Auf der IAA Mobility 2021 in München sah ich den kompakten "Ora 01 Cat" und dachte: Interessant. So ganz anders als alles bisher.
Ora? Chinesisch. Ein bisschen Retrodesign, aber kein früheres Auto nachahmend. Gefälllig.
Daneben stand in München ein etwas größeres Modell namens "Ora 03 Cat", das aussah wie ein geschrumpfter, etwas klobiger Porsche Panamera (erste Generation). Ich speicherte "Ora" als neue Automarke aus China ab.
Jetzt sah ich den kleineren der beiden Ora wieder, fuhr ihn auch, der gute erste optische Eindruck setzte sich fort. Ora tritt nun nicht als eigenständige Automarke auf, sondern als Produktlinie des Herstellers GWM. Unter diesem Akronym bündelt der chinesische Konzern Great Wall Motor ab 2024 seine Geschäftstätigkeit in Europa – so wie es ausschaut, auch in Österreich. In Israel, Irland, UK, Schweden und Deutschland ist der Hersteller schon vertreten.
Die Nummerierungen haben sich geändert, die Katze gibt's nicht mehr: Aus dem "Ora 01 Cat" wurde der Ora 03, der (größere) "Ora 03 Cat" wird 2024 auf den Markt kommen und heißt dann neu Ora 07. Der Modellname Ora steht für die Elektroautos von GWM, für 2025 ist auch ein vollelektrisches SUV im C-Segment (Kompaktklasse) angekündigt.
Praktisch: Der Ora 03 teilt sich die Antriebs-Plattform mit dem elektrischen Mini SE, den Great Wall in einem Joint Venture mit BMW in China produziert.
Great Wall Motor ist ein chinesischer Automobilkonzern. Seine Headquarters sind in Baoding, einer 9-Millionen-Stadt südwestlich der Hauptstadt Beijing. 1984 als Lkw-Hersteller gegründet, produziert Great Wall seit 1990 auch Pkw und hat 2022 eine Million Stück ausgeliefert, 80 Prozent davon auf dem Heimmarkt.
In China vertreibt Great Wall Motor seine Produkte unter fünf verschiedenen Markennamen, sie heißen Ora (E-Autos), Wey und Haval (SUV), Tank (Geländewagen) und Poer (Pick-ups). Haval ist dort Marktführer bei den SUV.
Die 2018 gegründete Tochtergesellschaft SVOLT beschäftigt sich in 9 Forschungszentren und 13 Fabriken nur mit Batterieentwicklung und -produktion, demnächst werden auch im Saarland in Deutschland Batteriepacks hergestellt. Es geht vor allem um Schnellladen und 800-Volt-Technologie.
In Europa, wo Great Wall künftig unter dem Kürzel GWM auftritt, sollen die SUV ausschließlich unter dem Modellnamen Wey vermarktet werden.
Ein SUV ist in Deutschland bereits erhältlich, der Wey 05, bisher Coffee genannt. Es handelt sich dabei um einen Plug-in-Hybrid mit enormer elektrischer Reichweite nach WLTP: 146 Kilometer werden versprochen. Der Wey 05 ist 4,87 Meter lang und kostet in Deutschland ab € 59.900,–.
Nun kommt mit dem GWM Wey 03 ein etwas kompakterer SUV hinzu – er ist 4,67 Meter lang und um 7 Zentimeter schmäler als der Wey 05.
Was bedeutet eigentlich Wey? Ganz einfach: Jack Wey ist der Gründer und CEO von Great Wall Motor.
Der GWM Wey 03 sieht etwas konventioneller aus als sein größerer Bruder. Es gibt ihn auf Wunsch auch als reinen Fronttriebler, der Preis ist noch unbekannt, es steht ja noch nicht einmal ein Importeur für Österreich fest. Doch man sei in guten Gesprächen mit einem potenziellen Handelspartner, verrät ein GWM-Sprecher. Ziel ist es, Vertretungen in allen neun Bundesländern zu haben, da kommen nicht allzu viele Automobil-Handelsunternehmen in Österreich infrage, die das bieten können.
