Strom-Rechnung
Elektroautos müssen praktisch sein. Spaß können sie auch machen, eine Akkuladung soll für viele Kilometer reichen, die Batterie wieder schnell voll sein. Wer kann das alles unterm Strich am besten?
Fast so rasant wie die Beschleunigungswerte unserer Testkandidaten wächst auch das Angebot an attraktiven E-Autos. Die Auswahl steigt und das ewige Thema Reichweite ist nicht mehr die Achillesferse der Batterie-Fahrzeuge – wie auch unser Vergleichstest zeigt: Bis zu 600 Kilometer sind möglich. Eher ist der Preis das Thema.
Unsere Testkandidaten liegen alle über der 50.000-Euro-Marke, für sehr viele Autokäufer also faktisch unerreichbar. Es gibt Ford, Hyundai und Škoda aber auch mit kleineren Akkus (und entsprechend billiger), vom Polestar ist eine schwächere Variante ohne Allradantrieb bereits im Anmarsch.
Außerdem werden E-Autos der Mittel- und Oberklasse durchwegs mit Top-Ausstattungen angeboten. Liegt der Listenpreis des jeweiligen Basismodells ohne Sonderausstattung unter 60.000 Euro, kann noch die aktuelle E-Auto-Förderung in Höhe von 5.400 Euro abgezogen werden.
Zu unseren Testkandidaten: Brandneu sind der Ford Mustang Mach-E (der mit dem klassischen Ford Mustang aber rein gar nichts gemeinsam hat), der auffällig und futuristisch gezeichnete Ioniq 5 von Hyundai sowie die unauffällige "Wolf-im-Schafspelz"-Limousine Polestar 2.
Der Škoda Enyaq iV teilt sich seine technische Basis mit VW ID.4 und Audi Q4 e-tron. Eine Sonderstellung nimmt der BMW ein: Als Einziger basiert der neue iX3 auf einer "Verbrenner"-Plattform (von BMW X3 und X4). Doch das noch größere SUV BMW iX auf Elektroplattform ist bereits im Anrollen.
Die Testkandidaten
Man sieht also gleich: Ein klassischer Einheitsbrei sieht anders aus. Auch technisch geht die Entwicklung weiter: Der Hyundai glänzt mit 800-Volt-Technik bei seinen Akkus. Standard sind 400 Volt. Die höhere Spannung ermöglicht eine bessere Ladeleistung (an entsprechenden Ladesäulen).
Noch eine Neuheit beim Ioniq 5: Dem Akku kann man auch Strom entnehmen, und zwar mit einer Leistung bis zu 3,6 Kilowatt. Einem gemütlichen Camping-Wochenende mit dem Elektrogriller steht also nichts im Weg.
Interessant auch die Software-Lösung des Polestar für das Infotainment. Hier wurde nicht mit großem Aufwand ein eigenes System programmiert, sondern auf Android Automotive von Google zurückgegriffen. Vorteile: Die Software ist von Anfang an ziemlich ausgereift und es besteht die Möglichkeit, ausgewählte Apps aus dem Google Playstore oder dem Appstore von Apple zu installieren.
Besonderes Augenmerk legten wir bei diesem Vergleichstest auf die Ladeleistung – und zwar nicht auf die Werksangabe, sondern die wirklich im Alltagsbetrieb erzielbare. Die Ergebnisse sind teilweise überraschend.
Video: E-Auto-Vergleichstest
Polestar 2
Viele Details erinnern an die Muttermarke Volvo. Unterm Strich wechseln Licht und Schatten.
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Tolles Handling, einfache Bedienung, wenig Platz, hoher Verbrauch.
Der Polestar 2 fällt auf. Vor allem beim Design. Denn während der Großteil der aktuellen Stromer auf hochbeinige SUV-Optik setzt, überzeugt uns der Polestar 2 mit konventionellen Tugenden, sprich: dem Stil einer klassischen Limousine samt großer und weit aufschwingender Heckklappe.
Trotz der im Fahrzeugboden untergebrachten Akkus bleibt die Karosserie mit knapp 1,48 Meter Höhe deutlich niedriger als bei der Konkurrenz.
Das Platzangebot leidet jedoch naturgemäß darunter. Vor allem auf den Rücksitzen müssen die Insassen enger zusammenrücken und trotz einer kurzen Schenkelauflage gibt's spürbar weniger Stauraum für die Beine. Ebenfalls kein Raumwunder: der Kofferraum. Immerhin können die serienmäßigen Ladekabel platzsparend in einem Fach unter der vorderen Haube verstaut werden.
