Alpenkönig und Menschenfreund
"Geiz ist geil" – Sie kennen den unsäglichen Werbespruch. Aber: So falsch ist er mitunter gar nicht, wie wir in den vergangenen vier Jahreszeiten gelernt haben. Unser rustikaler Lehrer: ein Dacia Duster.
Kurz und schmerzlos: Beim Händler können sie ihn ab 11.990 Euro erstehen. Wenn's also um einen Neuwagen gehen soll, findet sich weit und breit nirgendwo so viel Auto um so wenig Geld, vor allem nicht im ach so beliebten Kompakt-SUV-Segment.
Wobei: Als solches bezeichnen eingefleischte Duster-Fans ihren Liebling eigentlich eher ungern, schließlich kann man sich mit einem Allradmodell seiner Spezies (es gibt ihn ja auch frontgetrieben) durchaus auch in gröberes Gelände wagen. Also dorthin, wo den meisten seiner Asphalt-Cowboy-Kollegen längst das Talent ausgeht.
Ich kann viel und verlange wenig.
Dacia Duster, Sparefroh. (Wenn er sprechen könnte.)
Ein bewegtes Jahr
Wie gewohnt gleich einmal vorweg: unser Video-Fazit nach vier Jahreszeiten im Dauertest-Kandidaten.
Was für ein Typ! Moment: Was für ein Typ?
"Ich kann viel und verlange wenig" also – der Grundcharakter des Dacia Duster. Es soll nämlich noch Autobesitzer geben, die ausschließlich auf den problemlosen Alltag mit ihrem Gefährt(en) Wert legen und weniger auf "Premium"-Sendungsbewusstsein, mehrere Zentimeter dicke Infotainment-Handbücher oder die wöchentliche Handpolitur des edlen Blechs.
Fängt sich ein Duster einen Kratzer ein, stört das in der Regel niemanden. Er ist schlicht das automobile Gegenstück zum über viele Generationen vererbten Lieblings-Schraubenzieher: ein robustes Werkzeug, das seine Aufgaben ohne viel Tamtam so gut wie möglich zu erfüllen versucht.
Die Redaktion hat dem Duster in den vergangenen zwölf Monaten viele solcher Alltags-Aufgaben gestellt: Autobahn-Etappen quer durch Europa, Abstecher ins Unterholz oder Möbel- und Hunde-Transporte etwa. Was uns dabei aufgefallen ist, haben wir akribisch dokumentiert.
Und ja, natürlich spielt der Preis bei diesem Auto die größte Rolle. 19.790 Euro kostete unser fast vollausgestattetes Exemplar zum Teststart in der beliebtesten Variante Diesel/Allrad/Schaltgetriebe – im direkten Konkurrenz-Umfeld eine Okkasion. Darin schon inkludiert: Klima, Navigation, Tempomat, Rundum-Kamera oder Totwinkel-Warner.
Fassade & Facetten
Kurz vielleicht zur Optik der zweiten Duster-Generation: Der Spargedanke ist dem Blechkleid eigentlich nicht anzusehen. Wir finden vor: Plastikbeplankung gängiger SUV-Mode, hie und da ein bisschen Pseudo-Chrom-Zierrat, eine fesche (und praktische) Dachreling, alles verteilt über eine wohlproportionierte Karosse.
Knausern sieht jedenfalls anders aus, oder?
Was kann er?
Überraschend: Der im Vergleich zum Vorgänger beachtliche Schritt in Richtung Langstreckentauglichkeit. Zwar vertrügen die Sitze noch immer ein wenig mehr Schenkelauflage, man braucht nach der Fahrt in den Urlaub nun aber keinen Chiropraktiker mehr.
Von unseren Traditionalisten geschätzt: Drehregler und eine manuelle Handbremse im aufgeräumten und grundsätzlich logisch bedienbaren Cockpit. Lob gab's auch für den Kofferraum, der den Duster dank niedriger Ladekante und flachem Boden zum äußerst praktischen Packesel macht.
Wortspenden zum 109-PS-Dieselmotor: ausreichend kräftig selbst bei voller Beladung, raue Akustik im Kaltlauf, sein Durst hält sich mit 6,9 Litern Jahresschnitt in Grenzen.
Mehr dazu nun bebildert, aber unser Fazit so weit: zu Recht ein diesjähriger Marcus-Preisträger in der Kategorie "Wirtschaftlichste Neuheit 2018".
Lob & Mühsal im Detail
Exkurs: Duster im Gelände
Profan formuliert: Auf welchen Bodenbeschaffenheiten der (4WD-)Duster unterwegs ist, und wohin sein Lenker mit ihm will, ist ihm – im Rahmen seiner konstruktiven Möglichkeiten – ziemlich wurscht.
Staub, Asphalt, Schnee: unser Duster unterwegs
Günstig und trotzdem verlässlich? Ja.
Technisches Ungemach gab's im Testjahr unterwegs nur einmal: Nach einer Kaffeepause in Frankreich quittierten plötzlich sämtliche elektrische Verbraucher wie Licht oder Klimaanlage trotz laufenden Motors den Dienst. Der mysteriöse Defekt verschwand nach zehn Minuten zwar wieder, konnte aber weder von Renault/Dacia noch unseren Club-Technikern später im Fehlerspeicher objektiv nachvollzogen werden.
Beim Abschluss-Check auf der Hebebühne in der ÖAMTC-Zentrale dann aber doch ein recht großes Problem. Unser Mechaniker stellt einen Pickerl-relevanten schweren Mangel fest: heftiger Ölverlust am Motor. Grund: ein defekter Simmerring. Fazit: kein Pickerl für ein erst einjähriges Auto. Die Reparatur wäre teuer (rund 1.500 Euro laut Auskunft von Dacia), ist in den ersten drei Jahren oder bis 100.000 Kilometer Laufleistung aber natürlich ein Garantiefall. So weit, so gut.
Nachdem die ÖAMTC-Club-Techniker den Ölverlust festgestellt hatten, baten wir um eine Stellungnahme. Es folgte: eine Entschuldigung und die inoffizielle Erklärung: "Es scheint, dass euer Dauertest-Exemplar ein 'Montagsauto' ist."
Soviel zur berühmten Mär des "Montagsauto", die auch heute, in Zeiten vermeintlich unkaputtbarer Technik, offenbar nach wie vor Bestand hat. Denn: Der 1,5-Liter-dCi-Diesel, der in unserem Duster verbaut war, ist ein millionenfach bewährtes und statistisch problemloses Massen-Aggregat aus dem Renault-Regal, das in sämtlichen Konzern-Produkten tagtäglich unauffällige Arbeit verrichtet. Kein hochgezüchtetes und -drehendes Triebwerk mit allerlei PS, das Diva-Allüren an den Tag legen könnte. Wir hatten mit unserem Exemplar in Sachen Motor schlicht und einfach: statistisches Pech.
Zahlen, Daten, Fakten