"CO2-Steuer kommt 2022"
Klima- und Mobilitätsministerin Leonore Gewessler im Interview über Tempolimits, Klimaziele, alternative Kraftstoffe, E-Mobilität und CO2-Bepreisung.
Leonore Gewessler (Die Grünen) ist Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Von 2008 bis 2019 war die gebürtige Steirerin Geschäftsführerin der Umweltschutzorganisation Global 2000. Zum ersten persönlichen Interview in ihren Büroräumen im Ministerium nach dem Lockdown empfing sie Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung, und auto touring-Chefredakteur Peter Pisecker.
— Als eine Ihrer ersten Amtshandlungen haben Sie den Tempo-140-Versuch von Minister Hofer beendet. Planen Sie allgemein, die Tempolimits in Österreich zu senken?
Leonore Gewessler: Mit der Rücknahme von Tempo 140 sind wir wieder zum Normalzustand in Österreich zurückgekehrt. Weniger Tempo bedeutet weniger Abgase, also eine bessere Umwelt und Gesundheit für die Menschen, die dort leben. Wir haben berechnet, wenn sich alle Lkw nur an das geltende Tempolimit halten, hätten wir unmittelbar 5% weniger CO2-Emissionen.
— IG-L-Tempolimits sollen laut Regierungsprogramm noch konsequenter überwacht werden – bedeutet das flächendeckend Section Control?
Leonore Gewessler: Dafür sehe ich derzeit nicht den Bedarf..
— Sie haben angekündigt, die StVO in Hinsicht auf Benachteiligung von Fußgängern und Radfahrern zu überarbeiten. Welche Benachteiligungen meinen Sie?
Leonore Gewessler: Die StVO ist aus dem Jahr 1962, mit einigen Novellen zwischendrin. Wenn man sich überlegt, wie unsere Mobilität 1962 ausgesehen hat und wie sie jetzt aussieht, dann ist das ganz etwas anderes. Jetzt geht's darum, die StVO ins 21. Jahrhundert zu holen und für alle Verkehrsteilnehmer/-innen Sicherheit und den notwendigen Raum zur Verfügung stellen. Ein Beispiel wäre die in Deutschland soeben beschlossene Abstandsregel beim Überholen von Radfahrern und Radfahrerinnen.
— Es hat im Zusammenhang mit der Coronakrise Forderungen gegeben, das Regierungsprogramm neu zu verhandeln, der Vorarlberger Landeshauptmann Wallner hat sich in diesem Sinn zu Wort gemeldet. Viele Projekte, die im Regierungsprogramm stehen, kosten hohe Summen: z.B. die Nahverkehrsmilliarde für den ländlichen Raum oder das 1-2-3-Ticket. Werden diese Projekte wie angekündigt kommen?
Leonore Gewessler: Das Regierungsprogramm ist der Plan für die Legislaturperiode und der steht. Wir sind konfrontiert mit Schwierigkeiten in der Wirtschaft und wir haben die Klimakrise, wir müssen jetzt überlegen – und das machen wir –, wie wir am Weg aus dieser Krise die Weichen richtig stellen und welche Teile des Programms man auch vorziehen kann – gerade im Klimaschutzbereich. Das schafft Jobs, z.B. in der Bauindustrie. Klimaschutz ist das beste Konjunkturprogramm. Wir arbeiten mit Hochdruck an diesen Projekten.
— Aber die wirtschaftliche und budgetäre Situation hat sich durch Corona ja deutlich verändert.
Leonore Gewessler: Ich bin davon überzeugt: Wir werden investieren müssen. Gerade in dieser wirtschaftlichen Situation sind Investitionen ein Mittel, um Arbeitsplätze zu schaffen, die Wirtschaft zu stabilisieren und auch in Dinge zu investieren, die wir in der Zukunft brauchen. Wir haben jetzt fast 600.000 Menschen, die gerade arbeitslos sind, mehr als eine Million Menschen in Kurzarbeit, das muss es uns wert sein, sinnvoll zu investieren, um uns gegen diese Krise zu stemmen. Und auch gegen die nächste große Krise – die Klimakrise.
— Alternative Kraftstoffe sind ein Weg, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Angeblich gibt es einen fertigen Entwurf zur Einführung von E10 (Beimengung von 10% biogenem Anteil im Kraftstoff) – wann wird er veröffentlicht?