Auffallend positiv fällt der Polestar 2 dafür beim Fahren auf. Der Dynamischste im Testfeld liefert sportwagenartige Fahrleistungen, die beste Bremsleistung und ein hervorragend agiles Handling. Vor allem beim Spurt von null auf 100 km/h und bei der Elastizität lässt der 408 PS starke Allradler (auch dank seiner Top-Traktion) die Konkurrenz alt ausschauen.
Das Nachsehen hat der Polestar 2 beim Verbrauch: 22,8 kWh/100 km auf der auto touring-Normrunde sind mit Abstand der höchste Wert. In Kombination mit dem 78 kWh großen Akku kam die Limousine im Test somit nur 355 Kilometer weit. Lobenswert dafür: die beste Serienausstattung aller fünf Autos.
Polestar 2
Video: Polestar 2
Ford Mustang Mach-E
Ausgerechnet mit dem Namen eines Edel-Klassikers will Ford ins Elektrozeitalter reiten.
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Viel Platz und Reichweite, geringer Verbrauch, schwache Ladeleistung.
Der Name ist Programm – und die Erwartungshaltung groß. Möglicherweise aber zu groß, denn hinter dem Namen Mustang steckt nicht gerade ein in die Neuzeit transformiertes Muscle Car mit modernen Sportwagen-Genen, sondern ein (fast) pummelig gestyltes Elektroauto. Lediglich das Mustang-Logo, die dreigeteilten Heckleuchten und die weich gepolsterten Sessel erinnern an den Klassiker der Sechzigerjahre.
Aufsehen erregt er trotzdem. Innen fällt sofort der große, senkrecht stehende Touchscreen ins Auge. Trotz der Vielzahl an Funktionen findet man sich erstaunlich schnell zurecht, vor allem die Navi-Routenplanung ist vorbildlich gelöst.
Tadellos Platz finden auch fünf Insassen, einzig die Innenhöhe in der zweiten Sitzreihe ist wegen der abfallenden Dachlinie eingeschränkt. Mittelmäßig geräumig: der Kofferraum.
Kraftvoll, aber nicht unbedingt agil, eben wie sein Urahn, verhält sich der Mach-E beim Fahren. Der 294 PS starke E-Motor sorgt für mächtig Schub, das lastwechselanfällige Fahrwerk des Mustang wird von den blitzschnell eingreifenden Assistenzsysteme aber effektiv gezähmt.
Spaßbremse: die indirekte Lenkung und der auf schlechten Straßen wenig schmeichelnde Abrollkomfort.
Besser läuft's beim Verbrauch, der ist mit 17,9 kWh/100 km im Vergleich am niedrigsten – und die Reichweite dank des fast 100 kWh großen Akkus mit 600 Kilometern am eindeutig längsten. Enttäuschend: die schnell abfallende Ladeleistung.
Ford Mustang Mach-E
Video: Ford Mustang Mach-E
Škoda Enyaq
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Großer Kofferraum, günstig im Unterhalt, solide Reichweite, kurze Garantie.
Der Škoda Enyaq basiert wie seine Schwestermodelle VW ID.4 und der neue Audi Q4 e-tron sowie der kleinere VW ID.3 auf der MEB (Modularer E-Antriebs-Baukasten) genannten Elektroplattform von VW. Im Gegensatz zu seinen eher rundlich gestylten Konzernbrüder setzt das Škoda-Design traditionell verstärkt auf Ecken und Kanten – und steht damit auffallend markanter da.
Auch im Innenraum greift Škoda auf Altbewährtes zurück. Das Cockpit bietet einen guten Mix aus analogen und digitalen Bedienelementen, wenngleich so manches – wie die Steuerung diverser Funktionen via Lenkradtasten – in früheren Škoda-Modellen einfacher von der Hand ging.
Lobenswert: die langstreckentauglichen und gut konturierten Sitze sowie die ergonomische Sitzposition. Das Platzangebot für die Insassen ist solide, keines der fünf E-Autos bietet darüber hinaus mehr Beinraum im Fond. Ganz klar die Nase vorn hat der Enyaq auch beim Kofferraum, denn kein Gepäckabteil ist familienfreundlicher.
Gemütlich trifft’s am besten, wenn es ums Fahren mit dem Enyaq geht. Das betrifft sowohl die Fahrleistungen des 204 PS starken Elektromotors als auch den Fahrkomfort. Konzern-typisch gelungen: das agile Handling und die direkte Lenkung.
Im Test mit dem 80 kWh großen Akku erzielten wir eine Reichweite von langstreckentauglichen 473 Kilometern, der Verbrauch ist mit 18,4 kWh/100 km absolut okay. Unterm Strich punktet der Enyaq auch mit den günstigsten Anschaffungskosten und den geringsten Unterhaltskosten im Test.
