Hoppla, Zwillinge!
Zwei Welten, aber (fast) das gleiche Auto: Der blaue Fiat 124 Spider, den wir mit dem roten Mazda MX-5 bis ins Detail verglichen haben.
Es war einmal ein wunderbares Auto. Ein offener Zweisitzer mit Fetzendachl, ein echter Italiener. Ein Latin Lover, fesch wie ein Ferrari – der Fiat 124 Spider. Trotz seiner Abstammung: Seine Basis war der zwar gefällige, aber eigentlich höchst biedere Fiat 124, der ab 1971 auch in der Sowjetunion als Lada vom Band lief. Dieses wunderbare Auto, der Spider, überlebte die Limousine um Jahre, auch wenn er von 1982 bis 1985 nicht von Fiat selbst, sondern als Auftragsproduktion bei Pininfarina als „Spidereuropa“ gebaut wurde.
Szenenwechsel. England im Jahr 1964. Die junge Schauspielerin Diana Rigg feiert in der TV-Serie „The Avengers“ (kurz darauf bei uns als „Mit Schirm, Charme und Melone“ zu sehen) ihren Durchbruch als höchst emanzipierte Agentin Emma Peel. Um die (damalige) Modernität der Rolle noch zu unterstreichen, verpassen ihr die Produzenten einen modernen, schnellen und vor allem sportlichen Roadster: den 1962 entstandenen Lotus Elan. Klein, leicht und wendig.
Zeitenwechsel
Japan, Ende der 1980er-Jahre. Verschärfte Sicherheitsbestimmungen hatten Autos wie dem 124 Spider und dem Elan den Garaus gemacht. Aber für Mazdas Ingenieure waren die kleinen, erschwinglichen Roadster noch Ikonen. Sie trauerten ihnen nicht nur nach, sondern entwarfen einen eigenen Zweisitzer, so wie es sich für einen Klassiker gehört mit Frontmotor und Heckantrieb, der zudem noch dem Lotus frappant ähnlich sah, boxten ihn hausintern durch und warfen ihn (zuerst nur in Kleinserie) auf den Markt – als Mazda MX-5. Aus der Liebhaberei der Ingenieure wurde ein nachhaltiger Welterfolg über zweieinhalb Jahrzehnte.
Erst 2014 wagte man in Hiroshima mit der vollkommen neu konstruierten vierten Generation einen Stilbruch. Herausgekommen ist eine zeitgemäße Interpretation eines klassischen Roadsters in muskulöser Gestalt mit scharfen Kanten – so, als wenn seine seitlichen Karosserie-Überhänge mit einem Samuraischwert abgeschlagen worden wären. Samurai – das passt für das neue MX-5-Outfit.
Zum Zeitpunkt seiner Modellvorstellung werkten die Fiat-Designer bereits an einer Version im Italo-Look. Jahre zuvor hatte Mazda mit dem Fiat-Konzern eine Vereinbarung geschlossen: Ein MX-5-Derivat sollte als Alfa Spider auf den Markt kommen (auto touring berichtete). Irgendwann aber entschieden sich die Fiat-Strategen, auf der Mazda-Plattform lieber eine Re-Inkarnation des 124 Spider aufzulegen, die im Herbst 2015 vorgestellt wurde. Die Folge: Roadster-Fans haben nun die Qual der Wahl – Retro-Fiat oder Samurai-Mazda.
Nur ein anderes Kleid?
Beide rollen in Japan vom Band. Ist der Italiener also nur ein Japaner im italienischen Kleid? Nein. Zum Design eine kurze Rückblende: Tom Tjaarda, der Mann, der 1966 bei Pininfarina den 124 Spider schuf, war ein gebürtiger Amerikaner, der nach dieser (Eigendefinition) „Signora in High Heels“ den De Tomaso Pantera, den allerersten Ford Fiesta und den ersten Lancia Y10 schuf. Die Fiat-Leute haben nicht nur eine neue, seinem Ur-Spider ziemlich ähnliche Karosserie mit zwei Hutzen in der (längeren) Motorhaube und einem für Tjaarda typischen Heck mit zur Fahrzeugmitte hin einfallenden Kotflügeln modelliert, sondern auch ihre Motoren eingebaut. Etwa einen 140 PS starken 1,4-Liter Turbo (ab 28.900 Euro) oder, in der optisch verschärften Abarth-Variante, einen gleich großen, 170 PS starken Turbo (ab 42.000 Euro). Sie sollen, sagt Fiat, aber auch etwas am Fahrwerk herumgeschraubt haben.
