Die Uhr schlägt 12 und durch die Büros des Landes hallt ein kollektives „Mahlzeit“. Es ist Mittagspause. Deshalb lassen auch wir die Schreibmaschinen ruhen. Der Mensch braucht schließlich Energie. Redakteure und Fotografen sind da keine Ausnahme. Allein: Bei der Auswahl der Nahrung war man sich uneins. Kompromissbereitschaft? Fehlanzeige. Da ticken wir wohl ähnlich wie der BMW M3 Touring, der uns in dieser Mittagspause von Mittagsmenü zu Mittagsmenü brachte. Dabei konnten wir uns nicht nur an lukullischen Genüssen erfreuen (mehr dazu in den Bildergalerien), sondern frei nach Konfuzius den Weg zum Ziel machen. Im Zuge unserer Tour erfahren wir einiges über den M3 Touring. Dass er keine Kompromisse eingehen will, haben wir schon erwähnt. Aber nur den starken M zu markieren, reicht nicht aus. Hier geht es um Emotionen und um Werte. Innere wie Äußere. Und zu guter Letzt müssen wir auch einer unangenehmen Wahrheit ins Auge blicken.
Mittag mit dem M3
M3. Der geneigte Automobilenthusiast sieht sofort blau-weiß-kariert, andere denken dabei vielleicht eher ans Mittagsmenü beim Lokal des Vertrauens. Beide haben ihren Charme. Wir verbinden sie und machen uns im BMW M3 Touring auf die Suche nach einem gleichwertigen M(enü)3 in Wien.
Keine Kompromisse
Denn mit dem BMW M3 Touring ist man im Grunde für alle Eventualitäten gerüstet – und das fast, ohne Kompromisse eingehen zu müssen. Da kann sich die M3-Limousine noch die eine oder andere Scheibe abschneiden. Sagen wir, es geht in den Winterurlaub, selbstredlich nach Chamonix oder Sankt Moritz. Was braucht es dafür? Klar: Platz und Variabilität. Beides bekommt man im BMW M3 Touring: Die Rückbank ist 40:20:40 teilbar, in den Kofferraum passen 500 bis 1.510 Liter. Und reichen die nicht aus, gibt es serienmäßig eine Dachreling (Dachlast: 75 Kilogramm). Auch nicht unpraktisch im winterlichen Gefilde ist ein Allradantrieb. Auch den gibt es im BMW M3 Touring serienmäßig.
Oder man lässt die Seele beim Sommerurlaub in der Wachau baumeln. Wenn sie genug gebaumelt hat und der Drang nach Action und Abenteuer stärker wird, führt uns dieses Szenario zum nahen Wachauring. Dort bietet ÖAMTC Fahrtechnik regelmäßig Drift-Trainings an. Optimale Gefilde für den M3 Touring: Zwar hat der Sportkombi Allradantrieb (yay im Winter), allerdings lässt sich die Vorderachse in nur wenigen Schritten völlig abkoppeln (yay am Wachauring). Einen Kompromiss muss man bei dieser Kreuzung aus Sportwagen und Familienauto doch eingehen: Das Komfort im "Komfortmodus" trügt, richtig bequem ist der BMW M3 Touring nie.
Emotion statt Vernunft
Wir sind noch nicht satt. Und so richtig kennen gelernt haben wir den BMW M3 Touring auch noch nicht. Besonders die eigentliche Kernkompetenz der Münchner: der Reihensechszylinder-Motor. Seit dem Facelift in diesem Jahr leistet dieser 20 PS mehr. Um ganz ehrlich zu sein: Es war jetzt nicht so, dass man sich im Vorgänger besonders untermotorisiert gefühlt hat. Wie auch immer, der 3-Liter-Reihensechszylinder mit Biturbo bringt jetzt 530 PS und 650 Nm mit zum Stammtisch, damit geht es in 3,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Im Zeitalter der E-Autos ist das zwar kein Trumpf-Ass im Autoquartett, aber wie sich dieser Motor verhält, nämlich unbändig, urgewaltig und mit Ecken und Kanten statt steril und perfekt, nimmt emotional mit – in die eine wie in die andere Richtung. Ja, das ist unvernünftig. Nein, das braucht eigentlich niemand. Und ja, das verbraucht sehr viel (siehe Zusatz-Wahrheit). Ein 530-PS-Kombi ist vielleicht wirklich so zeitgemäß wie Dinosaurier. Aber auch die sind doch irgendwie faszinierend.
Purist oder Digital Native?
Mit dem Facelift gehen nicht nur 20 Extra-PS einher, sondern auch eine Überholung des Innenraums. So gibt es ein neues Lenkrad, das jetzt unten abgeflacht ist und neue Interieurleisten in mattem Dark Graphite. Auf Wunsch ist das Steuer sogar in Alcantara gekleidet. Auf dieses Schmankerl mussten wir bei unserem Testwagen allerdings verzichten. Sehr wohl mit an Bord ist nun allerdings das BMW Operating System 8.5. Damit ist die riesige Bildschirmwand, die sich vor dem Fahrer aufbaut, mit noch modernerer Software als bisher bestückt.
Als puristisch geht das Cockpit des M3 Touring jedenfalls nicht mehr durch. Aber dafür kann man sich während der Mittagspause multimedial berieseln lassen. Von Popcorn und Chips im Innenraum raten wir aber dennoch ab. Unterm Strich: So cool das neue Lenkrad aussieht, mit den bekannten knallroten M-Tasten und der Markierung auf zwölf Uhr – der Rest des Interieurs schreit nicht unbedingt Supersport. Das mag die eingefleischten Puristen stören, im Alltag profitiert man allerdings eher davon.
Die unangenehme Wahrheit: Die Finanzen
Wir haben jetzt viel geschwärmt. Aber so viel Freude der BMW M3 Touring zu bereiten weiß, so hoch ist der Preis, den er dafür fordert. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Los geht es mit dem Vergnügen erst ab 130.479 Euro, unser Testwagen schlägt sogar mit 152.022 Euro zu Buche. Um dieses Geld könnten wir unser Dreifach-Mittagsmenü mehr als 4.000 Mal genießen. Und damit ist noch nicht Schluss. Denn während wir uns der festen Nahrung widmen, offenbart der BMW M3 Touring eine Vorliebe für teure Drinks. Im Betrieb gibt sich das 530-PS-Aggregat alles andere als sparsam: Der Bordcomputer gibt nach 4.805 Kilometern ab Werk einen Durchschnittsverbrauch von guten zwölf Litern an. Das ist zwar keine Überraschung, aber die Tankrechnungen für Super Plus sind nichts für schwache Nerven.
Der M3 Touring allerdings auch nicht, zumindest an seiner Leistungsgrenze. Die erreichen wir bei unserer Stadtrundfahrt aber selbstverständlich niemals auch nur annähernd. Wenn doch, hätten wir die drei Stationen vielleicht sogar in einer halbstündigen Mittagspause geschafft. So müssen wir im Sinne der Gesetzeskonformität ein bisschen überziehen. Aber für die Recherche machen wir das doch gerne.
Kommentare