Škoda Enyaq
Video: Škoda Enyaq
BMW iX3
Das vollelektrische SUV überrascht mit agilem Handling, hat aber auch sonst einiges zu bieten.
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Agiles Handling, feine Materialien, komfortabel, kurze Garantie, teuer.
Er ist der einzige der fünf Elektroautos im Vergleichstest, der optisch als klassisches SUV durchgeht – und im Grunde ein alter Bekannter ist. Denn im Gegensatz zu den anderen Testkandidaten ist der BMW iX3 keine komplette Neuentwicklung, sondern basiert auf dem konventionellen X3 mit klassischen Verbrennungsmotoren. Optisch erkennen Insider den E-Antrieb an der weitgehend geschlossenen Front, da die Technik des iX3 weniger Kühlluft benötigt, und an den zahlreichen blauen Applikationen rund ums Auto.
Überhaupt nicht umgewöhnen muss man sich auch im Innenraum. Nahezu alle Bedienelemente sind dort, wo sie auch schon bisher im X3 waren, jeder Handgriff sitzt, vor allem dank des logisch steuerbaren Dreh-Drück-Rades für das Infotainmentsystem in der Mittelkonsole. Lediglich der kleine Touchscreen wirkt im Vergleich zu den großen Bildschirmen der Konkurrenten ein wenig antiquiert.
BMW-typisch hervorragend: der gute Sitzkomfort und die perfekte Verarbeitung.
Für die größte Überraschung sorgt das 286 PS starke, gut 4,7 Meter lange SUV beim Fahren. Denn im Unterschied zu seinen X3-Verbrenner-Brüdern lässt sich der iX3 dank seines niedrigeren Schwerpunkts wesentlich agiler steuern, der Fahrkomfort ist zudem spürbar höher als bei den anderen Testkandidaten.
Wermutstropfen: Allradantrieb gibt's für den iX3 nicht. Der Verbrauch auf der auto touring-Normrunde war mit 19,8 kWh/100 km okay, die Reichweite mit dem 80-kWh-Akkupaket akzeptabel.
BMW iX3
Video: BMW iX3
Hyundai Ioniq 5
In der Summe seiner Eigenschaften setzt er sich an die Spitze. Herausragend sein schnelles Aufladen.
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Schnelles Laden auch in der Praxis, komfortabel, auffallendes Design.
Oft so: zuerst wird ein tolles Konzeptfahrzeug präsentiert, aber beim Serienmodell bleibt von Design oder Technik nicht viel übrig. Nicht so beim Ioniq 5. Sein kantiges Design erregt Aufsehen, bei der Akkutechnik wird mit 800 Volt gearbeitet (Standard sind 400).
Vorteil: schnelles Laden an einer entsprechenden Ladesäule. Im Test kann der Hyundai seine hohe Ladeleistung über einen langen Zeitraum halten. Im Test waren es von 20 bis 80% Akkukapazität durchschnittlich 176 kW – damit schafften wir es, in zehn Minuten 165 km Reichweite nachzuladen.
Noch ein technisches Schmankerl: Gegen Aufpreis kann man Geräte mit Strom aus dem Akku versorgen, und das mit einer Leistung von bis zu 3,6 kW.
Fahren: sehr komfortabel, fahrsicher auch bei flotter Gangart, aber kein Sportwagen. Herausragend der Geräuscheindruck, keinerlei Poltern des Fahrwerks auf schlechten Straßen. Das Platzangebot ist fürstlich, die Rücksitze lassen sich in der Top-Ausstattung elektrisch um 13 Zentimeter längs verschieben. Damit stehen im Fond bis zu 33 cm Knieraum zur Verfügung.
Zusätzlich zum geräumigen Kofferraum hat der Hyundai unter der vorderen Haube ein großes Staufach mit 57 Liter Volumen, in dem sich etwa die Ladekabel unterbringen lassen.
Cockpit: großer zweigeteilter Bildschirm, sehr übersichtlich, logische Menüführung und guter Mix zwischen Touchscreen- und Tastenbedienung. Sicherheitsgewinn: Beim Blinken wird am Display hinter dem Lenkrad ein rückwärtiges Kamerabild angezeigt.
Hyundai Ioniq 5
Video: Hyundai Ioniq 5
Reichweite ist das eine. Auf langer Strecke kommt es aber auch auf schnelles Aufladen an.
Günter Rauecker, Redakteur
Video: Unser Fazit
Zahlen, Daten, Fakten