Crash-Kulisse
Ein Crashtest dauert nur wenige Sekunden – entscheidend sind aber auch die Stunden davor. Der auto touring hat die Vorbereitungen für einen Euro NCAP-Test begleitet.
Einige 100.000 Euro. Soviel kostet ein Euro NCAP-Crashtest. Jeweils vier Fahrzeuge werden "geschrottet" – und das auf höchstem Niveau. Wir haben die Vorbereitungen zum versetzten "Offset-Frontalcrash" (siehe weiter unten) des Opel Ampera-e im Technikzentrum des ADAC in Landsberg bei München begleitet.
Bereits 24 Stunden vor dem eigentlichen Test beginnen die Arbeiten. Beeindruckend: die Ruhe der Technik-Spezialisten, die routiniert das Vorbereitungsprogramm abspulen. Jeder Handgriff sitzt, jeder Punkt der Checkliste wird abgearbeitet und danach als erledigt markiert, die Messwerte werden eingetragen.
Erlebt man diese Schritte zum ersten Mal, schmerzt es, wenn Kameras und Sensoren mit Blechschrauben in die Karosserie des nagelneuen Opel getrieben werden. Insgesamt fünf Ampera-e stehen für die Versuche bereit, einer als Reserve. Sie wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und direkt vom Produktionsband des Herstellers zur Crash-Anlage transportiert.
Vor dem Crash
Die äußerst akribische Vorbereitung der Fahrzeuge dient natürlich nur einem Zweck: Jeder Test muss absolut nachvollzieh- und wiederholbar sein, nichts wird dem Zufall überlassen. Wenn es grünes Licht gibt, wird der Ampera-e mit exakt 64 km/h gegen die verformbare Barriere gezogen. Ein kurzer Krach, und das war es. Die Auswertung der Daten wird einige Tage in Anspruch nehmen.
Übrigens: Sag niemals Puppe zum Crashtest-Dummy. Die streng nach Norm gefertigten Stellvertreter für die menschlichen Fahrzeuginsassen sind mit Technik gespickt und kosten bis zu 300.000 Euro. Das wird sich mit der nächsten Dummy-Generation ändern. Johannes Heilmaier, Versuchsingenieur in Landsberg, rechnet "mit bis zu einer Million Euro" für einen Crashtest-Dummy.
So wird gecrasht
In acht verschiedenen Crash-Anlagen in ganz Europa werden die Euro NCAP-Tests durchgeführt, vier Fahrzeuge werden dabei "an die Wand gefahren". Die Autos werden anonym gekauft, meistens bei unterschiedlichen Händlern. Gibt es das Auto noch nicht zu kaufen, wird entweder direkt in der Produktionsstätte oder aus einer Liste des Herstellers per Zufall ausgewählt. Grundvoraussetzung: Die Fahrzeuge müssen aus der Serienfertigung stammen.
Euro NCAP: im Dienste der Sicherheit
Euro NCAP ist ein Zusammenschluss europäischer Verkehrsministerien, Automobilclubs und Versicherungsverbände, der seit 1997 Crashtests von neuen Automodellen durchführt. NCAP steht für "New Car Assessment Programme". Bis heute wurden rund 1.800 Fahrzeuge gecrasht, 630 Sicherheitsbewertungen veröffentlicht. In der Folge verbesserten sich die Fahrzeugkonstruktionen laufend. Schätzungen gehen davon aus, dass dadurch in den letzten 20 Jahren mehr als 78.000 Menschenleben gerettet wurden.
1997: Die ersten sieben Fahrzeuge werden mit einem Frontal- und einem Seitenaufprall getestet und zeigen schockierende Sicherheitsmängel. Mit nur einem Stern schnitt der Rover 100 am schlechtesten ab. Die Verkaufszahlen brachen ein, die Produktion wurde ein Jahr später eingestellt.
2003: Die Kinderschutz-Bewertung wird eingeführt, getestet wird mit Dummys, die einem 18 Monate und einem drei Jahre alten Kind entsprechen.
2008: Euro NCAP testet zum ersten Mal, ob Fahrzeugsitze bei einem Heckaufprall ausreichend vor einem Schleudertrauma schützen.
2014: Notbrems- und Spurhalte-Assistenten werden in die Bewertung aufgenommen.
2016: Notbremsassistenten für Fußgänger werden zusätzlich getestet. Eine zweite Sternebewertung wird eingeführt: Neben der Standardbewertung mit der serienmäßigen Sicherheitsausstattung eines Fahrzeuges kann optional eine zweite Sternewertung mit optional angebotenen (also aufpreispflichtigen) Sicherheitspaketen erstellt werden.