"Chips und Kabel sind Mangelware"
Österreichs Autoimporteure haben volle Auftragsbücher – aber sie können nicht alle bestellten Fahrzeuge ausliefern. Wolfgang Wurm, Geschäftsführer Porsche Austria, Seat und Cupra, nimmt im Interview zur Lieferkrise Stellung.
Zuerst war es die Pandemie, die die Autoindustrie dazu zwang, Produktionspausen einzulegen. Dann schlug die Halbleiterkrise zu: Es wurden weniger Mikrochips produziert – und von den wenigen, die produziert wurden, ging die Mehrzahl an die Hersteller von Smartphones, weil die weniger preissensibel agieren als die von Autos.
Und nun schlägt der Krieg in der Ukraine voll auf die Lieferketten – werden doch die meisten Kabelbäume dort erzeugt.
Die Folge: Wer heute ein Auto in Wunschausstattung bestellt, muss sich gedulden. Auslieferungen werden auf zum Teil unbestimmte Zeit verschoben.
Wolfgang Wurm ist einer der Geschäftsführer von Porsche Austria, dem größten Autoimporteur Österreichs. Und er ist Geschäftsführer von Seat und Cupra in Österreich. Er spricht im Interview über die aktuelle Situation dieser beiden Marken, die in Österreich über einen Marktanteil von zusammen 7,7 Prozent verfügen.
— Volle Auftragsbücher, aber weniger Auslieferungen. Wie schaut es bei Ihren Marken aus? Und wie geht es Ihnen dabei?
WOLFGANG WURM: Die meisten Seats und Cupras sind noch heuer lieferbar, der Leon aber erst nächstes Jahr. Da würden wir uns im Sinne der Kunden natürlich schnellere Lieferungen wünschen. Etwa wenn Kunden ein Leasingauto fahren, das schon ein oder zweimal verlängert wurde.
Viele Kunden akzeptieren ein Jahr Lieferzeit, einige auch mehr, etwa bei Elektroautos. Wir unternehmen alle Anstrengungen, um das Auto möglichst zum vereinbarten Termin zu liefern, leider gelingt das aufgrund der aktuellen volatilen Situation nicht immer. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist es ja nicht schlecht, wenn die Neuwagenpreise höher sind – und auch die Preise für Gebrauchtwagen sind jetzt dort, wo sie immer schon sein sollten. Denn als es zu viele Neu- und Gebrauchtwagen gab, kam es zu einer Überhitzung des Marktes und der Wettbewerb lief nur über den Preis. Wolfgang Porsche hat mir einmal gesagt: "Das Wichtigste ist, dass man ein Auto weniger verkauft als der Markt hergibt."
— Gibt es generelle Unterschiede in den Lieferzeiten für Benziner und Diesel und E-Autos?
WOLFGANG WURM: Zu Anfang der Halbleiterknappheit gab es Lieferschwierigkeiten bei Seat Ibiza und Arona, weil margenstärkere Modelle in der Produktion bevorzugt wurden. Aber es ist ja so, dass in teuren Autos mehr Chips verbaut sind. Und weil die Produktionsbänder gewissermaßen rollen müssen und der Halbleitermangel noch anhält, werden jetzt auch die günstigeren Modelle wieder verstärkt gebaut. Darum können unsere kleineren Einstiegsmodelle jetzt auch schon ein paar Monate nach der Bestellung ausgeliefert werden. Das Schlechteste für alle Beteiligten ist eine stehende Produktion.
— Muss man auf E-Autos eigentlich länger warten?
wolfgang wurm:Ja, aber auch wegen der hohen Nachfrage, die aktuell deutlich größer ist als die zur Verfügung stehenden Produktionskapazitäten. Zudem werden viel mehr Chips und Kabel benötigt – beides Mangelware in der aktuellen Situation.
Es wird sich auch vieles weiter verbessern, wenn unsere Produktionsstätten besser auf die E-Mobilität ausgerichtet sind und die geplanten Batteriefabriken in Europa mit der Produktion beginnen.
Und natürlich versucht man ja auch als Learning aus den aktuellen Krisen, Produktionen und Zulieferer zurück nach Europa und damit näher ans Werk zu bringen und sich vielleicht einen zweiten oder dritten Lieferanten zu sichern.
— Wenn man jetzt hört, dass wieder mehr Zulieferer aus Europa eingesetzt werden sollen: Ist das bis jetzt nur ein Vorsatz?
wolfgang wurm:Es ist schon vieles im Laufen, denn wie schon gesagt sind stehende Bänder das schlechteste Szenario überhaupt. Man verliert nicht nur Kunden, auch Arbeitsplätze gehen verloren.
Die Globalisierung ist ja gut gemeint, wurde aber zu einseitig interpretiert. Es ist nicht so, dass wir ganz darauf verzichten können, aber auf zwei Beinen steht sich's besser als auf einem. Das so genannte Single Sourcing, also das Setzen auf einen einzigen Lieferanten, ist vorbei.
Ebenfalls vorbei ist das beinharte Verhandeln um Lieferverträge mit kurzer Laufzeit und ganz niedrigem Preis. Heute ist die Planungssicherheit wieder wichtiger geworden, die Industrie setzt auf längerfristige Verträge. Speziell bei den Halbleitern war das ein Nachteil, weil viele Produzenten ihre Halbleiter an Branchen lieferten, die nicht so preissensibel agierten, etwa für Videokonsolen und Smartphones.
