Die A7: Geschichte eines Nadelöhrs
Die Linzer Stadtautobahn galt einst als fortschrittlich. Jetzt ist dieses Symbol der autogerechten Stadt bau- und verkehrstechnisch am Limit angelangt.
Stünde das Gebäude noch, dann wäre das Anwesen des „Binder Michl“ der wohl bekannteste Bauernhof Österreichs. Unter den Wiesen und Feldern der ehemaligen Landwirtschaft liegt heute die Einhausung Bindermichl, ein Tunnel, durch den die Mühlkreis-Autobahn führt. Unter der Woche rollen hier Tag für Tag 105.000 Fahrzeuge über die A7. Eine noch höhere Verkehrsdichte gibt es auf Österreichs Autobahnen nur auf der A1 bei Traun und Bergheim, auf der A2 bei Wiener Neudorf und Guntramsdorf sowie auf den stark befahrenen Abschnitten der A22 und A23. Im Tunnel kracht es überdurchschnittlich oft, Staus sind hier an der Tagesordnung. Seine Berühmtheit verdankt der Bindermichl dem Verkehrsfunk.
Für Linz ist die A7 Fluch und Segen zugleich. Sie ist einerseits überregionale Transitroute, trägt andererseits aber auch große Teile des regionalen und innerstädtischen Verkehrs. Die meistbefahrene Linzer Donauquerung ist ebenfalls Teil der A7. Für das Funktionieren des Linzer Alltagsverkehrs ist die Autobahn essentiell. Gravierende negative Auswirkungen hat die A7 auf Lärmentwicklung, Abgasbelastung und das Stadtbild.
Eine ähnlich konzipierte Stadtautobahn neu zu bauen, wäre heute nicht mehr denkbar. Doch in den 1960er- und 1970er-Jahren stand die A7 für Fortschritt, sie war Symbol einer modernen, autogerechten Industriestadt. Ihre Anfänge hat die A7 in der Zeit des Dritten Reichs. Als Anbindung von Linz zur Reichsautobahn Salzburg–Wien war eine Zubringerstrecke mit geradezu monumentalen Dimensionen geplant. Der Zubringer sollte vom heutigen Knoten Linz von der Reichsautobahn abzweigen und auf möglichst geradem Weg ins Stadtzentrum führen. Bis zur Salzburger Straße war die Strecke als Autobahn geplant, um anschließend als Prunkstraße mit einer Breite zwischen 65 und 105 Metern Breite zum Blumauer Platz beim Linzer Hauptbahnhof zu führen. Mit dem Bau von zehn Brücken wurde 1940 begonnen, zwei Jahre später wurden die Arbeiten kriegsbedingt eingestellt.
1954 kam wieder Bewegung in den Autobahnbau. Um Linz mit der Westautobahn zu verbinden, standen bei den damaligen Verkehrsplanern verschiedene Varianten zur Debatte: eine Anbindung über Ebelsberg im Osten bzw. über Traun/Haid im Westen sowie die Trasse des Reichsautobahn-Zubringers. Nach langem Tauziehen zwischen Stadt, Land und Bund einigte man sich 1956 auf den Fertigbau der ursprünglichen, unvollendeten Variante. Acht Jahre später konnte das große Teilstück zwischen dem Knoten Linz und der Salzburger Straße eröffnet werden. Der eigentliche Stadtabschnitt zwischen Salzburger Straße und Urfahr wurde bis 1979 nach und nach für den Verkehr freigegeben, bis 1982 folgte der Endausbau bis zum heutigen Autobahnende in Unterweitersdorf.
Auf die Stadtentwicklung hatte die A7 massive Auswirkungen. Unternehmen siedelten sich neben der Autobahn an, teilweise entstanden ganze Industrie- und Gewerbegebiete. Noch stärkeren Einfluss hatte die A7 auf die Wohnsituation vieler Linzer: Dank der Autobahn und der schnellen Erreichbarkeit von Linz war es nun möglich, in der Stadt zu arbeiten und im Grünen zu wohnen. Vor allem die Umlandgemeinden im südlichen Mühlviertel wuchsen in atemberaubendem Tempo. Da in diesen ländlichen Gebieten Infrastruktureinrichtungen wie Kindergärten, Schulen oder Nahversorger mit dem Bevölkerungszuwachs nicht schritthalten konnten, war das Auto nicht nur zum Pendeln, sondern auch zur Erledigung aller Alltagswege unabdingbar. Entsprechend wuchs auch der Verkehr auf der A7. Der Fall des Eisernen Vorhangs machte die ohnehin schon überlastete A7 Anfang der 1990er-Jahre auch noch zur internationalen Nord-Süd-Transitroute.
In der Verkehrspolitik verließ man sich lange Zeit ausschließlich auf die A7. Viele andere Projekte wurden vernachlässigt. Auf der Strecke blieb insbesondere der Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Auf ein S-Bahn-Netz wartet der zweitgrößte Ballungsraum Österreichs bis heute. Die wenigen Linzer Straßenbahnlinien sind in der Stoßzeit an der Kapazitätsgrenze angelangt. Am Limit ist mittlerweile auch die A7 selbst. Große Teile der Straße haben das Ende ihrer technischen Lebensdauer erreicht und müssen saniert werde, darunter auch die Vöest-Brücke. Aufgrund des fehlenden Abstellstreifens und der verminderten Mittelstreifenbreite entspricht die Stadtautobahn auch in Sachen Verkehrssicherheit nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik.
