Staus verursachen einen hohen volkswirtschaftlichen Schaden – jährlich werden laut der jüngsten Staukosten-Rechnung des ÖAMTC 5 bis 6 Milliarden Euro verbrannt, und das allein in Österreich.
Viele Wissenschaftler beschäftigen sich deshalb mit dem Phänomen Stau, um die Gründe für das Entstehen herauszufinden und um Abhilfen zu schaffen. Beispielsweise durch das Optimieren von Staumeldern, die uns auf Navis und Handys den Weg aus der Verkehrsmisere zeigen sollen oder uns – im optimalen Fall – erst gar nicht in die Blechlawine steuern und sie stattdessen zu umfahren helfen.
Die Entstehung von Staus hat viele unterschiedliche Gründe. Die einleuchtendsten sind Baustellen, Unfälle und die sogenannten "Elefantenrennen", bei dem ein Lkw einen anderen, langsameren Lkw überholt. Aufgrund des geringen Geschwindigkeitsunterschiedes benötigt er viel Zeit für den Überholvorgang.
Das sind aber nicht die häufigsten Gründe für die Entstehung eines Staus. Das Hauptproblem ist ein Sättigungsproblem. Auf einem Kilometer Straße ist nur ein gewisser Raum vorhanden, der den Autos zur Verfügung steht. Die Kapazität einer Straße liegt bei 1.500 bis 2.500 Fahrzeugen pro Stunde und Fahrstreifen, wenn sich die Fahrzeuge mit einer Geschwindigkeit von 80–100 km/h bewegen. Schnelleres und langsameres Fahren verringert die Kapazität. Das Sättigungsproblem beginnt, wenn die Nachfrage nach diesem begrenzten Raum größer ist als das Raumangebot. Etwa 50 Prozent der Staus entstehen durch Überlastung des Straßennetzes.
Der Stau aus dem Nichts
Im Mai 2008 tauchte im Internet auf YouTube ein seltsamer Film auf. Der 55 Sekunden lange Clip zeigte ein staubiges Fußballfeld, auf dem 22 Autos im Kreis fuhren. Am Anfang rollte der Verkehr flüssig, doch nach etwa 20 Sekunden hatte er sich ohne ersichtlichen Grund an einer Stelle des Kreises verdichtet, während die Autos einander an der gegenüberliegenden Stelle mit viel größerem Abstand folgten. Nochmals 20 Sekunden später hatte sich dieser Effekt verstärkt, und die ersten Autos kamen zum Stillstand. Ein Stau war entstanden – ohne Baustelle, Geschwindigkeitsbegrenzung oder Unfall. Ein Stau ohne Grund.
Die menschliche Unfähigkeit, eine konstante Geschwindigkeit auf der Straße zu halten, ist für eine Menge von Verkehrsstaus verantwortlich. Diese Unfähigkeit wurde von den japanischen Forschern nachgewiesen, als sie die Leute baten, stetig im Kreis zu fahren.
Überschreitet die Zahl der Autos die kritische Dichte, gerät das System in einen instabilen Zustand. Dann reicht schon eine minimale Geschwindigkeitsänderung eines Wagens aus, damit es zu einem Stau kommt.
Die Theorie des "Staus aus dem Nichts" geht davon aus, dass ein einzelner Fahrer für einen Stau verantwortlich sein kann. Sein Verhalten löst eine Kettenreaktion aus, die folgendermaßen abläuft: Durch einen Verbremser, einen Überholvorgang oder ein anderes Fahrmanöver kann viele Kilometer und Minuten später ein Stau entstehen.
Ob es dabei auf einer hindernisfreien Strecke zu einem Stau kommt, hängt außerdem von der Dichte der Fahrzeuge ab. Auf einer Autobahn bei einer Geschwindigkeit von etwa 120 km/h liegt die Grenze bei etwa 25 Pkw pro Kilometer. Liegt die Dichte darunter, läuft der Verkehr – liegt sie darüber, kommt es zu Phantomstaus, wie die Wissenschafter die "Staus aus dem Nichts" nennen. Dass dieser Wert auf der ganzen Welt konstant ist, lässt ein universelles Staugesetz der Straße vermuten.
Ein Beispiel: Auf einer viel befahrenen Autobahn fährt Fahrer A mit 120 km/h. Da er ein anderes Fahrzeug überholen will, schert er auf die linke Fahrspur aus. Die dort fahrenden Autos von Fahrer B und Fahrer C, die ebenfalls mit 120 km/h unterwegs waren, müssen ihre Geschwindigkeit auf 100 km/h reduzieren, um Fahrer A auf ihre Spur einfädeln zu lassen. Natürlich müssen auch alle anderen Fahrer, die hinter Fahrer B und C fahren, ihre Geschwindigkeit auf weniger als 100 km/h reduzieren, um einen Auffahrunfall zu vermeiden und den notwendigen Fahrzeugabstand einzuhalten. Das übermäßige Bremsen setzt sich ähnlich einer Kettenreaktion fort und verstärkt sich dermaßen von Fahrzeug zu Fahrzeug, bis viel weiter hinten ein erstes Fahrzeug zum Stillstand kommt. Ein "Stau aus dem Nichts" ist entstanden.
Ähnliches passiert, wenn am Straßenrand ein Polizeiauto steht: Die meisten Autofahrer haben ein schlechtes Gewissen und steigen automatisch aufs Bremspedal. Die Folge: Es bildet sich ein kilometerlanger Stau und keiner weiß warum.
Die Stau-Hitparade
Den mit 40 Kilometern längsten Stau vor dem Tauerntunnel gab es am 2. August 2008 in Richtung Süden. Bereits ab Mitternacht wurde der Verkehr blockweise abgefertigt – die Anfahrtszeit betrug bis zu sechs Stunden. Das kann jetzt nicht mehr passieren: Seit Sommer 2011 ist der Tauerntunnel durch zwei Tunnelröhren befahrbar.
Am 30. Juli 2011 kam es vor dem Oswaldibergtunnel, der Nordumfahrung von Villach, zu einem 60 Kilometer langen Stau. Der Grund: Nach Fertigstellung der zweiten Röhre des Tauerntunnels und dem Ende der Blockabfertigung kommen nun viel mehr Autos in kürzerer Zeit in den Süden. Der Knoten Villach mit nur einer Abbiegespur in Richtung Italien bzw. Slowenien war dem großen Verkehrsaufkommen nicht gewachsen.
Kommentare