Die Verstärkung ist da
Die Christophorus-Flugrettung hat einen neuen Hubschrauber. Wir waren bei der Montage dabei und haben ihn danach zu seinem neuen Stützpunkt begleitet.
Warum benötigt die Christophorus-Flugrettung einen neuen Hubschrauber? Ein Teil der Antwort ist mit logistischen Anforderungen begründbar, ganz banal. Aber, und jetzt lauschen wir einfach den Worten des Chefs der Flugrettung, Geschäftsführer und Einsatzpilot Reinhard Kraxner: "Mit diesem neuen Hubschrauber haben wir wieder etwas mehr Möglichkeiten, das zu tun, wozu wir da sind, nämlich Patienten zu helfen." Genau darum geht's doch – Patienten zu helfen.
Mit dem neuen Modell (Typ H135 T3) klappt das sogar noch besser, denn: Er ist leistungsfähiger, wendiger und leiser, eignet sich somit ideal für Einsätze im hochalpinen Gelände. Und genau darum ist er ab sofort auch in Innsbruck stationiert. Obacht, wir garnieren diese Stelle noch dezent mit ein bisserl Pathos: In Innsbruck hat am 1. Juli 1983 der Christophorus I seinen Betrieb aufgenommen, wurde also quasi der Grundstein für die ÖAMTC-Flugrettung in ihrer heutigen Form gelegt – wenn das kein gutes Omen ist. Der Neue ist übrigens das 30. Exemplar, das der ÖAMTC in den Dienst stellt, auch das ein nettes kleines Jubiläum.
Produktion: Von der Eierschale bis zum Rettungs-Hubschrauber
Wenn die nackte Hülle des H135 am Beginn der Fertigungsstraße steht, dann sieht das noch ziemlich unspektakulär aus. Man sieht die 200 Kilogramm schwere Rohkarosse, die uns unweigerlich an rohe Eier daheim im Kühlschrank erinnert; man erkennt eine Türe, kann erahnen, wo später der Pilot sitzen wird und wo die Navigationsgeräte ihren Platz finden werden. Die Heißbereiche sind mit Titanblech ausgekleidet, das Gerüst besteht aus einer Aluminium-Carbon-Struktur.
Was nun folgt, ist Legotechnik für weit Fortgeschrittene, quasi. In den kommenden elf Monaten wird die Hülle schrittweise mit immerhin rund 60.000 Einzelteilen befüllt, gemäß den zuvor präzise formulierten Anforderungen des jeweiligen Kunden. Also genau nach Plan. Jeder Arbeitsschritt wird dokumentiert, jeder Handgriff exakt nach eben diesem Bauplan ausgeführt. Was die Handgriffe betrifft: So eine Hubschrauber-Fertigung ist über weite Strecken eine Manufaktur, ein Handarbeitsbetrieb höchster Güte. Und fürs Protokoll: Die Fertigung gliedert sich in fünf Bereiche – mechanische Integration, elektrische Integration, Komplettierung, Finishing und Testing.
Elektrik und Elektronik sind uns aufgrund ihrer Üppigkeit sogar einen kleinen Schwerpunkt wert. Zunächst jedoch ein paar Eckdaten: Je nach Anforderungsprofil verfügt so ein funkelnagelneuer H135 T3 über zehn bis 35 Steuergeräte, der Durchmesser der verwendeten Kabel reicht von Haarstärke bis fingerdick. Apropos Kabel – die sind in der Regel vernickelt oder versilbert, werden mit Gold-Kontakten bestückt, sind alle paar Zentimeter beschriftet. Es gibt keine Leerverkabelung! Wohl aber sind die wichtigen Systeme redundant ausgelegt, sprich zwei- bis dreimal vorhanden. Das Bordnetz ist ein 28 Volt-System; Eckdaten-Auflisterei-Ende.
Sind alle Kabel verlegt, alle Steuergeräte montiert, alle Kontakte angeschlossen, dann folgt ein ausführlicher, ca. zweistündiger Check. Jedes Kabel wird geprüft, jedes Steuergerät, jeder Kontakt. Funktioniert jetzt etwas nicht, beginnt automatisch die Fehlersuche – angesichts der unzähligen Meter Kabellänge und der scheinbar kaum überschaubaren Menge an Kabelsträngen stellen wir uns das alles andere als angenehm vor. War schon schlimm genug, wenn seinerzeit die Lego-Anleitung Bild für Bild rückwärts kontrolliert werden musste. Da ist so ein Bildersuchrätsel vergleichsweise ein Kinderspiel dagegen. Selbst für die versiertesten Airbus-Techniker sorgt dieser Check jedes Mal aufs Neue für ein klein wenig Nervosität. Verständlicherweise.
Gearbeitet wird in der Airbus-Fertigung in Donauwörth (liegt bei München) übrigens immer in Teams, zumindest nach dem Vier-, meist sogar nach dem Sechs-Augen-Prinzip. Auch wegen der lückenlosen Dokumentation. Vor allem aber am Schicht-Ende, wenn es ans Wegräumen geht. Jedes Werkzeug hat seinen Platz, jedes Trumm eine Mitarbeiternummer. Es darf nichts verloren gehen – und natürlich auch nichts überbleiben. Sicherheit hat im Flugbetrieb oberste Priorität, darum darf bei der Fertigung absolut gar nichts schief gehen.
Zwischen erstem und letztem Handgriff liegen rund elf Monate. Aus der vermeintlichen Eierschale wurde in dieser Zeit ein formidabler Gelber Engel. Was ihm zu diesem Zeitpunkt noch fehlt, ist die Inneneinrichtung, das medizinische Equipment. Das allerdings wird erst später eingebaut, am Stützpunkt in Innsbruck. Und genau dorthin führt den H135 T3 nun auch sein nächster Weg. Doch zunächst wird kurz gefeiert, immerhin ist dies der dreißigste Rettungshubschrauber, den die Flugrettung in Betrieb nimmt.
Die Übergabe erfolgte in den Hallen von Airbus Helicopter in Donauwörth (D), v.l.n.r. Thomas Hein (Head of Western Europe Global Business and Service, Airbus Helicopters Deutschland), Dr. Wolfgang Schoder (Executive Vice President Airbus Helicopters Deutschland), Reinhard Kraxner (GF Christophorus Flugrettung), ÖAMTC-Verbandsdirektor Oliver Schmerold, Marco Trefanitz (GF Christophorus Flugrettung), Axel Humpert (Programmleiter des H135).
Wir kommen
Bei dem anschließenden Überstellungsflug waren wir exklusiv dabei. Airbus Chef-Fluglehrer Norbert (alias Redfox26) pilotierte den (noch) unbeklebten Rettungshubschrauber von Donauwörth nach Innsbruck.