Verbrauchstest_Renault Kadjar_HH_9904_CMS.jpg Heinz Henninger

Hetzen. Starkes Beschleunigen, scharfes Bremsen, Ausnutzen aller Tempolimits.
Gleiten. Frühes Hochschalten, vorausschauendes Fahren, nicht immer ans Limit.

 

© Heinz Henninger

Hetzen. Starkes Beschleunigen, scharfes Bremsen, Ausnutzen aller Tempolimits.
Gleiten. Frühes Hochschalten, vorausschauendes Fahren, nicht immer ans Limit.

 

© Heinz Henninger
November 2015

Gleiten statt hetzen

Die Verbrauchsangaben der Autohersteller sind wieder einmal ein heißes Diskussions-Thema. Wie groß ist aber der Einfluss des Fahrers auf die Tankrechnung? Die große auto touring-Verbrauchsfahrt.

 

Die Verbrauchsangaben in den Prospekten stimmen sowieso nicht!" Im Zuge des VW-Abgasskandals wurden die Diskussionen über die Ermittlung des "Normverbrauchs" wieder einmal schärfer. Abweichungen von bis zu 40 Prozent werden konstatiert und etwa mit Zahlen von Verbrauchs-Websites begründet. Dort kann jeder Autofahrer seine Tankrechnungen eintragen. Überprüfungsmöglichkeiten für die Fahrweise, Streckenprofile, Anzahl der Kaltstarts und Kurzstrecken gibt es keine. Dass aber gerade die Fahrweise entscheidend für den Kraftstoffverbrauch ist, wird in der Diskussion fast immer außer acht gelassen.
Der Normverbrauch wird nach einem festgelegten Programm (Neuer Europäischer Fahrzyklus, NEFZ) auf einem Prüfstand erhoben. Fahrweise und Geschwindigkeiten sind ausgesprochen verbrauchsfreundlich. Dass der Volkswagen-Konzern nicht nur beim NOx, sondern auch beim Verbrauch betrogen hat, erhöht das Vertrauen in den NEFZ nicht gerade.
Grundsätzlich ist aber ein Prüfstand-Verfahren die einzige Möglichkeit, vergleichbare Verbrauchswerte zu erheben. Auf der Straße sorgen Temperatur, unterschiedlicher Verkehr und vor allem die Fahrweise immer für Abweichungen.
Wie groß ist aber der Einfluss des Fahrers auf den Verbrauch? Und zwar unter den exakt gleichen Bedingungen – gleiche Strecke, gleiches Wetter, gleiche Verkehrsdichte. Das wollen wir herausfinden. Dazu erstellen wir ein Streckenprofil durch Österreich, Deutschland und Italien, eingeteilt in fünf Etappen mit unterschiedlichen Charakteristiken: österreichische und deutsche Autobahn, Landstraßen und steile Bergstraßen. Am Ende jeder Etappe erfolgt ein Tankstopp.

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Die Mission. Mit drei identischen Fahrzeugen starten wir in Korneuburg. Unsere Wahl fiel auf den Renault Kadjar, ein populäres SUV. Dieser Fahrzeuggattung wird ja vorgeworfen, nicht allzu sparsam mit dem Kraftstoff umzugehen. Berechtigte Kritik oder Vorurteil? Auch das wollen wir auf unserer Verbrauchsfahrt mit Fakten beweisen – oder widerlegen. Alle drei Kadjar sind identisch motorisiert: Diesel mit 1,6 Liter Hubraum und 110 PS, Frontantrieb. Die Aufgabe für den "Hetzer": immer ordentlich auf das Gaspedal treten und alle Tempolimits möglichst schnell ausnutzen.
Die Aufgabe für den "Gleiter": vernünftiges Beschleunigen, früh in den nächsthöheren Gang schalten, vorausschauendes Fahren, Tempolimits müssen nicht immer voll ausgenutzt werden.
Der dritte Renault begleitet den verbrauchsorientierten Fahrer: Dieser Kadjar hat eine Doppelkupplungs-Automatik. Denn das wollen wir auch herausfinden: Welcher Verbrauchsunterschied besteht bei gleicher Fahrweise zwischen einer manuellen Schaltung und einem modernen Automatik-Getriebe? Auf dem Papier gibt es die gleichen Voraussetzungen: Sowohl für Handschalter- als auch Automatik-Kadjar wird ein Normverbrauch von 3,8 Liter Diesel/100 km ausgewiesen.

