Feinschliff für den Bestseller

Tesla hat dem Model 3 ein Update verpasst. Die wichtigsten Änderungen und der einzige Haken an der Sache.
 

Große Premiere, das Publikum wartet gebannt darauf, dass sich endlich der Vorhang hebt. Bringt Tesla ein Facelift oder gar ein neues Modell auf den Markt, ist die Aufmerksamkeit immer gewaltig. Das liegt nicht nur daran, dass die Produktpalette der kalifornischen Autobauer mit vier erhältlichen Fahrzeugen noch immer sehr überschaubar ist. Viel wesentlicher für den Hype sind die treue Fangemeinde, die kompromisslose Ausrichtung auf Elektromobilität sowie die Person des Gründers, die zu faszinieren und zu polarisieren weiß.

Um zu verstehen, welches neue Stück nun gespielt wird, hilft ein kurzer Blick hinter die Kulissen. Stolze 751 Milliarden US-Dollar Börsenwert machen Tesla-Mastermind Elon Musk zu einem der reichsten Menschen des Planeten und sein Unternehmen beinahe dreimal so wertvoll wie Toyota. Zum Vergleich: Toyota produzierte 2022 rund 10,6 Millionen Fahrzeuge, während Tesla gerade einmal 1,3 Millionen Autos ausliefern konnte. An diesem Zahlenwerk lässt sich deutlich ablesen, wie groß das Vertrauen von Anlegern und Märkten in die Innovationskraft des Unternehmens ist und wie geschickt Regisseur Musk den gesamten Auftritt der Marke inszeniert.

Entsprechend groß ist der Enthusiasmus vor allem dann, wenn dieser Hoffnung neue Nahrung gegeben wird.

Schon in der Vergangenheit haben die Präsentationen neuer Modelle an die Auftritte gefeierter Rockstars erinnert. Lange Warteschlangen, tausende Teilnehmer und frenetische Zurufe inklusive. So sieht Erwartungsmanagement in höchster Ausbaustufe aus.

So groß der Hype bei der Markteinführung von Tesla-Modellen wie S und X auch gewesen sein mag, das Zeug zum echten Game-Changer hatten die Fahrzeuge nicht. Zwar waren sie ihren Konkurrenten in mancherlei Hinsicht überlegen, doch das Verhältnis von Preis zu Reichweite konnte nur die wenigsten Normalverdiener überzeugen. Es blieb nicht dabei. Denn dass die Marke nicht nur das Luxussegment bedienen kann und will, haben spätestens die Modelle Y (zum Test geht's hier) und 3 bewiesen. Vor allem das Model 3 (hier geht's zum allerersten Test) hat der Elektromobilität mit mehr als zwei Millionen verkauften Stück gehörigen Aufwind verschafft.

Update für das Erfolgsmodell

Wie sehr nun auch von Fans – sowie Investoren – ein Modell herbeigesehnt wird, das noch günstiger und damit massentauglicher ist, Tesla geht zumindest für den Moment einen anderen Weg. Frei nach dem Motto "Never change a running system" setzt das Unternehmen lieber auch weiterhin auf das Erfolgsrezept des Model 3 und bringt ein Update heraus. Um Gutes noch besser zu machen, wie Tesla-Vertreter bei der Erstpräsentation vor Medienvertretern in Oslo beteuern.

Günstiger wird das Model 3 zwar leider nicht, auch an Batterie und Antrieb ändert sich praktisch nichts, doch zumindest wurde es nicht nennenswert teurer. In Österreich wird der Wagen mit Hinterradantrieb ab 43.990 Euro erhältlich sein; das Model 3 Long Range ab 51.990 Euro. Die günstigere Variante schafft laut Tesla 513 Kilometer, die teurere 629. Damit ist für die Fahrt nach Italien zwar noch immer ein Ladestopp nötig, aber eben nur einer.

Was genau darf man von dem Update erwarten?

Kurz gesagt: Was Kunden auf die Nerven ging, wurde kompromisslos geändert. Wichtiger als alle anderen Punkte war ihnen scheinbar die Akustik, denn dem neuen 3er wurde rundherum Akustikverglasung spendiert, genau wie verbesserten Radaufhängungsbuchsen, Dichtungen und schalldämpfende Materialien.

Der Wunsch, den Wagen leiser zu gestalten, macht sich sogar an der Karosserie bemerkbar. Der Neue hat schärfere Karosserielinien und aerodynamisch optimierte Oberflächen bekommen, die den Luftwiderstand sowie Windgeräusche reduzieren und gleichzeitig die Reichweite erhöhen. Selbst bei Reifen und Felgen wurde an der Lautstärke geschraubt. Auch ihr aktualisiertes Design soll eine verbesserte Aerodynamik bringen.

In Kombination mit leiseren Reifen eine Maßnahme, die auch noch die Reichweite optimiert. Als Kontrastprogramm zum Flüsterkurs hat der neue 3er ein Upgrade des Soundsystems erhalten: mehr Lautsprecher, mehr Bass – zumindest bei der teureren Variante. Verändert wurden auch die Scheinwerfer sowie die Rückleuchten, die in die Heckklappe integriert für einen neuen Look des Wagens sorgen.

