Rimac Concept One: Hyper!
Elektroautos sind fad? Falsch. Das hat Tesla schon bewiesen. Es geht aber noch ärger: Der 28-jährige Kroate Mate Rimac baut in einem Vorort von Zagreb das irrste Ding auf vier Rädern: den Rimac Concept One. Wir haben den jungen Mann und sein Auto besucht.
Selten war unsere Vorfreude auf das Ziel einer Dienstreise so groß wie heute: Kurz vor Zagreb verlassen wir die Autobahn und biegen nach dem ersten Kreisverkehr in eines dieser abgrundtief hässlichen Industriegebiete ab, die außerhalb jeder größeren Stadt wie die Schwammerln aus dem Boden schießen. Kaum zu glauben, dass wir uns mitten in Kroatien befinden, einer der fraglos schönsten Urlaubsdestinationen unseres Planeten. Die hinreißend pittoreske Küste ist von hier aber zwei Fahrstunden entfernt, und wir sind nun dort angekommen, wo nicht nur die Kennzahlen für die Wirtschaft des Landes geschrieben werden, sondern seit kurzem auch: Automobilgeschichte.
Dobar dan!
"Den Vollbart habe ich mir zugelegt, weil mich bei Geschäftsgesprächen vorher niemand ernst genommen hat", grinst Geschäftsführer Mate Rimac zur Begrüßung.
Mate ist 28 Jahre alt und ein komplett durchgeknallter Freak. Er wird uns nicht böse sein, wenn wir das so schreiben. Zu unserem Treffen taucht er mit kurzen Jeans und verschwitztem T-Shirt auf, wirkt im ersten Moment eher wie jemand, den man gerade beim abendlichen Fortgehen zufällig an der Bar kennengelernt hat. Seine zurückhaltende Freundlichkeit ist nicht aufgesetzt, der Mann ist auf Anhieb sympathisch. Ganz ehrlich: Den millionenschweren CEO eines der künftig spannendsten Unternehmen der Automobil-Branche haben wir uns irgendwie anders vorgestellt.
Und das, obwohl Mate Journalisten gegenüber mittlerweile vorsichtig geworden ist, weil die kroatischen Boulevard-Medien ihn, den vielzitierten "Elon Musk vom Balkan", zunehmend Dinge fragen, die sich weniger um seine Arbeit als um sein Privatleben drehen. Fragen, die ihn fürchterlich nerven, weil er rund um die Uhr nur eins im Sinn hat: seine Vorstellung der Elektromobilität voranzutreiben.
Bevor wir unseren zweitägigen Werksbesuch nun richtig starten, will unser Fotograf Markus zum Einrichten seines Equipments kurz ein paar Probefotos von Mate schießen, für die er sich nicht in Pose werfen muss. Der nutzt diese 20 Minuten, um wie wild auf seinem Smartphone herumzutippen…
Den Vollbart habe ich mir zugelegt, weil mich bei Geschäftsgesprächen vorher niemand ernst genommen hat
Mate Rimac, CEO Rimac Automobili
Es begann mit einem explodierten 3er-BMW…
Im zarten Alter von 18 Jahren kauft sich der Rennsport-begeisterte Mate Rimac einen betagten BMW E30, den er auf der Rennstrecke eines Tages so lange sekkiert hat, dass sich der Motor in die ewigen Jagdgründe verabschiedete. Weil Mate aber ein getriebener Tüftler ist und nach diesem Malheur von der Verbrennungs-Technik ziemlich genervt, verschwindet er mit dem Wrack für einige Wochen in seiner Garage – und baut ihm einen Elektromotor ein. Den optimiert er so lange, bis sein alter grüner BMW in 3,3 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigt und mit einer Zeit von 11,85 Sekunden für die schnellste je mit einem E-Auto gefahrene Viertelmeile im Guinness-Buch der Rekorde anschreibt…
So wird hier an der Zukunft gebastelt
Bevor wir morgen exklusiv den Olymp der aktuellen Elektroauto-Entwicklung besteigen (sprich: im 1.100 PS starken Rimac Concept One Platz nehmen dürfen), dringen wir als eines der ersten Journalisten-Teams überhaupt zuerst einmal ins Innerste von Rimac vor.