Verbrauchstest_Renault Kadjar_HH_2-neu_CMS.jpg Heinz Henninger © Heinz Henninger

Auf die Autobahn

Start in Korneuburg zur ersten Etappe in Richtung Passau. 277 km Autobahn liegen vor uns. Die Tanks sind randvoll, der Reifendruck auf die korrekten Werte eingestellt. Der Kadjar mit dem flotten Fahrer beschleunigt schnell bis zum Limit von 130 km/h. Wenn ihn Lkw auf der Überholspur einbremsen, wird danach wieder fest aufs Gaspedal getreten.
Die beiden "Gleiter" drücken die Eco-Taste, die die Leistung von Motor und eingeschalteter Klimaanlage etwas reduziert. Zügiges Beschleunigen, aber die Schaltanzeige im Cockpit wird berücksichtigt (also schon bei niedrigen Drehzahlen auf den nächsthöheren Gang wechseln). Vorausschauend fahren: Wenn ein Laster auf der Überholspur fährt, wird rechtzeitig vom Gas gegangen und ohne zu bremsen an den Lkw herangerollt. Die Schubabschaltung des Motors spart dabei Sprit: Bis hinunter zur Leerlaufdrehzahl wird kein einziger Tropfen Kraftstoff eingespritzt.
Erster Tankstopp am Autohof Suben vor der deutschen Grenze. Der Fahrer des flotten Kadjar hat einen Vorsprung von 23 Minuten. Dafür muss er 2,3 Liter mehr Diesel nachfüllen. Das entspricht einem Mehrverbrauch von 0,8 l/100 km gegenüber dem "Gleiter"-Renault, der die Etappe mit exakt 5,0 Liter/100 km bewältigt. Der Automatik-Fahrer notiert einen Verbrauch von 5,3 l/100 km.

Verbrauchstest_Renault Kadjar_HH_1_CMS.jpg Grafik auto touring © Grafik auto touring

Auf die deutsche Autobahn

Next stopp: Landsberg. Die Strecke: überwiegend deutsche Autobahn, wenige Tempolimits. Unser flotter Kadjar-Testfahrer lässt es laufen. Wo es erlaubt ist und der Verkehr es zulässt, zeigt sein Tacho 180 km/h an. Die beiden Gleiter halten sich weiter an ihr Maximaltempo von 130. Relativ viel Verkehr hält die Zeitdifferenz in Grenzen: 38 Minuten nach einer Gesamtstrecke von 290 km. Der Preis dafür muss an der Zapfsäule bezahlt werden. 7,3 l/100 km zu 4,9 (5,2 für den Automatik-Renault). In absoluten Zahlen: Der Gleiter tankt 14,2 Liter nach, der Tank des flotten Renault muss mit 21,2 Liter aufgefüllt werden.
 

Verbrauchstest_Renault Kadjar_HH_3_CMS.jpg Grafik auto touring © Grafik auto touring

Auf nach Südtirol

Etappe 3: Gleichstand. Die nächste Strecke führt auf Landstraßen wieder in Richtung Österreich, an Innsbruck vorbei und über den Brenner nach Atzwang bei Bozen, insgesamt 250 km. Viel Verkehr, kurvige Landstraßen und Laster-Kolonnen auf der Brenner-Autobahn verhindern ein Absetzen des Hetzers von den beiden Gleitern. Umso mehr werden seine Nerven strapaziert. Bald gibt es der Testredakteur auf, rollt ebenfalls in der Kolonne mit. Am Ende daher fast Gleichstand: acht Minuten Vorsprung, 4,5 Liter/100 km für den Hetzer, 4,3 für den Gleiter und 4,4 für den Automatik-Gleiter.

Verbrauchstest_Renault Kadjar_HH_6_CMS.jpg Grafik auto touring © Grafik auto touring

Die Bergprüfung

Der Berg ruft. Zweiter Tag, Etappe 4. Auf dem Weg zurück nach Österreich geht es durch Südtirol auf kleinen Bergstraßen mehrfach über 2.000 Meter Seehöhe hinauf. Insgesamt stehen 280 Kilometer auf dem Programm. Der flotte Kadjar-Fahrer nutzt seine 110 PS auf den Steigungen voll aus, aber auch die gleitenden Fahrer werden nicht zu Verkehrshindernissen. Zusätzlich können sie die atemberaubende Berglandschaft besser genießen.
Am Ende steht ein Vorsprung von 34 Minuten, der aber mit einer Differenz von 2,1 Liter/100 km zwischen den beiden handgeschalteten Renaults bezahlt werden muss. Erstmals liegt auch die Automatik-Version deutlich über dem Gleiterkollegen. 0,6 Liter mehr für 100 km zeigen, dass ein guter Fahrer in den Bergen sparsamer schalten kann als die Elektronik der Renault-Automatik.
Dass auf den normalen Etappen der Automatik-Verbrauch auch bis zu 0,3 Liter/100 km höher liegt, kann auf die kürzere Gesamt-Übersetzung des DSG-Getriebes zurückgeführt werden. Bei Tempo 100 dreht der Motor des Automatik-Kadjar um 300 Umdrehungen höher. Das summiert sich auf einer Strecke von 100 Kilometer eben.