Die Asfinag will mit der dringend notwendigen Sanierung der Mühlkreis-Autobahn 2017 beginnen. Der erste und spektakulärste Bauabschnitt ist der Totalumbau der Vöest-Brücke. Das bisherige Bauwerk bleibt zwar bestehen, bekommt aber an jeder Seite je eine sogenannte Bypass-Brücke. Diese beiden Neukonstruktionen sollen ab der Fertigstellung 2019 den innerstädtischen Ziel- und Quellverkehr über den Fluss bringen. Die bisherige Vöest-Brücke bleibt nach Fertigstellung der Bypass-Übergänge dem Autobahn-Durchzugsverkehr vorbehalten, sodass sowohl in Richtung Mühlviertel als auch in Richtung A1 eine leistungsfähigere Verbindung entsteht.
Anschließend will die Asfinag ab 2020 mit der Sanierung der A7 zwischen dem Tunnel Niedernhart und der Anschlussstelle Hafenstraße beginnen. Der dritte und letzte Teil des für die A7 geplanten Pakets betrifft die Erneuerung der Fahrbahn vom Knoten Linz bis zum Tunnel Bindermichl. Die Kosten belaufen sich auf insgesamt 366 Millionen Euro.
Die A7-Sanierung ist aber längst nicht das einzige Großprojekt, das auf Linz zukommt. Eine neue Linzer Autobahn (A26) soll als Westumfahrung in einem drei Kilometer langen Tunnel den Freinberg unterqueren, um anschließend über eine neue, vierte Linzer Donaubrücke bei der „Anschlussstelle Nord“ in die B 127 Richtung Rohrbach einzumünden. 646 Millionen Euro sind dafür budgetiert. Auch eine Ostumfahrung der A7 von Ebelsberg entlang der Traun und der Vöest über die Donau hinauf nach Engerwitzdorf ist in Planung. 2025 könnte dieses Bauvorhaben, das auch eine neue Zufahrtsmöglichkeit ins Linzer Stadtzentrum enthält, in Angriff genommen werden. Kostenpunkt: mindestens 500 Millionen Euro.
Ein Großvorhaben gibt es auch beim öffentlichen Verkehr: Eine zweite Linzer Straßenbahn-Achse soll das bestehende Netz entlasten. Dazu ist aber der Neubau einer weiteren Donaubrücke notwendig.
Oberösterreich ist eines der letzten Bundesländer, das die Mobilität seiner Bürgerinnen und Bürger in zwei voneinander getrennten Ressorts – Straßenbau und öffentlicher Verkehr – politisch organisiert. Angesichts der gewaltigen Bauvorhaben, die in den kommenden Jahren realisiert werden sollen, ist es zweifelhaft, ob dieses proporzpolitische Verständnis von Verkehrspolitik noch zeitgemäß ist. Neue Autobahnen, Brücken, Straßenbahnlinien und S-Bahnen funktionieren nur dann effizient, wenn sie entsprechend miteinander vernetzt sind und der Wechsel zwischen den Verkehrsmitteln rasch und unkompliziert möglich ist. Dazu gehören leistungsfähige Pendlerparkplätze ebenso wie Park-and-Ride-Anlagen oder die Schaffung eines S-Bahn-Netzes für den Großraum Linz. In Oberösterreich ist heuer Wahljahr. Somit gibt es zumindest theoretisch die Chance, den Proporz aufzugeben.
Wir fordern ein gesamtheitliches Verkehrsressort, das effizientes Mobilitäts-Management sicherstellt und die unterschiedlichen Interessen von Stadt, Land, Umlandgemeinden und Verkehrsträgern nachhaltig koordiniert. Der ÖAMTC Oberösterreich hat eine entsprechende Petition bereits an den Landeshauptmann übergeben.
Josef Thurnhofer, Landesclubdirektor OÖAMTC
Bis zur Realisierung all der Megaprojekte, die von zahlreichen Bürgerinitiativen teils heftig bekämpft werden, versucht die Asfinag mit allen Mitteln, den Verkehr auf der A7 einigermaßen im Fluss zu halten. Zum Einsatz kommt unter anderem eine hochmoderne, computergesteuerte Verkehrsbeeinflussungsanlage, die Daten wie Niederschlag, Fahrbahntemperatur und Verkehrsdichte misst und mit Überkopfanzeigen ins Verkehrsgeschehen eingreift. Bei starkem Verkehr wird die erlaubte Geschwindigkeit von 100 und 80 auf 60 oder witterungsbedingt sogar nur 40 km/h reduziert. Mit weniger Tempo kann der Sicherheitsabstand kleiner werden, so dass laut Asfinag mehr Fahrzeuge gleichzeitig die A7 passieren können. Damit die Autofahrer die Limits auch einhalten, gibt es dort, wo einst der Hof des „Binder Michl“ stand, eine Section Control. Ob die Hightech-Maßnahmen die gewünschte Wirkung erzielen, muss sich erst noch weisen. Im Verkehrsfunk zählt die A7 jedenfalls weiterhin zu den Dauerbrennern.