Schauplatz München, erste Ausfahrt mit dem Tesla Model X. Dem regionalen Brauch der Eingeborenen folgend, parken wir uns vor einem Biergarten ein und genießen, was in ein paar Monaten wohl vor vielen Gastgärten Europas für staunende Gesichter sorgen wird: Per Tastendruck schwingen die hinteren Flügeltüren des Autos auf, dann steigen die virtuellen Fond-Passagiere (Schreibkraft und Fotograf sind heute leider nur als dynamisches Duo unterwegs) bequem ins Freie. Ein höchst imposanter Auftritt, keine Frage. Aber ist das schon alles, was Teslas jüngster Spross kann? Ist er gar ein Blender? Wir steigen wieder ein und klären diese Fragen in einem der ersten Europa-Exemplare bei einem kurzen Roadtrip durch Bayern…
Tesla Model X: der Alleskönner
Entschuldigung, wenn diese Zeilen über unseren ersten Ausflug mit dem Elektro-Raumschiff eher unsachlich ausfallen. Aber leider hatte ich keine Zeit für strenge Test-Notizen, weil mein Körper derweil mit der Ausschüttung von Glückshormonen beschäftigt war.
Wenn Sie diesen Artikel angeklickt haben, vermuten wir einmal, dass Sie über Tesla schon einiges gehört haben und gut informiert sind. Wir fassen dennoch zusammen: Die Kalifornier bauen derzeit fraglos die spannendsten Elektroautos, und über Model S, 3 und X wird durchwegs auch am Stammtisch gern und viel palavert. Übrigens: Das geplante "E" im Modellnamen des kommenden Mittelklasse-Stromers "3" wurde dem stets spaßigen Tesla-CEO Elon Musk von den tendenziell eher weniger humorigen Mercedes-Bossen (wegen der E-Klasse) verboten – "S/E/X" als Tesla-Portfolio wäre in der langweiligen Autoindustrie ja auch zu schön gewesen. Sprich: Die Marke polarisiert, und das ist das Beste, das ihr passieren kann.
Stichwort Autoindustrie: Tesla ist ein Hersteller, der seit einigen Jahren alle großen und etablierten, folglich trägen Autokonzern-Öltanker, welche die Elektrofahrzeug-Entwicklung komplett verschlafen haben, lustig vor sich hertreibt. Und diese haben guten Grund zur Sorge: Die Limousine namens Model S ist mittlerweile so gut am Markt etabliert, dass sie sich im Luxus-Kernmarkt USA schon besser verkauft als alle vergleichbaren Audi, BMW und Mercedes – zusammen. Da haben einige CEOs wohl den mehr als lauten Weckruf versäumt und sich zum "Snooze"-Knöpferl nochmal hingelegt.
Genug Autobusiness-Gossip. Was Sie, liebe Leserinnen und Leser, nun am meisten interessiert, ist vermutlich erstmal gar nicht die Reichweite des Tesla, sondern das, was sich in abertausenden YouTube-Videos wie ein Lauffeuer verbreitet: das Fahrgefühl. Nun denn, los geht’s…
Thema Reichweite
Fakten zur eingangs erwähnten Stammtisch-Diskussion, wenn’s um die Akku-Reichweite geht: 489 Kilometer Maximum nennt Tesla für das Model X unter Idealbedingungen, deren 400 sind im Alltag in jedem Fall realistisch. Freilich: Wer die irre Power oft ausreizt und sich permanent gen Horizont zeitraffert, muss dementsprechend früher an die Steckdose.
Stichwort Steckdose: Die europaweite Verteilung der Tesla-"Supercharger"-Schnellladestationen, an denen die Akkus nach einem halbstündigen Stopp wieder zu 80 Prozent voll sind, ist mittlerweile alltagstauglich ausgebaut. Langstrecken ohne relevanten Zeitverlust im Vergleich zu Verbrennungsmotoren sind demnach kein Problem mehr – sprich: Wer heute an der Tankstelle Benzin oder Diesel nachfüllt und sich nach 400 Kilometern Fahrt dazu eine kurze Cappucino-Pause gönnt, der kommt im Tesla ebenso pünktlich an wie mit dem Verbrenner. Wir werden das übrigens im kommenden September anhand einer Fahrt von Wien nach Paris in der Praxis dokumentieren.
Exkurs: Teslas berühmter "ludicrous mode"
Wir beobachten: ein Beschleunigungs-Duell zwischen einem braven Siebensitzer-Van für die Familie (Model X) und einem Ferrari F430. Sie wollen den Ferrari auch hören? Dann müssten Sie jetzt aber die Lautsprecher aufdrehen…
Angesichts des obigen Videos könnte man fast vergessen, dass die schiere Power des Model X im Prinzip nur ein systembedingtes Abfallprodukt ist und das Auto in erster Linie stattdessen vor allem eines sein soll: ein praktischer Family-SUV-Crossover-Allrad-Van für bis zu sieben Personen, die viel Platz brauchen. Mal schauen…
3 Schrullen des Model X
Wo viel Licht, da auch Schatten. Während unserer ersten Ausfahrt sind uns drei Dinge aufgefallen, die man mögen kann oder halt auch nicht…
Fazit
Klar, das Tesla Model X ist angesichts des Gebotenen – relativ gesehen – eine Okkasion, vom Konto werden aber leider trotzdem absolute Zahlen abgebucht, und die lauten zum Marktstart Ende des Jahres: Einstieg bei 96.700 Euro, Maximum bei 164.200 Euro mit allen angekreuzten Optionen. Tipp für Fans und/oder betuchte "early adopters": Spielen Sie sich auf der Tesla-Website mit dem schön überschaubaren Konfigurator. Vergleichen Sie parallel dazu auf der Audi-Website (anhand des ungleich mühsameren Konfigurators) mit einem Audi Q7 e-tron Hybrid (Basispreis 81.900 Euro) und sehen zu, wie der Audi mit jedem Mausklick relativ zur Tesla-Serienausstattung erschreckend teurer wird.
Kurzum: Der Tesla ist absolut gesehen ein sehr teures Auto, ohne Debatte. In punkto Preis-/Leistungsverhältnis und Zukunftstechnologie ist er aber der Dacia Sandero seiner Gattung. Trotzdem zu teuer? In zwei Jahren kommt das Model 3, die Mittelklasse um rund 40.000 Euro. Wir prognostizieren: Das wird dann der "game changer" für unser Unterwegssein auf vier Rädern, das wir seit einem Jahrhundert kennen.
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