Zwei der gängigsten Vorurteile gegen Elektroautos kann Opel mit dem Ampera-e zumindest abschwächen, wenn schon nicht gänzlich widerlegen. Sie lauten: miese Reichweite, exorbitanter Preis. Zwar sind 35.000 Euro (sicherheitshalber noch einmal: Das ist der Preis in Deutschland!) auch kein Klacks, aber doch recht weit von den 73.000 Euro entfernt, die das Tesla Model S in seiner billigsten Ausführung kostet. Das ist allerdings größer und zählt zu einer anderen Fahrzeugklasse.

Und was die Reichweite betrifft, so lautet die mutige Ansage von Opel: bis zu 520 Kilometer (nach der NEFZ-Verbrauchsnorm) bei voll geladener Batterie. Um Transparenz bemüht, gibt der Hersteller aber auch einen Schätzwert nach der (ab September gültigen) WLTP-Norm an, basierend auf vorläufigen Entwicklungstests: 380 Kilometer Reichweite.

Das entspricht ungefähr dem, was auch Renault für die jüngste Entwicklungsstufe des Zoe verspricht. Relativierende Anmerkung: Der ist zwar in der Anschaffung billiger (ab 24.690 Euro), dazu kommt aber noch die Batteriemiete. Entscheidet man sich, den Akku mit dem Auto mitzukaufen, kostet ein vergleichbarer Renault Zoe auch seine 32.190 Euro.

Die Kombination aus ordentlicher Reichweite und akzeptablem Kaufpreis bewog eine hochkarätige Fachjury aus Automobilexperten, dem Opel Ampera-e Ende März 2017 den Marcus, den begehrten Autopreis des ÖAMTC, in der Kategorie "Wegweiser" zuzuerkennen.

Voll elektrisch

Hier noch ein paar Zahlen und Fakten: Die 60-kWh-Batterie verteilt sich auf zehn Akku-Packs und insgesamt 288 Lithium-Ionen-Zellen. Um das Fahrzeuggewicht niedrig zu halten, haben die GM-Ingenieure eine möglichst steife Karosseriestruktur aus Aluminium, hochfesten und ultrahochfesten Stählen konstruiert und auch Türen, Motorhaube und Heckklappe aus Alu geformt. Unter 1.691 Kilogramm kamen sie dennoch nicht.

Der Elektromotor leistet 150 kW, das entspricht 204 PS in alter Währung, und bringt ein Drehmoment von 360 Newtonmeter praktisch aus dem Stillstand auf die Vorderräder. Die Höchstgeschwindigkeit des Ampera-e ist elektronisch auf 150 km/h begrenzt.

Elektroautofahrer kennen das Rekuperieren, also das Aufladen der Batterie im Schiebebetrieb, wenn der E-Motor – seiner Antriebsaufgaben vorübergehend entledigt – zum Generator wird und die kinetische Energie des ausrollenden Fahrzeugs wieder Strom in die Akkus speist. Im Ampera-e ist einstellbar, wie stark diese Rekuperationswirkung sein soll. Nicht nur durch den Unterschied zwischen Drive- und Low-Modus der automatischen Kraftübertragung (schwache/stärkere Rekuperation), sondern auch durch eine dritte Stufe, die über eine Wippe am Lenkrad eingeschaltet werden kann. In dieser dritten Stufe ist die Bremswirkung des Generators so hoch, dass man den E-Opel ohne Berührung des Bremspedals bis zum Stillstand abbremsen kann. Opel nennt das One Pedal Driving: Tritt der Fuß das Fahrpedal nieder (Gaspedal kann man's ja nicht gut nennen), beschleunigt das Auto, gibt er es frei, bremst es.

Autos wie der Ampera-e tragen dazu bei, der Elektromobilität nach und nach aus ihrem Exoten-Dasein zu befreien. Der kleine Opel ist nicht der erste: Auch ein VW e-Golf, Renault Zoe oder Kia Soul EV fallen im Straßenbild praktisch nicht auf – anders als ein BMW i3 oder das exaltierte Model X von Tesla. Das heißt nun noch lange nicht, dass alle Autos sukzessive durch Elektroautos ersetzt werden können – aber der Kreis jener, für die ein solches Auto infrage kommt, sei es als Zweit- oder sogar als einziges Auto, wird mit jedem neuen Modell immer größer. Erst recht, wenn die Reichweiten steigen und die Preise sinken.