GWM meint es ernst: Der Wey 03 ist erkennbar den Ansprüchen europäischer Autokäufer angepasst. Statt des ursprünglichen 1,5-Liter-Turbo-Benzinmotors arbeitet ein Zweiliter-Turbo unter der Motorhaube und während am Heimatmarkt die Verbrennungs- und Elektromotoren ihr Drehmoment über eine Wandlerautomatik an die Räder schicken, findet sich in der Europa-Version ein 9-Gang-Doppelkupplungsgetriebe. Der Wey 03 verfügt über eine Anhängelast von bis zu zwei Tonnen – eine Eigenschaft, die in China keinen Käufer interessiert.
Auch die Euro-NCAP-Crashtests nimmt GWM sehr ernst und verkündet mit kaum verhohlenem Stolz, dass die beiden Wey-Modelle darin nicht nur 5 Sterne, sondern die Bestwerte in ihrer Klasse erreicht hätten.
Das SUV sei kein Auto mit Verbrennungsmotor und zusätzlichem Elektroantrieb, sagt GWM, sondern eigentlich umgekehrt: ein E-Auto mit einem Verbrenner für den Fall, dass längere Strecken zurückgelegt werden sollen. Der Akku hat eine Kapazität von 34 kWh, was beim Fronttriebler für 124 km, beim Allradler für 136 km Reichweite sorgen soll. Unterschiedlich auch die Systemleistung: 270 kW (367 PS) beim frontgetriebenen Wey 03, 325 kW (442 PS) beim vierradgetriebenen. Der Benzintank fasst 55 Liter.
Wichtig ist aber, dass AC-Laden mit 11 kW, DC-Laden mit 50 kW möglich ist. Solche Werte sind bei Plug-in-Hybridautos eher ungewöhnlich.
Den WLTP-Verbrauch gibt GWM mit nur 0,5 Liter/100 km plus 24,3 bis 25,2 kWh pro 100 km an – erfahrungsgemäß sind solche Werte in der Realität nicht zu schaffen. Sobald ein Testfahrzeug verfügbar ist, wird auto touring auf bewährte Weise einen praxisnahen Testverbrauch ermitteln.
Beim Fahren fällt zunächst der ruhige Motorlauf auf, die Übergänge vom rein elektrischen zum motorunterstützen Fahren sind kaum zu merken. Außer man ruft kräftige Beschleunigung ab, dann schaltet der Motor sich hörbar dazu. Das Fahrwerk des 4,67 Meter langen SUV ist auf der komfortablen Seite, die Lenkung schon unangenehm schwammig und unpräzise. Gute Bremsleistung, aber das ebenfalls diffuse Gefühl am Bremspedal flößt wenig Vertrauen ein.
Der 14,6 Zoll große Bildschirm versammelt nicht nur alle relevanten Informationen, sondern auch jede Menge Bedienungselemente. in einem eigenen 9-Zoll-Display ist die Bedienung der Klimaanlage untergebracht. Natürlich sind alle möglichen elektronischen Assistenzsysteme verbaut und die Vielzahl an unterschiedlichen Warnklängen macht es schwierig, im Einzelfall zu erraten, worauf das Auto dich gerade wieder aufmerksam machen will.
Bemerkenswert sind im Innenraum nicht nur die hochwertig wirkenden Materialien, sondern auch eine gekonnte Gestaltung und die tadellose Verarbeitung. Das hat alles Hand und Fuß, ist gut gelöst und sauber gemacht. Auch wenn GWM betont, sich nicht ins Premium-Segment begeben zu wollen – als mögliche Konkurrenten für den Wey 03 werden VW Tiguan oder Kia Sportage genannt – ein Billigsdorfer ist dieses SUV von GWM jedenfalls nicht.
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