Leonore Gewessler: Wir wollen verhindern, dass E10, wenn es eingeführt wird, noch nicht das Vertrauen der Menschen hat, so wie es in Deutschland passiert ist. Sobald alle technischen Details mit den Automobilimporteuren geklärt sind, wird die Verordnung auf den Weg gebracht.
— Wird eine solche Kraftstoffzusammensetzung bei den Flottenzielen angerechnet, werden Sie das im EU-Rat unterstützen?
Leonore Gewessler: Die Aufgabe der Flottenziele ist es, sicherzustellen, dass die Autos, die man in Zukunft benutzen wird, emissionsfreie Antriebe haben. Eine andere, davon unabhängige Frage ist, was machen wir mit den Autos, die wir derzeit schon haben. Da ist die Beimischung ein Thema und wir arbeiten daran, dass das möglichst schnell Realität wird.
Wir arbeiten daran, dass E10 – die Beimischung von 10% biogenem Anteil im Kraftstoff – möglichst schnell Realität wird.
Leonore Gewessler, Klima- und Mobilitätsministerin
— Die Klimaziele für 2030 sollen nach einem Vorschlag der EU-Kommission von 40 auf 55% erhöht werden. Das würde für den Non-ETS-Bereich (CO2-Emittenten außerhalb des Zertifikatehandels) in Österreich rund 61% Einsparungsnotwendigkeit bis 2030 bedeuten.
Leonore Gewessler: Da wissen Sie schon mehr als ich. Die konkreten EU-Ziele für Österreich sind ja noch nicht festgelegt.
— Meine Frage: Sie haben mit einigen Kollegen aus anderen Mitgliedsstaaten in einem Brief an die EU-Kommission ein noch höheres Ziel gefordert. War dieser Vorstoß in der Bundesregierung abgestimmt?
Leonore Gewessler: Wir – 18 Umwelt- und Klimaminister/-innen aus unterschiedlichen Ländern der EU – haben in einem Brief von der Kommission gefordert, dass sie mit dem Green Deal genau das versucht, was die Bundesregierung in Österreich macht: nämlich Klimaschutz und die Wirtschaftsimpulse, die wir auf dem Weg aus dieser Krise jetzt brauchen, unter einen Hut zu bringen.
Die EU-Kommission hat sich als Ziel gesetzt, Europa zum ersten Kontinent zu machen, der 2050 wirklich klimaneutral ist – nicht nur, weil es für den Klimaschutz sinnvoll ist. Die EU hat das immer als Wirtschafts- und Wachstumsstrategie gesehen, darin liegen die Chancen für unsere Wirtschaft und für die Arbeitsplätze der Zukunft.
— Das Ziel ist ja unbenommen, aber eine Verschärfung auf 55% oder mehr bedeutet, runtergebrochen auf den Verkehrsbereich, 70 bis 80% Einsparungsnotwendigkeit beim Pkw. Wie soll sich das ausgehen?
Leonore Gewessler:Ja, unbestritten, wir haben im Verkehr sehr große Aufgaben, deswegen ist das Kapitel im Regierungsprogramm auch eines der längsten Kapitel überhaupt. Wir müssen den öffentlichen Verkehr leistbar machen, in der E-Mobilitäts-Infrastruktur aufholen, E-Mobilität überhaupt ausbauen. Viele Aufgaben, aber das Teuerste und das Schwierigste, was wir tun könnten, ist nichts zu tun. Selbstverständlich werden wir auch in Zukunft Auto fahren, die Fragen sind: Wie viel, mit welchem Auto, welchen Antrieb hat das Auto und wieviel verbraucht es?
— Dennoch ist das Ziel von 70 bis 80% CO2-Einsparung beim Pkw sozial verträglich nicht erreichbar.
Leonore Gewessler:Was das Ziel prozentuell wirklich am Ende bedeutet, ist nochmal eine ganz andere Diskussion. Unbestritten viel, das ist klar, doch wir haben gerade in den letzten Monaten gesehen, was wir gemeinsam stemmen können. Wir haben uns mit viel Einsatz, mit guter Zusammenarbeit quer über alle Ministerien, auch indem wir auf die Wissenschaft gehört haben, mit voller Energie gegen die Coronakrise gestemmt und wir haben es geschafft, die Ausbreitung in Schach zu halten. Dasselbe müssen wir bei der Klimakrise machen. Die Alternative, nichts zu tun, gibt es dort wie da nicht, und deswegen überlegen wir doch gemeinsam, wie wir dorthin kommen.