Verbrauchstest_Renault Kadjar_HH_4_CMS.jpg Grafik auto touring © Grafik auto touring

Die Schlussetappe

Noch einmal stehen 304 km auf dem Programm: Land- und Schnellstraßen, Autobahn. Die beiden Gleiter sind mittlerweile richtig in ihrem Element. Nach einiger Zeit hat man das vorausschauende Fahren schon richtig im Blut. Der Ehrgeiz, auf der Schlussetappe einen guten Verbrauchswert zu erzielen, lässt die Tachonadel auf der Autobahn die 120er-Marke nur selten überschreiten.
An der Endstation, der Raststätte Guntramsdorf nahe Wien, kann der flotte Kadjar-Fahrer zwar 23 Minuten früher tanken, muss aber fast 5 Liter mehr nachfüllen. Während der sparsame Schalter-Kadjar mit 4,3 Liter/100 km auskommt (Automatik 4,4), muss der "Hetzer" 5,9 l/100 km verzeichnen.

Verbrauchstest_Renault Kadjar_HH_5_CMS.jpg Grafik auto touring © Grafik auto touring

In Summe kann der flotte Testpilot auf 1.400 km einen Zeitvorsprung von zwei Stunden und sechs Minuten herausfahren. Das kostet ihn aber nicht nur einen zusätzlichen Gesamt-Verbrauch von 20,65 Litern Diesel (1,4 Liter Mehrverbrauch/100 Kilometer), sondern in vielen Situationen auch ordentlich Nerven. 

Das Ergebnis in Zahlen
1.400 Kilometer mit sehr unterschiedlichen Streckenprofilen haben gezeigt, dass man mit einer rund 10 km/h geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit ganz einfach 1,4 Liter Diesel/100 km einsparen kann. Der Kadjar mit DSG-Automatik hat auf der gesamten Strecke einen Durchschnittsverbrauch von 4,9 Liter/100 km erzielt. Mit dem gleichen Durchschnittstempo von 74,7 km/h brauchte der handgeschaltete Renault lediglich 4,6 Liter/100 km. Der Komfort einer modernen Automatik ist also nur mit einem minimalen Mehrverbrauch verbunden.

Eine um knapp 10 km/h höhere Durchschnittsgeschwindigkeit kostet auf 100 Kilometer 1,4 Liter mehr Kraftstoff. Der "Hetzer" verzeichnete einen Durchschnitt von 6,0 Liter/100 km.

Verbrauchstest_Renault Kadjar_HH_7_CMS.jpg Grafik auto touring © Grafik auto touring
Verbrauchstest_Renault Kadjar_HH_9958_CMS.jpg Heinz Henninger

Unser Fazit

Spaß am Sparen. Christian Stich, Günter Rauecker und Peter Scharnagl (von links) waren die Fahrer der drei Renault Kadjar.
Flottes Fahren ohne Blick auf die Tankuhr geht ja ganz einfach. Sparsames Fahren braucht etwas Übung und Gewöhnung, bis man nicht mehr bewusst daran denken muss. Trotz Vollgas-Etappen und sehr flotter Fahrweise brauchte der "Hetzer“-Kadjar nur 6,0 Liter Diesel/100 km. Ein moderner SUV ist also alles andere als ein Säufer. Aber: Mit Zurückhaltung und der richtigen Fahrtechnik schaffte der "Gleiter“-Kadjar 4,6 Liter/100 km. Trotz Autobahntempo, trotz Klimaanlage und trotz 15.000 Höhenmetern, die auf unserer Rundreise zu bewältigen waren.

Die Tipps für's Spritsparen

Grundvoraussetzung für einen möglichst geringen Verbrauch ist der einwandfreie technische Zustand des Fahrzeugs. Verschmutzte Luftfilter oder falsche Motoreinstellungen vermindern die Motorleistung und treiben den Verbrauch in die Höhe.

  • Luftdruck kontrollieren und richtig einstellen. Zu wenig Druck erhöht Verbrauch und Reifenverschleiß.
  • Keine Dachträger unnötig montiert lassen oder sinnloses Gewicht mitführen.
  • Motor nicht im Stand warmlaufen lassen; kostet Sprit, schadet dem Motor und ist außerdem verboten.
  • Zügig beschleunigen, früh hochschalten. Vorhandene Schaltanzeigen beachten.
  • Vorausschauend fahren, Motorbremswirkung und damit die "Schubabschaltung" nutzen: Bis zur Leerlaufdrehzahl hinunter wird kein Kraftstoff eingespritzt.
  • Tempomat richtig nutzen: Auf hügeligen Strecken ausschalten und lieber selber mit Hirn Gas geben. An den Steigungen eher nachlassen, dafür hinunter flott rollen lassen.
  • Moderne Navis berechnen "Eco"-Routen (die Streckenvariante mit dem geringsten Verbrauch).

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