Sicherheitsfaktor Licht
Scheinwerfer werden schon bald viel mehr können, also nur leuchten. Dank einer innovativen Entwicklung aus Österreich.
Wenn der Winter voranschreitet und die Tage immer kürzer werden, sind unsere Scheinwerfer beinahe im Dauereinsatz. Erschweren doch neben der Dunkelheit auch Nebel, Regen und Schnee die Sicht im Straßenverkehr. Früher lediglich mit simplen Lämpchen ausgestattet, entwickeln sich moderne Lichtsystem gerade zu wahren Hightech-Komponenten samt Sensorik und jeder Menge Intelligenz. Global führend ist in dieser Entwicklung die Firma ZKW mit Stammsitz in Wieselburg. Egal ob Porsche, Mercedes, BMW, Audi, Skoda oder Volvo: Beinahe alle großen Automobilproduzenten setzen auf die Systeme der niederösterreichischen Firma mit rund 10.000 Angestellten. Damit das so bleibt, sind allerdings laufend Innovationen gefragt. Wohin die Reise geht und was uns schon bald im Straßenverkehr begegnen wird, hat ZKW kürzlich gemeinsam mit der ÖAMTC Fahrtechnik im Fahrtechnik Zentrum Melk/Wachauring präsentiert. Der Vorteil der Location: Eine abwechslungsreiche und vor allem abgesperrte Strecke sowie sehr wenig Umgebungslicht.
Vom Labor auf die Straße
Getüftelt wird bei ZKW, die seit fünf Jahren Teil des koreanischen Elektronikkonzerns LG ist, nicht nur an der Steigerung der Leuchtkraft, genauso wichtig ist es, die Systeme mit smarten Steuerungselementen auszustatten, um möglichst blendfrei zu leuchten. Die Entwicklungen gehen allerdings sogar noch einen Schritt weiter. Lichtprojektionen rund um Fahrzeuge sollen schon bald für mehr Sicherheit im Straßenverkehr sorgen. Zudem können in den Scheinwerfern moderne Sensorik verbaut und künstliche Intelligenz eingesetzt werden, die eine Personen-, Fahrzeug- und Hinderniserkennung ermöglicht.
Blendfrei fahren
Wie ein fortschrittliches, blendfreies Fernlicht von ZKW funktioniert, zeigt sich anhand eines Opel Insignia, der mit einem noch in Entwicklung befindlichen Scheinwerfer ausgestattet wurde. Gesteuert wird das sogenannte microZ-Fernlichtmodul mit 25.600 Hochleistungs-LED durch eine Frontkamera, die das Fernlicht je nach Verkehrssituation gezielt ein- und ausschaltet. Dadurch passt sich das System automatisch an die Umgebung an, um gefährliches Blenden zu vermeiden. Dieses digital gesteuerte Licht hat nicht nur die Fähigkeit, den Gegenverkehr genau zu erfassen und auszublenden, es ermöglicht auch verschiedene Informations- und Kommunikationsfunktionen. Die Grundlage für diese Innovationen bilden hochauflösende Projektionstechnologien. Wenn eine Zulassung erfolgt, kann das System den Fahrer:innen, aber auch anderen Verkehrsteilnehmern relevante Informationen übermitteln. So können etwa Richtungspfeile neben dem Fahrzeug auf den Boden projiziert werden, um die Fahrrichtung anzuzeigen. Aber auch vor das fahrende Auto können Informationen und Warnhinweise auf die Straße geworfen werden.
Sicherer dank Sensorik
Für mehr Sicherheit will auch das „Project Dragonfly“ sorgen. Unter diesem Titel forscht ZKW an der Entwicklung digitaler Lichtsysteme, die mit anderen Verkehrsteilnehmern interagieren und die Fahrsicherheit erhöhen. Das Dragonfly Versuchsfahrzeug zeigt, wie sich mittels in den Scheinwerfern integrierter Sensoren und Künstlicher Intelligenz Gefahren erkennen lassen. Dazu hat ZKW neben hochauflösenden Kameras auch LiDAR (light detection and ranging) in die Hauptscheinwerfer des Testfahrzeugs integriert. Damit kann die Sensorsicht auch bei Nacht deutlich erweitert werden. Vorausfahrende oder entgegenkommende Fahrzeuge, aber auch Querverkehr, lassen sich somit früher erkennen. Dafür, solche Systeme in den Scheinwerfern zu verbauen, spricht nicht zuletzt ihre Position. An den Eckpunkten der Autos sind sie der optimale Platz, um weit vorauszuschauen.
Licht aus der Stoßstange
Neben sicherheitsrelevanten Komponenten hat ZKW auch gemeinsam mit Rehau Automotive Prototypen entwickelt, die zeigen, wie die Integration von Lichtsystemen in die Fahrzeugfront selbst aussehen kann. Zukünftig sollen „intelligente Fahrzeugfronten“ entwickelt werden, die Licht, Sensorik und Elektronik in einer „Seamless Intelligent Vehicle Front“ vereinen. Die nahtlose Fahrzeugfront, die ohne sichtbare Scheinwerfer auskommt, wird um Licht-, Logo-, Sensoren- und Heizungselemente angereichert und somit zu einem intelligenten Design-Objekt. Mit dem Konzept lässt sich zum Beispiel bei Elektrofahrzeugen, die keinen Kühler benötigen, die Frontfläche neu gestalten. Als Designelement kommen die Systeme von ZKW beispielsweise jetzt schon beim neuen vollelektrischen BMW i7 zum Einsatz, der mit funkelnden Kristallscheinwerfern ausgestattet wurde. In Kooperation mit Swarovski und BMW hat ZKW ein Lichtsystem entwickelt, in dem vier präzise geschliffene Kristalle von individuell gesteuerten LEDs unterlegt sind. Diese unterstützen das Tagfahr- und Blinklicht und erzeugen dabei ein lebendiges Leuchten und Funkeln. Im unteren Teil der Front des BMW i7 sind Fern- und Abblendlicht in ZKW LED-Matrix-Technologie positioniert. Wie schnell vor allem die neuen sicherheitsrelevanten Systeme abseits von Teststrecken zu sehen sein werden, ist noch nicht ganz genau absehbar. Müssen sie doch noch zur Serienreife gelangen und vor allem zugelassen werden. Fest steht aber, dass sie zunächst im Premiumsegment zum Einsatz kommen und dann von dort aus in die Breite gehen werden. Bis allen Fahrzeugen die neuen Lichter aufgehen, kann es also noch ein wenig dauern.