Der Fiat 124 im Detail
Zum Vergleich der Mazda MX-5
Wir nehmen Platz
In dem (bei beiden Fahrzeugen identisch schmalen) Innenraum gibt es auch Unterschiede, wenn auch kleinere. Jedenfalls bei einem ersten schnellen Überblick. Sieht man jedoch genauer hin, merkt man: Die Plastikteile im Fiat scheinen weicher geschäumt und erscheinen damit etwas hochwertiger als die im Mazda. Die gleichen drei Rundinstrumente, identische Bedienungselemente, der gleiche Startknopf, das gleiche Display – und selbst beim Multifunktions-Lenkrad gibt es außer dem Markenlogo nur einen einzigen Unterschied: Der Hupring ist etwas anders geformt. Eigentlich schade, denn gerade hier hätte der Italo-Japaner punkten können.
Und über dir der Himmel so blau...
Das Dach im Fiat soll über eine Zusatz-Lage Dämmstoff verfügen. Ist in der Cabrio-Saison (für wirkliche Fans hierzulande also gefühlte zehn Monate) aber nur von sekundärem Interesse.
Viel wichtiger für einen Roadster: Wie lässt sich das Fetzendachl öffnen? Um die Antwort vorwegzunehmen: perfekt. Es ist beim Fiat so wie bei seinem zweieiigem Zwillingsbruder in drei Sekunden offen. Genial einfach – einfach genial und vollkommen un-elektrisch in vier Schritten: Zuerst die Verriegelung – den mittig an der Scheiben-Oberkante über dem Innenspiegel sitzenden Hebel – lösen, dann ab mit den Fingern in den Griffmulden, dann das Dach mit Schwung nach hinten werfen und es schlussendlich hinter dem Mini-Windschott festklicken. Das Verdeck bildet eine plane Fläche hinter den Überrollbügeln.
Was bei vielen Cabrios heute Usus ist, nämlich das Öffnen oder Schließen des Verdecks beim Fahren, sollte man sich bei unseren beiden Kandidaten nicht antun. Nicht nur, dass man das beim Fiat und beim Mazda händisch erledigen müsste und es eigentlich beide Hände dazu erfordert – selbst wenn der Copilot diese Aufgabe erledigen sollte, müsste er ab Tempo 50 trainierte Armmuskeln haben, um den Luftwiderstand dabei zu überwinden.
Dach auf beim Fiat
Und jetzt beim Mazda
Fahren im Freien
Der Blick über die Motorhaube nach vorn macht den Unterschied, beim Fiat erscheint die Schnauze länger. Wahrscheinlich ist sie es auch, denn das Auto ist um 14 Zentimeter länger als der Mazda. Die Fiat-Haube wird obendrein noch von zwei Kraftbuckeln – ein gelungenes Zitat, das an das historische Vorbild erinnert – bekrönt.
Unter der Haube sitzt ja der – nach dem Design – größte Unterschied: der 140 PS starke 1,4-Liter-Turbomotor aus dem Fiat-Regal. Er ist damit zehn PS stärker als der 1,5-Liter-Saugmotor des Basis-MX-5 (den 160 PS starken 2-Liter-Sauger des Mazda und den 170 PS starken 2-Liter-Turbo des Abarth 124 Spider lassen wir einmal außen vor). Und der 140-PS-Turbo legt nach einem kurzen Turboloch mit lässigem Grummeln schon bei 2.000 Touren richtig los. Dank seines Drehmoments (240 Nm) lässt er sich dabei auch etwas gelassener fahren als der Mazda, der stets den richtigen Gang und die richtige Drehzahl verlangt.
Gäbe es hier an Stelle dieses Features einen knallharten Testbericht, ginge das Kapitel Fahrdynamik auf alle Fälle an den Fiat, zumal dieser (dank der etwas größeren Räder?) auch entspannter geradeaus läuft. Der Mazda hingegen unterbietet den Fiat etwas im Verbrauch.
Praktisch keinen Unterschied gibt es bezüglich der Tauglichkeit für Weekend-Trips: Packesel ist keiner der beiden Roadster, aber eine nette Kurzreise geht sich allemal aus. Beide bieten nur 130 Liter Kofferraumvolumen, und beide dürfen nur an die 200 Kilo Ballast an Bord haben.
Die Qual der Wahl
Welchen der so ähnlichen nun bevorzugen? Eine schwere Frage. Schon allein diesen Fahrzeugtyp, einen Roadster und damit im weitesten Sinn ein Spaßauto, kauft man ja eher aus dem Bauch heraus als nach genauem Vergleich der Fakten. Für alle, die dennoch nicht nur die Gefühle bestimmen lassen möchten, kurz zu den Preisen:
Den Fiat 124 Spider gibt es in Basisausstattung mit 140 PS um 28.900 Euro, den 170 PS starken Abarth 124 Spider ab 42.000 Euro. Der Mazda MX-5 kostet in der 130 PS starken G 130-Basisversion 26.090 Euro, mit 160 PS als G 160 32.690 Euro.
Darüber hinaus ist der Mazda seit kurzem auch als Klappdach-Roadster MX-5 RF ab 33.890 Euro (G 130) bzw. 35.190 Euro (G 160) erhältlich. Mal sehen, ob es von Fiat irgendwann einmal auch soetwas geben wird, einen 124 Spider mit Hardtop gab es ja auch einmal...