Biegsam bis bombastisch

Sie war der Eyecatcher des Fernseh-Frühjahrs. Lili Paul-Roncalli kann zwar ihren Körper drama­tisch verbiegen, nur tanzen konnte sie nicht. Trotzdem gewann sie die RTL-Show „Let’s Dance“.

Vom Zirkuskind zur Dancing Queen. Lili Paul-Roncalli ist Kontorsionistin – verbiegt sich schlangenhaft in der Manege. Ihre Teilnahme an der der RTL-Fernseh-Show "Let's Dance" soll eine Herausforderung sein. Sie will einfach nur tanzen lernen. Doch Lili entpuppt sich als Bewegungstalent, gewinnt die Show mit Höchstnoten und zeigt Herz: Sie schenkt den Sieger-Pokal ihrem Tanzlehrer. Will nicht hinnehmen, dass nur Promis Trophäen erhalten.


Das Video: Lilis letzter Tango



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— Du bist die zweite Österreicherin, die "Let's Dance" gewonnen hat. Wie fühlt sich das an?

lili paul-roncalli: Es ist unglaublich. Eigentlich kann ich es immer noch nicht fassen. Ich habe mich einfach nur riesig gefreut. "Let's Dance" gehört für mich zu einem der besten und anspruchsvollsten Fernseh-Formate. Der Anreiz war: Ich konnte davor gar nicht tanzen, wollte es aber unbedingt lernen.

— Wie hält man das aus? Permanent beurteilt zu werden, von Zuschauern per Voting, dazu die knallharte Kritik der Jury, gerade der ehemalige Tanzprofi Joachim Llambi ist da wenig zimperlich?

lili paul-roncalli:Ich habe von meinen Eltern gelernt, dass Kritik, wenn sie konstruktiv ist, etwas Positives ist. Deshalb hatte ich eigentlich nie Angst, vor die Jury zu treten, denn ich wusste, wenn Herr Llambi etwas sagt, dann werde ich diese Kritik nutzen, um mich zu verbessern.

— Du wirkst so bescheiden  zurückhaltend, aber kaum auf dem Parkett, bist du Vulkan oder "Femme fatale". Wer ist die wahre Lili?

lili paul-roncalli:Lili ist Lili! Ich habe mich nie verstellt. Bei mir ist es nur so, dass ich von Natur aus sehr umsichtig bin. Bescheidenheit ist für mich auch eine Form der Höflichkeit. Es gibt doch schon genug Menschen, die viel daher quatschen, ohne wirklich etwas zu sagen.

— Komplexe Tanzschritt-Folgen, Takt und Rhythmus gehören ja nicht zum klassischen Repertoire einer Zirkus-Artistin, oder doch?

lili paul-roncalli:Es war eine Herausforderung, weil Tanzen von Natur aus völlig anders als Akrobatik ist. Ich hab gelernt, beim Gehen die Beine durchzustrecken. Jetzt musste ich aber viele Bewegungen mit abgewinkelten Beinen machen.

—  Dein Vater, Zirkusdirektor Bernhard Paul, war beim Finale im Studio anwesend, hatte Tränen in den Augen. Hat die Familie immer verstanden, warum du da mitmachst?

lili paul-roncalli:Meine Familie hat mich voll unterstützt, sie haben Woche für Woche mitgefiebert. Aber nicht nur die Familie, auch die gesamte Zirkus-Familie, alle unsere 250 Mitarbeiter. Das hat mir Kraft gegeben und mich motiviert.

— Den Siegerpokal hast du aber nicht behalten – warum?

lili paul-roncalli:Den Pokal habe ich nach dem Sieg meinem Tanzpartner Massimo geschenkt, denn ohne ihn wäre dieser Erfolg niemals möglich gewesen. Er ist ein fantastischer Lehrer und toller Mensch. Alles, was ich tänzerisch nun kann, hab ich von ihm gelernt. Deshalb war es mir wichtig, dass er den Pokal bekommt. Ich finde es ungerecht, dass die Profitänzer keinen Pokal bekommen – nur die Promis.

—  Oft bricht über die "Let's Dance"-Sieger ein medialer Tsunami herein. Was geht bei dir gerade ab?

lili paul-roncalli:Ich habe mich für einen antizyklischen Weg entschieden und erst mal eine Woche Ruhe genossen. Damit meine ich: Ich war zu Hause, habe viel geschlafen, viel gegessen und viel Zeit mit der Familie und meiner Mischlingshündin Chanel verbracht.

Lili, die Dancing Queen

— Ist es wahr, dass du schon bald neben Dieter Bohlen als Jurorin beim "Supertalent" dabei sein wirst?

lili paul-roncalli:Zu Gerüchten und Spekulationen will ich nichts sagen. Derzeit trete ich mit dem Zirkus Roncalli bei sogenannten Drive-in-Shows in Hannover und Mannheim auf. Das sind Zirkus-Live-Shows mit vielen Bildschirmen vor bis zu tausend Autos. Man kann sich das so wie früher im Autokino vorstellen.

— Für deinen letzten Tanz, einen orientalischen Freestyle, gab es von der Jury Standing Ovations. Trotzdem gab es danach Tränen. Was hat dich so aufgewühlt?

lili paul-roncalli:Na ja, ich hatte 15 Wochen so etwas in der Art wie Olympische Spiele hinter mir und ich wusste in diesem Moment: Das war mein letzter Tanz in dieser Show! Es hat sich angefühlt, als wäre ein riesiger Stein von meinen Schultern geplumpst. Ich bin nämlich im Grunde schon ein emotionaler Mensch, auch wenn ich das vielleicht nicht immer zeige. 