— Muss der potenzielle Kunde jetzt nehmen, was kommt, oder lässt sich das Wunschauto noch frei konfigurieren?
WOLFGANG WURM:Eine freie Konfiguration ist weiterhin möglich, allerdings gibt es aktuell einzelne Mehrausstattungen und Restriktionen, die die Lieferzeit verlängern. Wir hatten etwa Probleme mit dem Blind Spot Sensor, ein Fahrassistent, der Fahrzeuge außerhalb des Sichtfeldes erkennt und davor warnt. In diesem Fall liegt es am Händler, dem Kunden transparent mitzuteilen, dass es länger dauern wird, wenn er dieses Feature ordert, aber auch gleichzeitig darauf hinweist, dass ein nachträglicher Einbau aufgrund der komplexen Verkabelung nicht möglich ist.
Die meisten Kunden fragen dann, wie lange man warten müsste – und diese Frage ist schon wieder die nächste Herausforderung für den Händler. Natürlich ist es schwierig zu kommunizieren, wenn sich die Situation plötzlich ändert, etwa weil Kabelbäume aus China zugekauft wurden. Und sie sich wieder ändert, weil die nun fertigen Kabelbäume Lockdown-bedingt im Hafen von Shanghai liegen. Man muss als Autohändler heute sehr transparent mit seinen Kunden kommunizieren und gut im Krisenmanagement sein.
— Wieviel Prozent der geplanten Produktion sind Sie im Rückstand?
WOLFGANG WURM:Etwa 10 bis 15 Prozent bei Seat. Wir hoffen, dass wir einen Teil bis Jahresende wieder aufholen können.
— Was Autokäufer jetzt abseits der Lieferfristen noch interessiert: Gibt es noch Rabatte?
WOLFGANG WURM: Sie sind aufgrund der hohen Nachfrage weniger geworden. In vielen Fällen war das Autogeschäft in den letzten Jahren gar kein oder kein großes Geschäft – getragen hat die Betriebe das Geschäft mit dem Kundendienst. Die Preise nähern sich also der Realität für ein gesundes Geschäft an.
Was noch dazu kommt: Früher hatten wir Autos auf Lager und führten von Zeit zu Zeit einen Lager-Abverkauf durch, es gab also auch mehr gezielte Aktionen – das ist vorbei.
Die Situation ist also durchaus verständlich, ich hoffe, dass der Händler dadurch im Verkaufsgespräch nicht überheblich rüberkommt. Vielen Kunden ist aber eine gute, persönliche Betreuung durch den Händler wichtiger als das Feilschen um die Rabatte. Etwa weil ihnen die Bedienung des Autos gut erklärt wird – die immer dicker werdenden Betriebsanleitungen liest heute ja kaum noch wer. Und wenn man dann ein paar Mal den Händler kontaktiert und dieser sich Zeit für einen nimmt – diese fachmännische Beratung ist ja schon etwas wert.
— Gute Gebrauchtwagen als Eintauschfahrzeuge sind ja auch im Wert gestiegen, oder?
WOLFGANG WURM: Ja, diese Entwicklung ist deutlich. Meistens kauft der Konsument nicht nur ein neues Auto, sondern tauscht auch sein altes ein. Oft haben wir jetzt sogar die Situation, dass die Gebrauchten im Verhältnis stärker im Preis gestiegen sind als unsere Neuwagen. Leider beißen den letzten halt immer die Hunde. Wer keinen Eintauschwagen hat, spürt die Situation am deutlichsten.
— Ganz allgemein: Werden Autos jetzt teurer?
WOLFGANG WURM: Ja, nicht nur wegen der Lieferketten. Auch wegen der Umstellung auf Elektromobilität, des anhaltenden SUV-Trends und wegen der schärfer werdenden Abgasnormen. Die Erfüllung der CO2-Grenzen und die Einführung einer neuen Technologie lässt die Preise steigen.
— Wenn jetzt jemand bestellt – zahlt er dann den jetzt gültigen Preis?
WOLFGANG WURM: Derzeit ja. Und ich sage ganz bewusst derzeit, weil wir uns das auf Dauer nicht mehr leisten werden können. Bei einer möglichen Lieferzeit von eineinhalb Jahren und starken Inflationssprüngen schreiben wir sonst nur negative Zahlen. In Zukunft wird es uns vielleicht so ergehen wie aktuell der Baubranche, dass der Preis, der einem genannt wird, nicht einmal eine Woche gewährleistet werden kann.
— Zusatzfrage: Man hört, Cupra entwickle sich zur – elektrischen – Premiummarke, mit der man höhere Margen einfahren kann. Wird es Seat in fünf Jahren noch geben?
WOLFGANG WURM: Ja, definitiv. Cupra soll eine Nische zwischen Volumen- und Premiummarkt besetzen und wird in den nächsten Jahren neue elektrische Modelle auf den Markt bringen. Nächstes Jahr startet auch der Bau einer Gigafactory für Batterien in Valencia, die dann auch ab 2026 die Produktion startet. Und vielleicht wird Seat dann auch E-Autos bauen.
Eines ist klar: In Autos im A-null-Segment, das sind Kleinwagen in der Ibiza- und Polo-Klasse, wird der E-Antrieb dann den Verbrenner ersetzen – schon allein wegen der schärferen Abgasnormen, die Autos mit Verbrennungsmotoren in diesem Segment zu teuer machen würden.