Aus vom Verbrenner-Aus

Ab 2035 sollen in Europa keine Autos mit Verbrenner mehr neu zugelassen werden. Doch zuletzt wurden die Gegenstimmen wieder mehr und lauter. Wieso? 

Elektroautos seien aktuell zu kostspielig, die Ladeinfrastruktur ­wäre noch nicht da, wo sie sein sollte und darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass die europäische Automobilindustrie mit ihren, je nach Enge der Definition, drei bis 13 Millionen Arbeitsplätzen den Anschluss an den internationalen Mitbewerb verlieren könnte.

So lautet zusammengefasst die Zwischenbilanz des Europäischen Rechnungshofes zum "Verbrenner-Aus", in der mehrere Berichte des EU-Kontrollorgans zusammengefasst wurden. Sie kommt zu einer Zeit, in der immer mehr Menschen aus Politik und Industrie den Fahrplan zur Klimaneutralität infrage stellen. Zu Recht? Zu Unrecht?

Worum geht es?

Zur Erinnerung: 2023 brachte die Europäische Union das "Verbrennerverbot" auf Schiene. Dabei handelt es sich um die Vorgabe, dass die Flottenverbräuche der diversen Autohersteller kontinuierlich gesenkt und 2035 schließlich auf null reduziert werden sollen.

In der Praxis bedeutet das ein Neuzulassungsverbot für Verbrenner-Pkw und leichte Nutzfahrzeuge in elf Jahren – sofern sie mit Diesel oder Benzin betrieben werden. Gebrauchtwagen können vorerst weiterhin ge- bzw. verkauft und ­natürlich auch gefahren werden.

Vom Neuzulassungsverbot ausgenommen wurden letztes Jahr nur jene Fahrzeuge, die ausschließlich mit nachhaltigen Kraftstoffen, sogenannten ­E-Fuels, betankt werden können. Ob das die Einführung einer neuen Kraftstoffsorte bedeutet – was aber mangels Beimengbarkeit zu Diesel und Benzin der Umwelt kaum helfen würde – ist bis heute unklar.

Teil des auf Schiene gebrachten Verbrenner-Verbots ist jedenfalls eine geplante Überprüfung im Jahr 2026, anhand derer die Situation neu evaluiert werden sollte.

Dann, und damit sind wir nun wieder in der Gegenwart, werde die EU-Kommission das Aus wohl selbst korrigieren – meinte jedenfalls der ÖVP-Spitzenkandidat für die heurige EU-Wahl, Reinhold Lopatka, in der Mai-Ausgabe des auto touring.

Wer sagt was?

Auch Harald Vilimsky (FPÖ) spricht sich gegen das Verbrennerverbot aus und meint, man treibe die europäische Automobilindustrie in den Abgrund.

Konträr sehen das Lena Schilling (Grüne), Helmut Brandstätter (Neos) und Andreas Schieder (SPÖ). Lena Schilling und Helmut Brandstätter argumentierten im auto touring, dass durch das Verbrenner-Verbot Planungssicherheit für die Industrie bestehe, auch deshalb sollte keine neue Debatte über das Aus angestoßen werden. Andreas Schieder wiederum sieht das Neuzulassungsverbot als Innovationstreiber und wirtschaftsstärkenden Faktor.

Bei den potenziellen Wählern ist das Verbrenner-Verbot jedenfalls kein Hit. So konnten sich im März 2024 bei einer repräsentativen Umfrage unter 1.309 ÖAMTC-Mitgliedern nur 7% für ein Aus von Diesel- und Benzinfahrzeugen ab 2035 erwärmen. 38% wollten nach 2035 mit synthetischen Kraftstoffen weiterfahren, aber fast die Hälfte (48%) hält überhaupt nichts von einer Abkehr von fossilen Kraftstoffen und will damit auch noch nach 2035 unterwegs sein.

Chance oder Challenge?

In Österreich gibt es laut dem Verband der Automobilimporteure etwa 350.000 Beschäftigte rund ums Auto. "Die österreichische Automobilwirtschaft steht für 18 Milliarden Euro direkte bzw. 30 Milliarden Euro totale Bruttowertschöpfung und der Beitrag zur Bruttowertschöpfung in Österreich liegt bei 8,4 Prozent total", sagt Günther Kerle, Vorsitzender des Verbands der Automobilimporteure. Zum Vergleich: Die direkte Wertschöpfung des Tourismus betrug in Österreich 2022 laut Schätzungen des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) rund 20 Milliarden Euro und damit nur wenig mehr als jene der Automobilindustrie.