— Wenn Sie Autofahren nicht unleistbar machen oder verbieten, was ich Ihnen beides nicht unterstellen möchte, geht sich das von den Zahlen her nicht aus. Es geht um die Realisierbarkeit…
Leonore Gewessler:Ich würde nicht hier sitzen, wenn ich nicht davon überzeugt wäre, dass es realisierbar ist. Beispiel E-Mobilität: Wir fördern im ersten Schritt die Umstellung der großen Fahrzeugflotten, etwa in der Verwaltung oder bei Taxis. Diese großen Einkaufs- und Absatzmengen stimulieren den Handel, sie geben den Herstellern eine Planungssicherheit und das führt dazu, dass ein Gebrauchtwagenmarkt für E-Autos entsteht. Das ist ein großer Hebel.
— Beim Laden an öffentlichen Ladestellen bieten derzeit alle Energieversorger Zeittarife an. Der ÖAMTC kritisiert das, weil es vorkommen kann, dass – aus welchen Gründen auch immer – nur wenig Energie fließt, aber doch die Zeit verrechnet wird, die das Auto an der Ladesäule steht. Die Energieversorger berufen sich da auf eine Bestimmung im Eichwesen, die ihnen untersagen würde, in Kilowattstunden abzurechnen. Werden Sie da aktiv werden?
Leonore Gewessler:Ja, ganz klar. Ich habe in meiner Familie selbst ein E-Auto und darin liegen fünf verschiedene Ladekarten. Es muss für den Kunden und für die Kundin vor dem Laden an einer Station transparent sein, wie viel es kosten wird. Es gibt dazu erste Schritte, z.B. mit dem Ladestellenregister, aber da braucht es sicher mehr und das werden wir angehen.
— Ein Nebenschauplatz des Themas Ladeinfrastruktur ist das Baurecht. Im Regierungsprogramm ist festgehalten, dass in allen Neubauten Lademöglichkeiten eingebaut werden sollen und in Bestandsbauten Nachrüstung möglich sein soll. Dafür muss man die Bauordnung ändern, die ist jedoch Länderkompetenz. Wie wird das gehen?
Leonore Gewessler:Bei der Frage der E-Mobilität haben wir wirklich eine gemeinsames Interesse. Es geht um Praktisches: Wenn ich in einem Haus wohne, in dem mehrere Parteien leben, geht's um die Installierung einer Steckdose neben meinem Parkplatz. Für diese Frage des "right to plug", also das Recht, eine Lademöglichkeit zu montieren, braucht es Änderungen im Wohnrecht. Wir sind dazu im Gespräch mit dem Justizministerium, aber natürlich können bei Neubauten auch die Länder über die Bauordnung ihren Beitrag leisten.
— Aber tun sie es auch? Gibt es da nicht Widerstände aus den Bundesländern?
Leonore Gewessler:Wichtig ist, dass wir alle zum gemeinsamen Ziel hinarbeiten und das haben wir mit diesem Regierungsprogramm sehr deutlich gemacht: Wir wollen sicherstellen, dass Österreich 2040 klimaneutral ist – also ganz vorne dabei, wenn es um den Klimaschutz geht. Da hat der Bund eine Verantwortung, da haben die Bundesländer Verantwortung, da haben die Gemeinden eine Verantwortung, da müssen alle an einem Strang ziehen, und daran arbeiten wir gerade.
— Die Regierung will eine CO2-Besteuerung einführen. Soll es für das Freisetzen von CO2 grundsätzlich einen einheitlichen Preis geben?
Leonore Gewessler: Jede Tonne CO2, die wir jetzt ausstoßen, macht unser Leben in Zukunft schwieriger. Wenn die Klimakrise einmal da ist, wird der Krisenzustand, den wir jetzt in der Coronakrise kennengelernt haben, zum Dauerzustand, und das kann niemand von uns wollen.
Eine CO2-Bepreisung ist ein wichtiger und notwendiger Baustein und wird in Österreich 2022 kommen. Es ist aber wichtig, für die unterschiedlichen Bereiche, von der Industrie über die Landwirtschaft bis zur Mobilität, passende Ansätze zu finden – ein für Österreich sinnvolles Modell zu entwickeln, das ökologisch gescheit und sozial gerecht ist. Ein Stahlwerk ist etwas anderes als ein Kleinwagen, der von A nach B fährt, deswegen muss man ein für die unterschiedlichen Bereiche passendes System entwickeln.
— Soll diese CO2-Bepreisung bereits bestehende CO2-relevante Steuern wie die Mineralölsteuer ersetzen?
