tesla_model3_2018-08_HH_aufmacher.jpg Heinz Henninger

Akte 3: Teslas prognostizierter Bestseller im Geheim-Test am steirischen ÖAMTC Fahrtechnik Zentrum Lang/Lebring.

© Heinz Henninger

Akte 3: Teslas prognostizierter Bestseller im Geheim-Test am steirischen ÖAMTC Fahrtechnik Zentrum Lang/Lebring.

© Heinz Henninger
August 2018

Tesla Model 3: Spannung pur beim ersten Test

Kein Auto hat in letzter Zeit ärger polarisiert als das Tesla Model 3. Hat der Stromer aus Kalifornien das Rüstzeug, auch Elektro-Skeptiker zur Steckdose zu locken? Wir klären’s exklusiv im ersten Test.

Schenkt man den letzten Informationen Glauben, ist es im kommenden Frühjahr endlich so weit: Dann werden nämlich die ersten Exemplare von Teslas Model 3 an die österreichischen Kunden ausgeliefert. Was sie erwartet, haben wir exklusiv bereits jetzt am steirischen ÖAMTC Fahrtechnik Zentrum Lang/Lebring getestet – anhand eines nagelneuen US-Import-Modells.

Gleich vorweg: Sowohl all die (mittlerweile vermutlich auf Nadeln sitzenden) Vorbesteller des Stromers als auch die zahllosen Stammtisch-Kritiker des bisweilen (w)irren Tagesgeschäfts von Tesla-Boss Elon Musk müssen jetzt sehr, sehr stark sein.

Warum?

Weil bei den einen die Ungeduld bis zum Tag X nach dem Lesen dieser Zeilen wohl noch exponentieller zunehmen wird, und weil den anderen wiederum mit diesem Auto ihre liebsten Argumente gegen die Elektrifizierung der Individualmobilität (zu wenig Reichweite, zu hoher Preis) – schwupps! – wegfallen werden.

Aber beginnen wir am besten von vorne…

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Während einer 1.000-Kilometer-Etappe muss man theoretisch nur einmal eine Stunde an einem Tesla-Supercharger halten. Da ist man schon tief im Bereich mancher Tankfüllungen von Autos mit Verbrennungsmotoren.

Christoph Löger, Redakteur

Post per Atlantik-Container

Schauplatz Südsteiermark, wir befinden uns am ÖAMTC Fahrtechnik Zentrum Lang/Lebring. Vor uns steht ein frisch per Schiff in Europa eingetroffenes Tesla Model 3 mit folgender Spezifikation: 75-kWh-Long-Range-Batterie, Heckantrieb (je nach Version auch mit Allrad erhältlich), knapp über 1,7 Tonnen Leergewicht, E-Motor mit 192 kW Leistung (entspricht 261 PS).

In dieser Konfiguration beträgt die Reichweite mit einer Vollladung nach dem praxisnahen US-EPA-Zyklus 500 Kilometer. Erfahrungen von Kunden in den USA, wo das Model 3 längst zum Alltagsbild gehört, zeigen: Der Wert ist, ohne die eigenen Bewegungsmuster zu ändern, problemlos erreichbar. Was gleichzeitig auch bedeutet: Tesla ist mit dem Mittelklasse-Modell der globalen Elektro-Konkurrenz, die im Schnitt derzeit (praxisnah) maximal halb so weit kommt, sprichwörtlich meilenweit voraus. Hier bewegt man sich sogar schon im Bereich so mancher Tankfüllung von Autos mit Verbrennungsmotoren – das Reichweiten-Argument zählt also nicht mehr.

Wer zum Beispiel eine 1.000-Kilometer-Etappe fahren möchte, müsste theoretisch nur einmal für eine Stunde an einem Tesla-Supercharger halten. So lange dauert dort nämlich eine Vollladung. Vernünftigerweise pausiert man (allein aus Sicherheitsgründen und dem eigenen Wohlbefinden zuliebe – Stichwort Kaffee & Co.) freilich öfter, dafür aber jeweils kürzer: In den ersten 30 Minuten fließen an den im Moment 10.901 (!) Tesla-eigenen, global sehr gut verstreuten Schnellladern 275 Kilometer Reichweite in die Akkus.

