— Welche Bedeutung haben 120 Jahre Vergangenheit für den heutigen ÖAMTC?
oliver schmerold:Das 120-jährige Bestehen des Clubs steht für Beständigkeit, Kontinuität und das Vertrauen, das Menschen in die Organisation ÖAMTC setzen. Das ist gerade in Zeiten, in denen vieles im Umbruch ist, in denen viele Werte diskutiert werden, die in der Vergangenheit nicht zur Diskussion standen, für die Menschen wichtig, glaube ich. Dass es noch Dinge gibt, die Bestand haben. Wir sind schon lange im Dienste unserer Mitglieder da und das wird so bleiben.
— Der ÖAMTC hat sich von der ursprünglichen "Kraftfahrervereinigung" zum Mobilitätsclub gewandelt. Was bedeutet das konkret?
OLIVER SCHMEROLD:Als wir die Neuorientierung einleiteten, erschien es mir wichtig, mit zentralen Botschaften zu arbeiten, um unseren Mitgliedern, aber auch den Mitarbeitern zu verstehen zu geben, dass ein Wandel stattfindet. "Mobilitätsclub" war die Überschrift, die musste natürlich mit Inhalten und Angeboten untermauert werden. Dazu haben wir in den letzten fünf Jahren massiv investiert, die persönlichen Leistungen für das Mitglied noch stärker in den Vordergrund gestellt, Angebote im Bereich der Shared Mobility entwickelt, sind in unserer Kommunikation viel breiter geworden. Der ÖAMTC nimmt sich heute Themen an, die nicht mehr nur mit dem Automobil oder dem Besitz eines eigenen Kraftfahrzeugs zu tun haben, sondern bei denen es allgemein um Fragen der Mobilität geht. Deshalb haben wir bewusst begonnen, auch andere Formen der Mobilität stärker zu beleuchten.
Der ÖAMTC nimmt sich Themen an, die nicht mehr nur mit dem Automobil zu tun haben.
Oliver Schmerold, Verbandsdirektor des ÖAMTC
Der ÖAMTC hat sich auch als Gesellschafter bei der Verkehrsauskunft Österreich (VAO) engagiert, die online jederzeit die Frage beantworten kann, wie und mit welchem Fortbewegungsmittel ich genau jetzt am einfachsten und schnellsten von A nach B komme. Die VAO verknüpft Straßenverkehrsinformationen und Fahrpläne öffentlicher Verkehrsmittel in Echtzeit. Das ist einzigartig.
Damit ist der ÖAMTC der einzige nicht staatliche Gesellschafter in der VAO, nimmt also Aufgaben wahr, die weit über seine unmittelbare Vereinssphäre hinausgehen, wenn es um die Mobilität der Österreicherinnen und Österreicher geht.
— Auch die Inbetriebnahme von Rettungshubschraubern ab 1983 war keine ureigene Aufgabe eines "Autofahrerclubs".
Oliver Schmerold: Tatsächlich haben wir damit vor mehr als 30 Jahren begonnen, um schneller Hilfe zu Verkehrsunfällen zu bringen. Mittlerweile finden aber nur noch knapp zehn Prozent aller Einsätze der ÖAMTC-Hubschrauber nach Verkehrsunfällen statt. Der größte Teil sind allgemeinmedizinische Notfälle oder alpine Freizeitunfälle. Dadurch hat der ÖAMTC in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr gesellschaftliche Verantwortung in Österreich übernommen. In diesem Bereich ist er unersetzbar geworden.
Vor einigen Jahren schon haben wir ein Leitbild für die Entwicklung des Clubs installiert, das wir "ÖAMTC 2020" nennen. Darin ist festgeschrieben, dass die Aktivitäten des ÖAMTC auf zwei wesentlichen Säulen ruhen: Die eine ist die Nothilfe, die andere die Alltagsbegleitung unserer Mitglieder – also eine Vielzahl von Dienstleistungen. Nicht alles, wobei wir helfen können, ist ja ein Notfall.
Die ÖAMTC-Flugrettung ist ein wesentlicher Faktor unserer Säule Nothilfe und ein zentraler, integrierter Bestandteil des Clubs. Ein wichtiges Thema ist zum Beispiel, wie künftig die medizinische Versorgung vor allem im ländlichen Bereich aussehen kann. In dieser Diskussion sind wir mitten drin – und Teil der Lösung. Es ist eine fantastische Aufgabe, als private, unabhängige Organisation, ähnlich wie das Rote Kreuz auch, an der Beantwortung solcher Fragen mitzuwirken.
— Beamen wir uns kurz ins Jahr 2046, wenn der ÖAMTC sein 150-jähriges Bestehen feiert. Wie wird die Mobilität der Menschen in Österreich dann aussehen und was wird der ÖAMTC für seine Mitglieder leisten?
Oliver Schmerold:Zunächst einmal: Die Entwicklung des ÖAMTC ist klar vorgegeben durch die Entwicklung der Mobilität. Wir folgen den Veränderungen, die sich in der Gesellschaft abspielen, und entwickeln entsprechende Serviceangebote dafür. Was jedoch nicht bedeutet, dass wir nicht aktiv mitgestalten wollen, das tun wir.
Dass es in den nächsten 30 Jahren im urbanen Bereich weniger Individualverkehr geben wird, ist ein Faktum. Stadtbewohner können vieles mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewerkstelligen. Trotzdem hat jeder Einzelne individuelle Mobilitätsbedürfnisse. Das bleibt bestehen. Die Frage für uns: Was bietet der ÖAMTC für die urbane Mobilität? Da geht es um Anschluss- oder Ergänzungsmobilität, Carsharing beispielsweise.
Im ländlichen Raum sehe ich eine noch größere Herausforderung, Mobilität spielt sich dort unter ganz anderen Rahmenbedingungen ab. Ich bin überzeugt, dass der ÖAMTC auch in 30 Jahren noch Stützpunkte betreiben und technische Dienstleistungen für Kraftfahrzeuge anbieten wird, aber er wird daneben vielleicht kleine Mobilitätszentren haben, in denen man sich über andere Mobilitätsformen informieren, sie buchen und in Anspruch nehmen kann.
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