Diese sichert in Österreich also ­Arbeitsplätze und Wohlstand. Besonders bedeutend hierzulande seien, so stellt es das Forschungsinstitut Frauenhofer Austria in einer Studie 2022 fest, die Zulieferer-Unternehmen, etwa AVL, Bosch, Magna Steyr und BMW mit dem großen Motorenwerk in Steyr.

Interessen der Industrie

BMW betont beispielsweise den gemeinsamen Standpunkt aller europäischer Hersteller, nämlich die Ablehnung eines vollständigen Verbrenner-Verbots. Nachsatz: "Nicht, weil die Produkte dann nicht verfügbar wären – sondern, weil die fehlende Infrastruktur sowie die knappen und daher teuren Rohstoffe für Batterien den Kunden kein vollständiges Umsteigen erlauben." Bis zur geplanten Evaluierung 2026 erwarte man sich dennoch substanzielle Fortschritte bei den entsprechenden Rahmenbedingungen (Anm.: Ladeinfrastruktur, Verfügbarkeit erneuerbarer Energien, Zugang zu kritischen Rohstoffen) sowie einen konkreten Fahrplan für die Zeit danach.

Bei Bosch wünscht man sich von der Überarbeitung der Flottenziele 2026 substanzielle Ergebnisse unter Berücksichtigung der Vorzüge aller potenziell verfügbaren Technologien. "Ein breiter technologieoffener Ansatz unterstützt wirksamen Klimaschutz, gesellschaft­liche Akzeptanz, eine erfolgreiche industrielle Transformation und ein ­widerstandsfähiges Europa." 2026 böte laut Bosch daher die Möglichkeit, "auch in Europa den Lösungsraum für klimaneutrale An­triebe wieder größer zu fassen. Diese ­Chance sollten wir nutzen."

Um die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir Technologieoffenheit.

Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung

Das meint der ÖAMTC

In einem Punkt sind sich also (fast) alle einig: Die Klimaziele müssen erreicht, der Mobilitätssektor dekarbonisiert werden. Nur beim Wie scheiden sich die Geister. So stark der aktuelle Stand der E-Mobilität im eingangs erwähnten Bericht des EU-Rechnungshofs auch kritisiert wird, ­Alternativen sieht das Kon­trollorgan keine. Bernhard Wiesinger, Leiter der Interessenvertretung des ÖAMTC, widerspricht: "Es gibt Studien, die klar belegen, dass Bio- und E-Fuels einen wertvollen Beitrag zur Dekarbonisierung des Straßenverkehrs leisten können." Vielmehr führe kein Weg an Alternativlösungen vorbei. "Denn selbst wenn das Verbrennerverbot hält, so werden 2035 immer noch Millionen Pkw mit Verbrennungsmotoren auf ­Europas Straßen fahren", so Wiesinger.

In Bezug auf die Elektromobilität sieht er die Politik gefordert: "Sie bleibt ein zentraler Erfolgsfaktor für klimafitte Mobilität, aber sie muss konsumentenfreundlicher werden. Also: mehr Ladesäulen, transparente kWh-Tarife, Aufbau eines funktionierenden Gebrauchtwagenmarktes. Damit die Skepsis sinkt, muss das Angebot besser werden." ­Außerdem braucht es Technologieoffenheit. Die EU muss Kraftstoffe auf Wasserstoffbasis auch im Straßenverkehr zur Treibhausgasminderung zulassen. Ob sich E-Fuels durchsetzen, soll der Markt entscheiden.

Auf einen Blick

Das Verbrenner-Aus ist die Vorgabe, dass die Flottenverbräuche laufend gesenkt und bis 2025 schließlich auf null reduziert werden sollen.
In der Praxis dürfen ab 2035 nur noch Pkw mit E-Antrieb neu in der EU zugelassen werden. Ausnahmen soll es nur für Verbrenner geben, die ausschließlich mit E-Fuels betrieben werden.
Der ÖAMTC mahnt seit geraumer Zeit, dass mit diesen Maßnahmen die Klimaziele der EU nicht erreicht werden können und tritt daher für Technologieoffenheit ein.