Aufmerksamkeitstudie_Cover_CMS_kl.jpg Heinz Henninger
© Heinz Henninger
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Juni 2015

Lenken statt ablenken

Trinken, Telefonieren, das Aufsetzen der Brille: Wie sehr lenken Nebentätigkeiten vom Fahren ab? Wohin geht dabei der Blick und bleiben beide Hände am Steuer? Die ÖAMTC-Studie zeigt Geahntes.

Ich habe die Situation einfach unterschätzt", bringt es Thomas H., einer der 66 Testfahrer der ÖAMTC-Ablenkungs-Studie, auf den Punkt. "Es ist erschreckend zu sehen, wie sehr Tätigkeiten während des Autofahrens ablenken, obwohl diese ja bewusst durchgeführt werden. Erstaunlich, wie wenig man vom Straßenverkehr mitbekommt, wenn man nur eine Wasserflasche während der Fahrt öffnet und davon trinken möchte."

Probandin Brigitte D. konnte auf der ÖAMTC-Teststrecke nicht mehr vor einem Hindernis halten, während sie einen Ort ins Navigationsgerät eintippte. "Ich war aber sehr langsam unterwegs, normalerweise fahre ich schneller."

So auch das Ergebnis der Studie: Nicht nur augenscheinlich ablenkende Tätigkeiten wie etwa das Telefonieren während der Fahrt sind gefährlich, sondern auch vermeintlich harmlose Tätigkeiten, etwa das Trinken aus einer Wasserflasche oder das Herausnehmen der Brille aus dem Etui.

"Ablenkung am Steuer ist leider immer wieder der Grund für einen schweren Verkehrsunfall", gibt Dr. Wolfgang Voelckel, leitender Notarzt der Christophorus Flugrettung, zu bedenken. 

Jedes Verhalten im Fahrzeug, das fürs Autofahren nicht notwendig ist, lenkt ab und ist gefährlich.

Otmar Bruckner, Leiter der Unfallanalyse im Innenministerium

Laut den Unfalldaten, die vom Innenministerium herausgegeben wurden, ist bei den vermuteten Hauptunfallursachen bei tödlichen Verkehrsunfällen in der Rubrik "Unachtsamkeit/Ablenkung" 2014 ein Anstieg zu verzeichnen: Waren im Jahr 2009 noch 11,5 Prozent der tödlichen Unfälle darauf zurückzuführen, so stieg die Zahl im Jahr 2014 auf 14 Prozent an. 

Otmar Bruckner, Leiter der Unfallanalyse im Innenministerium, weist auf ein mögliches Dunkelfeld hin: "Unachtsamkeiten und ablenkende Tätigkeiten am Steuer passieren oft unbewusst, sind nicht leicht feststellbar und dadurch für die Exekutive auch schwer zu überwachen. Fakt ist, dass jedes Verhalten im Fahrzeug, das fürs Autofahren nicht notwendig ist, ablenkt und somit untersagt ist."

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Details zur Untersuchung

Im Zuge der Ablenkungs-Studie hat der ÖAMTC in Kooperation mit dem ADAC sowie Neurotraffic, dem Institut für Schlaf-Wachforschung, und dem Austrian Institute of Technology (AIT) 66 Testfahrer zwischen 20 und 65 Jahren nach Teesdorf eingeladen. Einzige Aufgabenstellung: Die vorgegebene Geschwindigkeit (zwischen 30 und 50 km/h) bei abgeklebtem Tacho einhalten – das genaue Untersuchungsziel wurde ihnen vorab nicht bekannt gegeben. 

Neben Videoaufzeichnungen, die das Verhalten und die Blicke der Lenker registrierten, wurde ebenso ihr Fahr- und Lenkverhalten (bremsen, Gas geben und Lenkbewegungen) sowie deren geistige und körperliche Aktivierung (EEG, EKG) gemessen. Mittels diverser Fragebögen bekamen sie vor und nach der Fahrt persönliche Fragen zur Test-Aufgabe sowie zu ihren Fahrgewohnheiten gestellt. 

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