— Im Rückblick: Was war dein persönlich schwierigster Moment in dieser Staffel?

lili paul-roncalli:Der Trainingsunfall beim Charleston, als ich Massimo eine heftige Kopfnuss verpasst habe. Ich war gedanklich schon bei der nächsten Hebefigur. Am Ende war ich froh, dass es noch glimpflich ausgegangen ist. Vor diesem Tanz war ich dann in der Sendung besonders angespannt.

— RTL hat sich trotz Corona-Krise entschlossen, die Staffel nicht abzubrechen. Beim Tanzen kann man schwer Abstand halten. Wie habt ihr in dieser Zeit gelebt, trainiert, kommuniziert?

lili paul-roncalli:Die Produktionsfirma und RTL haben ein sensationelles Hygiene-Konzept vorgelegt. Und so habe ich mich die ganze Zeit über immer sicher gefühlt.

Lili, die Zirkus-Prinzessin

— Wirst du das Erlernte in Zukunft auch anwenden?

lili paul-roncalli:(lacht) Ja, klar! Jetzt bin ich endlich fit für den Wiener Opernball.

— Du bist ein Zirkuskind. Wie ist es, als Kind zwischen Zirkuswagen und Manege aufzuwachsen?

lili paul-roncalli:Für mich war es das Paradies, im Zirkus aufzuwachsen. Ich denke, jedes Kind träumt von so einer Kindheit.

— Du wolltest schon als Kind in die Manege. Aber obwohl der Herr Papa Direktor des Zirkus Roncalli ist, war es nicht so einfach.

lili paul-roncalli:Na ja, mein Papa wollte immer, dass wir unbeschwert aufwachsen. Aber es war ihm, aber auch mir wichtig, dass ich durch Leistung überzeuge und nicht nur deshalb auftrete, weil ich seine Tochter bin.

Für mich war es das Paradies, im Zirkus aufzuwachsen. Ich denke, jedes Kind träumt von so einer Kindheit.

Lili Paul-Roncalli, Schlangenfrau

— Wie alt warst du dann beim ersten Auftritt und was durftest du zeigen?

lili paul-roncalli:Bei meinem erstern Auftritt war ich neun. Es waren kleine lustige Einlagen in den Nachmittagsvorstellungen. Wie etwa ein Rad zu schlagen oder eine Nilpferd-Puppe, in der zwei Künstler versteckt waren, mit Bananen zu füttern. Erst als Teenager hatte ich richtige große Auftritte. Anfangs als Rollschuh-Artistin und später als Kontorsionistin. Parallel dazu hatte ich – wie alle  Zirkuskinder – privaten Schulunterricht.

— Kontorsionistin, das ist eine Schlangenfrau, also eine Akrobatin, die ihren Körper extrem verbiegen kann. Das tut ja schon beim Hinschauen weh…?

lili paul-roncalli:So einen Beruf kann man nicht erlernen. Dafür muss man schon die körperlichen Voraussetzungen und das nötige Talent mitbringen. Dazu kommt noch jede Menge Training, um fit und gelenkig zu bleiben.

— Meine Generation verbindet mit Zirkus immer auch Aufführungen mit exotischen wilden Tieren. Wie stehst du dazu?

lili paul-roncalli:Roncalli war 2018 der erste Zirkus der Welt, der Tiere als Hologramm eingesetzt hat. Diese Bilder gingen um die Welt. In über 152 Länder wurde darüber im Fernsehen berichtet. Gerade von der jungen Generation bekamen wir tollen Zuspruch. Seither vermissen unsere Besucher nichts mehr, sie sind wie verzaubert von der Illusion unserer holografischen Tiere.

— Was sind deine Lieblingsplätze auf der Welt?

lili paul-roncalli:Ich mag Köln, Düsseldorf, München, Hamburg, ganz besonders Wien, aber auch Linz an der Donau finde ich wunderschön.

Lilis Lieblingsfotos

— Hattest du nie das Bedürfnis, einfach nur abzuhängen oder auszugehen, die Nacht zum Tag machen? Alles, was junge Menschen eben so machen?

lili paul-roncalli:So etwas habe ich ehrlich gesagt noch nie gemacht, vermisse es auch nicht. Wir Zirkusleute sind eine große Familie. Auch alle Jungen in meinem Umfeld führen ein ähnliches Leben.

— … auch niemals daran gedacht auszubrechen, den Zirkus zu verlassen, etwas völlig anderes zu machen?

lili paul-roncalli:Wieso sollte ich? Ich lebe doch im Paradies.

— Du bist die jüngste von drei Geschwistern. Wer von euch wird den Zirkus Roncalli eines Tages weiterführen?

lili paul-roncalli:Unser aller Traum ist es, dass wir Geschwister gemeinsam die Tradition und das Erbe unseres Vaters weiterführen. Er hat sehr große Fußstapfen hinterlassen, die wir hoffentlich gemeinsam ausfüllen können.

Lili Paul-Roncalli


Lili wird am 4. Mai 1998 in München geboren 
Sie ist die jüngste von drei Kindern der Zirkus-Familie von Bernhard Paul und Eliana Larible
Im Alter von sechs Jahren beginnt sie mit dem Artistik-Training
Wie alle Zirkuskinder erhält sie Privat-Unterricht
2013: erster großer Manegen-Auftritt als Rollschuh-Artistin
Ab 2014 arbeitet sie als Kontorsionistin
2019 tritt sie als Life-Ball-Engel auf
2020: Als zweite Österreicherin nach Victoria Swarovski gewinnt sie die RTL-Tanzshow Let's Dance. 




Link:Zirkus Roncalli