Und beim anderen Extrem, wenn man einmal nicht "on the road" ist, sprich: an der simplen Haushaltssteckdose? Da braucht man naturgemäß Geduld: Wer unser Test-Model 3 mit leerem Akku ansteckt, muss in diesem Fall bis zu 24 Stunden auf die Vollladung der mächtigen Batterie warten.

Unser virtueller Schnell-Check

Sie haben kein Model 3 vorbestellt, sind bloß interessiert oder kritisch, aber trotzdem neugierig, wie der neue Wunderwuzzi aus nächster Nähe aussieht? Bitteschön: erste Eindrücke, flotte Fakten. Das Corpus Delicti in Bewegung!

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Eindrücke und Überraschungen

Wir steigen ein – und blicken in gähnende Leere. Noch nie zuvor haben wir ein derart extrem reduziertes Cockpit erlebt (dazu, bebildert, gleich mehr). Bis auf den Warnblinker im Dachhimmel, die Fensterheber in den Türen und zwei kleine Drehregler am Lenkrad gibt es im gesamten Model-3-Innenraum nämlich keine Tasten mehr.

Alle, wirklich alle Funktionen werden über einen 15-Zoll-Touchscreen gesteuert, auf dem sich nach kurzer Eingewöhnung jeder zurecht findet, der unfallfrei ein Smartphone bedienen kann. Störender ist eher die Platzierung des Querformat-Bildschirms, da er aus Sicht des Fahrers nicht wie im größeren Model S (dort gibt es einen besser platzierten 17-Zoll-Bildschirm im Hochformat) zumindest halbwegs im oberen rechten peripheren Sichtfeld liegt, sondern um eine kleine, aber wichtige, Nuance darunter.

Wer etwa wissen will, wie schnell er fährt, muss den Blick zwingend von der Fahrbahn nehmen. Herkömmliche Instrumente direkt hinter dem Lenkrad (wie im Model S) gibt es in Teslas "Dreier" nicht. Ein Head-up-Display samt Einblendung der wichtigsten Daten in die Windschutzscheibe würde simple Abhilfe schaffen, ist aber leider nicht vorgesehen.

Alles weitere, was es im und am Model 3 zu entdecken gibt, sehen wir uns am besten nun aber anhand 25 Bilder an.

(An dieser Stelle auch ein wichtiger Hinweis: Unser nagelneuer Testkandidat stammt aus den USA. Einige Software-Features waren zum Test-Zeitpunkt deshalb noch nicht für seine neue Heimat Europa konfiguriert, darunter auch sämtliche Autopilot-Funktionen. Wir werden das – siehe Thema Bremsen unten – freilich nachholen und ausführlich berichten. Unsere Praxis-Erfahrungen mit Teslas polarisierendem "Autopiloten" können Sie einstweilen aber auch in dieser Story nachlesen: "Im Tesla nach Paris")

Bremsen: vom "Fünfer" zum "Einser"

Anfänglich miserable Bremswerte des Model 3 in den USA sorgten unlängst für Aufregung. Tatsächlich: Auch die von uns im ersten Versuch gemessenen 48,2 Meter Bremsweg aus 100 km/h sind indiskutabel (wenn auch teilweise mit den vorerst montierten Original-US-Ganzjahresreifen erklärbar).

Ein von Tesla hastig entwickeltes Software-Update via Internet-Einspielung ins System sollte die Steuerung des ABS verbessern. Und wirklich: Nachdem es installiert ist, braucht unser Kandidat beim zweiten Test schon knapp acht Meter weniger.

Wir gehen einen Schritt weiter, montieren in Europa handelsübliche Sommerreifen – und erzielen plötzlich einen hervorragenden Bremsweg von 34,8 Metern. In Summe also ein Unterschied von 13,4 Metern. Erschreckend daran: Wo der Tesla beim letzten Testdurchgang schon steht, war er beim ersten noch 52 km/h schnell.