Im Innenraum sorgt nun ein Mix aus Aluminium, Textilgewebe und veganem Leder für eine hochwertig Anmutung. Neu an Bord sind zudem serienmäßig belüftete Vordersitze und beheizte Sitze an allen weiteren Plätzen, die in die Klimaautomatik integriert wurden.

Keine Hebel mehr

Gewöhnungsbedürftig könnte der Entfall der Lenkradhebel sein, die durch haptische Schalter sowie physische Tasten ersetzt wurden. Dafür leuchtet der zentrale Touch-Screen noch heller und reagiert präziser als im Vorgänger.

Hand angelegt wurde auch in Punkto Sicherheit, insbesondere beim Seitenaufprallschutz. Gebaut wird das neue Model 3 in der Gigafactory in Shanghai. Die Batterie wird übrigens keine Tesla-Eigenproduktion sein. Ein Qualitätsnachteil muss sich daraus allerdings nicht ergeben. Egal, woher sie stammt, sie wird die versprochenen Leistungsdaten erfüllen, versichert Tesla. Dass sich viele bereits sehnlichst ein völlig eigenständiges, noch günstigeres Modell erwartet haben, ist der einzige Wermutstropfen.

Wie er sich fährt

Lillestrom, eine halbe Stunde von Oslo entfernt. Ausgehend vom Messezentrum, wo Tesla das neuen Model 3 präsentiert, geht die Fahrt gute zwei Stunden durch kleine Ortschaften, vorbei an Feldern und auch über die Autobahn. Dabei überzeugt das Fahrzeug mit dem, was allen Elektroautos gemein ist: Kraft, die ansatzlos zum Abruf steht. Die Landschaft schrumpft dann zu Schemen zusammen, während die Straße immer schmaler zu werden scheint. Dass bei einem ambitionierten Beschleunigungsmanöver keine Druckstelleb entstehen, wird durch besonders weiche Sitze verhindert, die sich stufenlos elektrisch einstellen lassen.

Um nicht von einer Geschwindigkeitsübertretung in die nächste zu fahren, geben akustische und optische Warnsignale Feedback zum erlaubten Tempo. Nervt das hilfreiche Gepiepse zu sehr, kann es zum Glück mit nur einem Klick stummgeschaltet werden. In einem Auto, das so gut wie keine Motorengeräusche produziert und akustisch zum Flüstermobil getrimmt wurde, wirken die Signale der elektronischen Helferlein erstaunlich laut.

Ein Effekt, der jeden Elektro-Neuling überrascht: Das Fahrzeug rollt im Vergleich zum Verbrenner nicht einfach weiter, wenn der Fuß vom Gaspedal genommen wird, vielmehr reduziert das Auto die Geschwindigkeit sehr rasch. So schnell wie er beschleunigt, bleibt der Tesla also auch wieder stehen – selbst, wenn man nicht auf die Bremse tritt.

Technischer Hintergrund ist die Tatsache, dass dabei Energie wiedergewonnen wird und Fahrer:innen im Grunde nur mehr ein Pedal bedienen müssen.

Vorbei geht es an den typisch skandinavisch, rot-gestrichenen Häusern, an Bauernhöfen und schmucken Siedlungen. Vergleichsweise rasch stellt sich Routine ein. Selbst die unzähligen Einstellungsvarianten lassen sich intuitiv über den Touchscreen einstellen. Hier gilt: Wer ein Smartphone bedienen kann, wird auch mit der Steuerung des Tesla klarkommen. Die Lenkung kann je nach Modus straffer eingestellt werden, was bei sportlicher Fahrweise für mehr Feedback von der Straße sorgt. Das Fahrwerk ist gleichermaßen komfortabel wie auch sportlich straff abgestimmt. Selbst bei beherzterer Fahrt bleibt auch in engeren Kurven ein Gefühl von völliger Kontrolle bestehen.

Besonders gewöhnungsbedürftig ist wohl zunächst der Wegfall des Blinkerhebels. Beim neuen Model 3 wird bei einem Richtungswechsel mit dem linken Daumen auf eine Links- bzw. rechtstaste gedrückt. Die richtige Taste in einem Kreisverkehr sofort zu finden, ist nicht ganz einfach. Doch schon nach wenigen Versuchen klappt das richtige Timing fast automatisch. Ob es nach vor oder zurück gehen soll, wird ebenfalls nicht mehr konventionell über einen Hebel gesteuert. Ein Schieberegler am Display steht nun dafür zur Verfügung.

Zurück in Lillestrom lautet die erste Frage: Wie war die Fahrt? Die ehrliche Antwort: komfortabel und ohne Zwischenfälle. So soll es sein. Und ja, auch der Fahrspaß kommt beim neuen Model 3 nicht zu kurz.

Fazit

Leiser, effizienter, hochwertiger: mit diesen vielversprechenden Merkmalen startet das Update des Model 3 seine Tournee. Wirklich neu ist das Stück zwar nicht, doch solide aufgeführt. Wie die Kritiken des geneigten, fahrenden Publikums ausfallen werden, wenn die erste Euphorie abgeebbt ist, lässt sich noch schwer vorhersagen. Fix ist allerdings, dass Elon Musk seinen Kassenschlager mit dem Update in eine zweite Spielzeit schickt und von einer treuen Fan-Gemeinde in jedem Fall Standing Ovations erhalten wird. Bravissimo!