Wir geben Strom

Über E-Mobilität wird viel geredet und geschrieben. Wie fühlt sich das elektrische Fahren aber in der Praxis an? auto touring lud 25 Leser ein, die aktuellsten E-Autos zu testen.

E-Autos sind die Zukunft. Heißt es. Doch wie fühlt sich diese automobile Zukunft an? Auch bei konkretem Interesse am Kauf eines E-Autos ist eine Probefahrt beim Händler oft nicht möglich. Wenn es doch klappt, fehlt noch immer der Vergleich zu den Konkurrenz-Modellen.

Erste Erfahrungen und das gleich mit bis zu 14 verschiedenen E-Autos – das wollte der auto touring seinen Lesern bieten. Aus Hunderten Einsendungen wurden 25 Teilnehmer gezogen und Anfang Oktober in das Mobilitätszentrum des ÖAMTC in Wien-Erdberg eingeladen.

Vom kleinen smart fortwo bis zum mächtigen Tesla Model X standen die aktuellsten E-Auto-Modelle für Testrunden zur Ver­fügung. Und: Bei jeder Fahrt saß ein auto touring-Redakteur am Beifahrersitz, dem die Fahrerinnen und Fahrer Löcher in den Bauch fragen konnten – zum jeweils konkreten E-Auto oder zur E-Mobilität ganz allgemein. Wie ist das mit den Akkus? Und der Strom? Warum muss das alles so teuer sein?

Manche Leserinnen und Leser hatten schon Erfahrung mit E-Autos und nutzten die Gelegenheit, vor einer Kaufentscheidung die Konkurrenten direkt miteinander vergleichen zu können. Für viele der Teilnehmer war es aber der erste Kontakt mit einem E-Auto. Jeder hatte zwar gewisse Vorstellungen, wie das so ist mit einem elektrischen Antrieb, aber selber erleben war dann doch etwas ganz anderes. "Man hört, dass man nichts hört“, war etwa Reinhard Fritsch, Club-Mitglied aus Hagenbrunn, nach einer Runde im Nissan Leaf überrascht.

Die Daten und Fakten zu den Testfahrzeugen

Kurzer Einschub. in der Zulassungsstatistik arbeiten sich die E-Autos mittlerweile vom Exotenstatus zur fixen Größe hoch. Im September waren bereits 4,6 Prozent aller Pkw-Neuzulassungen mit einem reinen E-Antrieb ausgestattet. Durch die gut laufenden Auslieferungen des Model 3 überholte Tesla dabei sogar etablierte Hersteller wie Toyota oder Volvo. Das Volumenmodell des us-amerikanischen Herstellers schafft mit 387 Stück gleich viele Neuzulassungen wie der Škoda ­Fabia – ex aequo Platz 8 bei den meistverkauften Modellen.






Das Model X hat Kraft ohne Ende und eine Straßenlage wie eine Palatschinke.






Rudolf Aminger, Bad Sauerbrunn, über den Tesla
Das zweite Aha-Erlebnis ereilte viele Leser beim Durchdrücken des Strom-Pedals. Sogar Harald Lehner, der als Pilot ("Ich mache auch Kunstflug!“) wahrlich mit G-Kräften vertraut ist, war überrascht. Sein Kommentar nach seiner Runde im Model X: "Im Tesla wird sogar mir beim vollen Beschleunigen schwummrig…"

Nach Fahrten im Audi e-Tron und Mercedes EQC, die ihn beide nicht überzeugen konnten ("Altherren-Autos"), wird sein nächstes Auto wohl ein Tesla Model 3 werden: "Die kleine Version mit der geringeren Reichweite genügt mir völlig."

Eine gegenteilige Meinung zum Mercedes hatte David Gut: "Tolles Fahrgefühl, viel unüberschaubare Technik. Der EQC ist aber nicht übertrieben futuristisch und schaut noch immer wie ein normales Auto aus." Wermutstropfen: "Für mich unbezahlbar."

Preislich auf der anderen Seite findet sich der kleine smart fortwo. Wolfgang Springler aus Wien ist überzeugt: "Der passt so richtig in die Stadt! Und ohne den Eco-Modus beschleunigt er auch toll." Mankos: "Wenig Reichweite. Und über Bodenwellen hüpft er richtiggehend drüber." Roland Heidenreich schaltet im smart den Eco-Modus gleich wieder ein: "Wenn ich sanft elektrisch dahingleite, brauch ich gar nicht mehr."






Kleinere E-Autos sind zwar günstiger, aber ungeeignet, wenn man Kinder hat.






Für Barbara Radbauer, Kottingbrunn, ist der Platz ein wichtiges Kriterium.


Überrascht vom Jaguar I-Pace zeigte sich Barbara Radbauer. "Ich dachte eigentlich, der I-Pace ist die elektrifizierte Variante des normalen E-Pace. Den fahren nämlich meine ­Eltern." Nach dem Testtag des auto touring weiß sie jetzt, dass der elektrische Jaguar I-Pace eine komplette Neuentwicklung ist.