Noch einmal anschaulicher:

48,2 Meter – ohne Software-Update, mit US-Ganzjahresreifen
40,3 Meter – mit Software Update, mit US-Ganzjahresreifen
34,8 Meter – mit Software-Update, mit europäischen Sommerreifen

tesla_model3_2018-08_HH_block_1.jpg Heinz Henninger 1
tesla_model3_2018-08_HH_block_2.jpg Heinz Henninger 2
tesla_model3_2018-08_HH_block_3.jpg Heinz Henninger 3

1 Erste Messung. Ohne Software-Update mit US-Ganzjahresreifen benötigt der Tesla 48,2 Meter bis zum Stillstand. © Heinz Henninger

2 Zweite Messung. Die US-Reifen bleiben, die ABS-Software ist aber up-to-date. Resultat: 40,3 Meter. © Heinz Henninger

3 Dritte Messung. Europäische Sommerreifen mit Software-Update: Das Model 3 steht nun nach 34,8 Metern.   © Heinz Henninger

Unser Fazit

Das mit den 35.000 Euro für ein in Europa verkauftes Model 3 ist sich also doch nicht ausgegangen. Schuld daran trägt aber nicht Tesla-Boss Elon Musk, der diese Zahl stets nur für den US-Markt nannte, sondern die europäischen Boulevard-Medien, die im Vorfeld-Hype zunächst vergessen hatten, einerseits Dollar auf Euro umzurechnen und andererseits den Steuer-Fleckerlteppich der einzelnen EU-Staaten miteinzubeziehen.

So. Mit bestem Wissen und Gewissen können wir nach unserem ersten Test des 75-kWh-Longrange-Model 3 eine ganz gute (wenn auch inoffizielle) Schätzung abgeben, was die günstigste Version (50-kWh-Akku, 350 Kilometer Reichweite) in Österreich künftig kosten wird: nämlich rund 43.000 Euro. Ein Preis, von dem etwaige Förderungen noch abgezogen werden müssten. Sprich: Um etwa 40.000 Euro wird man auch bei uns wohl ein Model 3 kaufen können, wenn Tesla endlich die Produktions-Kapazitäten in den Griff bekommt. 

Das ist ein Preis, um den man vergleichbare Elektroauto-Produkte mit dieser Performance schlicht nicht bekommt (BMW i3, Nissan Leaf etc.). Deutsche Premium- und asiatische Massen-Hersteller scheitern in der Fahrzeug-Kategorie "leistbare Mittelklasse" (in der das Model 3 spielt) noch immer an der Alltags-300-Kilometer-Reichweiten-Latte. Eine Reichweite, die vor allem für Kunden, die gern vom Verbrenner auf Elektro umsteigen möchten, quintessenziell ist.

Fakt ist: Das Tesla Model 3 ist tatsächlich das erste Elektroauto, das (mit minimalen Einschränkungen) den Alltag eines Diesel-Golf erledigen kann. Freilich derzeit noch zum Preis eines sehr, sehr gut ausgestatteten Golf, aber immerhin: Es geht. 

Was uns gefällt: Wie hier ganz arger Fahrspaß samt Supersportler-Gefühl bei gleichzeitig frühmorgendlich-gelangweilter Büro-Fahrt-Stimmung mit weit vorausschauender Mobilitäts-Sicht in ein 1,7-Tonnen-Packerl geschweißt wurde.

Conclusio: Dies ist – in Summe seiner Teile – ein unglaublich gutes Auto.

tesla_model3_2018-08_HH_fazit.jpg Heinz Henninger © Heinz Henninger
"Was machma jetzt mit dem Ding?" – Die auto touring-Testredakteure Christoph Löger und Günter Rauecker beim Erstkontakt.

Info

Neo Natural Energy Organisation, ein Start-up-Unternehmen aus der Steiermark, vermietet unter der Marke "ecar-rent" Elektrofahrzeuge (hauptsächlich Tesla) an zwölf Standorten in Österreich und Süddeutschland. Ab 2019 will "ecar-rent" verschiedene Tarifmodelle anbieten, mit denen man das Model 3 von Tesla (auch für längere Zeit) selbst ausprobieren kann. Mehr dazu auf www.ecar-rent.com.

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