Zwar spielt das kleine Unternehmen angesichts der Tatsache, dass hier Hochleistungs-Elektroantriebe entwickelt werden, welche alle großen Hersteller, die die Elektro-Zukunft komplett verschlafen haben, lieber früher als später gern im Talon hätten, mit verblüffend offenen Karten (jeder Besucher kann über die Rimac-Website eine mehrstündige Werksführung buchen), wir dürfen bis auf wenige Ausnahmen in den Werkshallen heute aber völlig frei fotografieren. Das haben wir bei Lamborghini (wo im Vergleich zu Rimac die Äquivalente zum Fahrzeug von Fred Feuerstein gebaut werden) schon anders erlebt…
Inside Rimac
Video: Besuch vom ÖAMTC
Mate Rimac im Interview, ein Werksrundgang und: die erste Kurz-Ausfahrt im knapp 1.100 PS starken Concept One…
Jetzt endlich – fahren!
Frage 1: Bereit für die erste Ausfahrt mit dem unfassbarsten Hypersportwagen der Welt?
Frage 2: Bereit für eine Beschleunigung, die in ihrer Nahtlosigkeit derart extrem ist, dass selbst Formel-1-Fahrer sich wundern würden?
Frage 3: Bereit für das Gefühl, das sonst nur Kampfpiloten erleben, wenn sie vom Flugzeugträger weggeschossen werden?
Dreimal "Ja"? Here we go…
Erste Ausfahrt im Rimac Concept One
Concept S – der nächste Streich
Unser Ausflugsauto hat übrigens bereits ein teuflisches Geschwisterlein bekommen. Wir haben die Halle abgedunkelt und Blitz-Stative aufgebaut…
Epilog: das Rimac-Rudel
Sie fragen sich nun vielleicht, was das soll, dass wir am Ende dieser Story auf einmal noch ein paar Hunde-Fotos einstreuen. Ist denn sogar der ÖAMTC dem böse wuchernden Katzenbilder-Wahnsinn anheim gefallen?
Keine Sorge, sind wir nicht. Aber während unseres Besuchs ist uns aufgefallen, dass die Vierbeiner bei Rimac eine nicht zu unterschätzende Rolle im Firmen-Alltag spielen. Wir schauen nämlich überall immer mindestens zweimal hin und beobachten gerne Vorgänge, die abseits des Offensichtlichen passieren. Deshalb holen wir die Wuffis nun bewusst vor den Vorhang…
Viele Eindrücke, ein Fazit
Während Miro mir im Cockpit abschließend nochmal mit Zahlen, Daten, Fakten kommt, bin ich längst ganz woanders. Meine Mimik heuchelt zwar Interesse, ich bin aber am Boden zerstört und niedergeschlagen. Als Falco-Fan kenne ich nämlich die Geschichte jenes Abends, als Hans Hölzel in einem Wiener Innenstadt-Lokal erfuhr, dass er mit "Rock Me Amadeus" Nummer 1 in den US-Charts geworden ist. Seine traurige Reaktion: "Was soll jetzt bitte noch kommen?"
Es liegt mir fern, dieses musikhistorisch legendäre Ereignis für ein im Vergleich komplett irrelevantes Erlebnis heranzuziehen, aber die persönlich empfundene Analogie ist so falsch nicht. Ich befürchte nämlich, dass mich kein noch so starkes (Verbrennungsmotor-)Auto jemals wieder so faszinieren kann wie der elektrische Rimac. In meinem Job als Autojournalist ist fehlende Neugier eine Bankrott-Erklärung. Was mach ich jetzt?
Obwohl, Moment. Hätte Anfang der 1980-Jahre jemand nur einen Schilling darauf verwettet, dass ein Österreicher irgendwann den Mainstream-Hip-Hop erfindet? Wohl nicht. Heute kann sich niemand vorstellen, dass wir in 15 Jahren alle elektrisch fahren. Ich schon. Weil dann, wenn die unsäglich inkonsequente Downsizing-Dreizylinder-Mode ihrer natürlichen Bestimmung zugeführt wurde und durch 100-PS-E-Motoren ersetzt worden ist, sogar Kleinwagen wieder geil werden. Dazu braucht es aber Pioniere, mutige Vorreiter. Wie Falco damals in der Musik. Oder Tesla und Rimac im Autogeschäft.