Auf großes Interesse stieß auch der Hyundai Nexo, das einzige Brennstoffzellen-Auto im Testfuhrpark. Claus Ryavec zeigte sich beeindruckt: "Das ist im Grunde genommen kein Unterschied zu den anderen Autos, obwohl man das Stromkraftwerk sozusagen gleich mit an Bord hat. Trotzdem ist er komplett lautlos."

Auch Mehmet Akca konnte dem Nexo einiges abgewinnen: "Eigentlich ein ganz normales Auto – bis auf die vielen Tasten in der Mittelkonsole." Theoretisch ­wäre für ihn ein Wasserstoff-Auto eine Alternative. "Ich habe keine Möglichkeit, ein ­E-Auto aufzuladen, ich lebe in einer Wohnung." Wenn da nicht der Preis des Nexo und die wenigen Wasserstoff-Tankstellen wären.

Interessant war auch die Reaktion mancher Teilnehmer, die von einem Tesla oder Audi, Mercedes und Jaguar in den Hyundai Kona oder Kia e-Niro umstiegen. So zeigte sich etwa David Gut vom Kia angetan: "Da ist alles an der richtigen Position, alles dort, wo es hingehört."

Marcus Stangl: "Der ist im Vergleich zu vielen anderen etwas für den normalen Gebrauch."

Aus genau dem gleichen Grund war Anja Steindl vom Kia enttäuscht: "Meine Leidenschaft hat der überhaupt nicht geweckt. Ich schaue, ob es für mich eine Alternative zum Tesla Model 3 geben könnte…"

Marcus Stangl aus Gloggnitz war das ­Wochenende vor dem Testtag schon bei den "E-Mobility Play Days" am Red Bull Ring in Spielberg, bei dem der ÖAMTC auch stark vertreten war. Sein Interesse an E-Mobilität ist groß, aber ein elektrisches Auto kommt für ihn derzeit noch nicht infrage – vor allem ­wegen der aktuell noch zu hohen Preise.

Was von vielen Teilnehmern nachgefragt und als Bedingung für ein E-Auto genannt wurde: die Möglichkeit einer Anhängerkupplung. Da ist das Angebot derzeit noch dünn gesät. "Ohne Anhängerkupplung kann ich ja nicht einmal einen Fahrradträger montieren", lautet da die durchgängige Kritik. Beim Tesla Model X ist das kein Thema: Den gibt es mit Anhängerkupplung und auch mit ordentlicher Anhängelast. Bis zu 2.250 Kilogramm kann man an ihn dranhängen. 

Dafür zeigte das durchwachsene Wetter am Testtag eine andere Schwäche des Tesla Model X: Nach einem ordentlichen Regenguss schwappt beim Öffnen der imposanten Flügeltüren ein Wasserschwall mittig auf die Rücksitze. "Gratisdusche", so der trockene Kommentar von Reinhard Fritsch.

Neben allen Fachsimpeleien über Akkus, Strom und Reichweiten blieb auch noch Zeit, mit unseren Lesern über die Arbeit der auto touring-Redak­tion zu plaudern und Auskunft zu geben. Und wenn etwa Josef Schultes meinte: "Ich freue mich, einmal nicht nur von euch zu lesen, sondern euch alle einmal zu sehen!" – dann freut sich auch die gesamte Redak­tion.  

Das interessierte unsere Leser: Die Fragen und Antworten beim E-Auto-Testtag






Eine Anhängerkupplung ist wichtig, die gibt es leider bei E-Autos noch selten.






Georg Nowak, Vorderbruck, zu seinen Anforderungen an E-Autos


Die Batterien halten doch nur fünf Jahre?

Die Hersteller geben bereits bis zu acht Jahre Garantie auf die Akkus. Es stimmt aber, dass die Reichweite mit zunehmendem Alter nachlässt. Dafür gibt es den SOH-Wert ("state of health"), der beschreibt die zur Verfügung stehende Kapazität der Batterie gegenüber dem Ausgangswert. Bei einem Wert von etwa 70 Prozent ist an einen Austausch zu denken. Dann kann man sie aber stationär weiternutzen, sie zum Beispiel noch zehn Jahre als Pufferspeicher verwenden. Das nennt man "Second Life", das zweite Leben eines Akkus. Erst dann erfolgt das Recycling. Die Firma Saubermacher in Österreich wartet schon auf die Altakkus, um die wertvollen Rohstoffe wie Lithium, Kobalt, Nickel, Mangan zurückzugewinnen.

Wenn ein Elektroauto in den See stürzt, sind dann die Fische tot?

Nein. Außer der Fisch berührt bestimmte Teile gleichzeitig…

Aber wir haben doch gar nicht genug Strom, wenn alle elektrisch fahren?

Wir haben derzeit rund 5,2 Millionen Pkw in Österreich. Eine Million davon sind Zweitwagen. Sollten diese mit einem Schlag E-Autos sein, würden wir rund drei Prozent mehr Strom benötigen. Werden alle Autos elektrisch angetrieben, würden wir circa 17 Prozent mehr Strom benötigen. Durch den Wegfall der "grauen Energie"(Herstellung der Kraftstoffe in der Raffinerie oder das Betreiben von Tankstellen und Pumpen) würden wir einiges an Strom sparen. Außerdem bliebe die Wertschöpfung im Inland, da wir durch den Ausbau der erneuerbaren Energieträger Strom im eigenen Land produzieren und nicht Öl aus dem Ausland kaufen müssten. ­Österreich zahlt derzeit neun Milliarden Euro für die Erdölimporte. Ein mittleres Windkraftrad kann rund 1.800 Elektrofahrzeuge mit Strom versorgen. Bei einer Leistung von etwa drei Megawatt erzeugt es rund 7,5 Millionen Kilowattstunden Strom. Damit können – bei einem hoch angenommenen Verbrauch von 20 Kilowattstunden für 100 Kilometer und einer Jahresfahrleistung von 20.000 km – eben 1.800 E-Autos mit Strom versorgt werden.


Wie lade ich daheim? Die Steckdose ist so weit weg, kann ich ein Verlängerungskabel nehmen?

Nein. Das schmort bei Dauerbelastung durch, wenn man länger Strom auf nur einer Phase zieht. Besser eine Wallbox für daheim anschaffen. Für die gibt es übrigens auch eine Förderung.

Das E-Auto ist schuld am Lithiumabbau in Chile. Es ist doch eine "Seltene Erde?"

Nein. Lithium ist ein Alkalimetall und kein Seltene-Erde-Metall. Die größten Lithiumvorkommen liegen zwischen Chile, Argentinien und Bolivien. Die Salzwüste in Bolivien gilt als größte Lagerstätte. Lithium benötigt man unter anderem in Batterien, um eine hohe Energiedichte zu erzielen – also auch für Laptops, Handys, Akkubohrer. Man findet es auch in Kühlmitteln, in Glas und Schmiermitteln. Das E-Auto kommt nun hinzu und hier liegen konkrete Chancen, es besser zu machen. Es gibt derzeit genügend Lithium für die nächsten 200 bis 250 Jahre, aber es könnte bei der steigenden Nachfrage nach Batterien ab 2025 laut Deutscher Rohstoff­agentur zur Verdreifachung der Nachfrage kommen. Das wäre gut für das Weltklima, aber schlecht für das Ökosystem in Bolivien. Deshalb versucht man in der Batterieforschung, Lithium durch andere Leichtmetalle wie Kalium oder Natrium zu ersetzen.

Wenn ich im Winter im Stau stehe,ist dann der Akku gleich leer?

Nein, keine Sorge, Sie können trotzdem heizen, da Sie ja keine Energie zum Fahren benötigen. Und auch eine halbvolle Batterie reicht für sehr viele Stunden Heizleistung.

Wo lade ich in der Stadt? Ich habe eine Wohnung ohne Garage. Ich kann ja das Ladekabel nicht aus dem Fenster hängen.

Stimmt, ideal ist natürlich eine Wallbox in der eigenen Garage, vielleicht sogar noch mit einer Photovoltaik-Anlage am Dach. Aber Sie tanken ja auch den Verbrenner nicht daheim. Je nach Zielort können Sie Ihre Ladungen planen. Es gibt Ladestationen bei Supermärkten, in den Garagen der Einkaufszentren, bei Restaurants oder bei Sportplätzen. Einfach eine der vielen Lade-Apps etwa der Landesenergieversorger verwenden, auch auf speziellen Web-Seiten gibt es Informationen. Ebenso können Sie in vielen Elektrofahrzeug das Navigationssystem Ladestationen auflisten lassen. Generell hat sich die Ladesituation mit der neuesten Generation der E-Autos geändert: Bei Reichweiten von 350 bis 400 Kilometer muss man – im Gegensatz zufrüher – nicht mehr täglich aufladen.

Was macht der ÖAMTC, wenn die E-Autos fast keine Pannen mehr haben?

Wir bieten ja nicht nur Pannenhilfe, sondern viele technische Dienstleistungen auch fürE-Autos an. Etwa Pickerlüberprüfungen und vor allem Ankaufstests: Wie gut ist der Zustand der Akkus? Wurde immer schnellgeladen? Das beeinträchtigt auf die Dauer die Lebensdauer der Akkus. Oder: Speziell geschulte Mitarbeiter führen beim E-Auto Isolationsprüfungen durch.

Ebenso bietet der Club leistbare Finanzierungsmodelle wie unser "Restwertleasing Plus"an. Damit kann man E-Autos leasen und zu einem garantierten Restwert wieder retournieren. Wir sind ein Mobilitätsclub und haben viele innovative Bereiche wie etwa unsere ÖAMTC easy way eScooter.