Leonore Gewessler: In der Taskforce der Regierung zur ökosozialen Steuerreform schauen wir uns gerade die unterschiedlichen Modelle an. Es gibt Modelle, die auf bestehenden Steuern aufsetzen. Wir prüfen, welches das sinnvollste Modell ist, das umweltfreundliche Mobilität belohnt und gleichzeitig einen sozial gerechten Ausgleich schafft. Das ist die Aufgabe der Arbeitsgruppe für die nächsten Monate.
— Über Emissionszertifikate bezahlt die Industrie ungefähr 25 Euro pro Tonne CO2, die sie verursacht. Als Konsument bezahle ich jetzt schon über die Mineralölsteuer umgerechnet 165 bis 220 Euro je Tonne CO2. Warum sollen die Konsumenten, die bereits fast das Zehnfache zahlen, nochmals drauflegen? Sie haben die Einführung einer CO2-Steuer ja explizit auf den Non-ETS-Bereich beschränkt.
Leonore Gewessler: Wie gesagt, es werden alle Bereiche ihren Beitrag leisten müssen, auch die Industrie, auch die Landwirtschaft. Unsere CO2-Emissionen müssen stark sinken, und aktuell steigen sie. Da haben wir eine große Aufgabe, und jetzt geht's darum, alle Möglichkeiten zu nutzen, damit wir diese Aufgabe meistern.
Es geht ja bei einer ökosozialen Steuerreform nicht um "mehr", sondern um "anders" – das heißt, auf der einen Seite wird CO2 bepreist, auf der anderen Seite werden diese Einnahmen rückvergütet, indem Maßnahmen wie ein Ökobonus für jeden Haushalt finanziert werden. In diesem Sinn entwickeln wir ein Modell für Österreich, das beide Ziele erfüllt – g'scheit für die Umwelt und sozial gerecht.
— Um den Tanktourismus in Österreich effektiv zu bekämpfen, müssten Sie die Mineralölsteuer erhöhen. Haben Sie das vor?
Leonore Gewessler: Ich möchte die Frage anders stellen: Was heißt Tanktourismus? Tanktourismus bedeutet eine Gesundheitsbelastung für die Menschen vor Ort, heißt Stau, heißt Lärm. Den Menschen in Tirol reicht's und ich kann es verstehen. Wir müssen hier etwas tun, um dieses Problem in den Griff zu kriegen.
Der Schwerverkehr fährt nicht über den Brenner, weil das die kürzeste Strecke ist, sondern aus verschiedensten Gründen. Ein Grund dafür ist der Tanktourismus.
Leonore Gewessler, Verkehrsministerin
— Aber die Lkw fahren ja nicht wegen des Tanktourismus durch Tirol, sondern weil sie Güter von Nordeuropa nach Südeuropa transportieren. Der Tanktourismus führt nur dazu, dass sie in Österreich tanken und die daraus resultierenden Emissionen der österreichischen CO2-Bilanz angerechnet werden. Es wird nicht weniger Schwerverkehr durch Tirol fahren, wenn man den Tanktourismus abschafft, er wird nur nicht mehr in Österreich tanken.
Leonore Gewessler: Also wenn man sich das Transitthema anschaut, dann haben wir über den Brenner so viele Lkw-Fahrten wie auf allen anderen Alpenquerungen zusammen. Das liegt nicht daran, dass das für alle die kürzeste Strecke ist, sondern sie wählen diese Route aus verschiedensten Gründen. Ein Grund dafür ist der Tanktourismus. Und wir müssen einfach alle Hebel nützen, um die Menschen in Tirol, aber auch alle anderen Österreicher vor der Transitlawine zu schützen.
— Der ÖAMTC hat vorgeschlagen, wenn man die Mineralölsteuer erhöht, um den Tanktourismus abzuschaffen und die Klimabilanz richtigzustellen, dann als Kompensation die motorbezogene Versicherungssteuer zu senken. Ist das für Sie vorstellbar?
Leonore Gewessler: Wir diskutieren alle Themen der ökosozialen Steuerreform in einem Gesamtpaket, weil es insgesamt darum geht, das Steuersystem so zu verändern, dass es ökologisch und sozial Sinn macht, und da werden wir alle Vorschläge zusammentragen und besprechen und dann eine Lösung finden. Danke für die Vorschläge des ÖAMTC!
— Im Rahmen der ökosozialen Steuerreform wollen Sie beispielsweise die Pendlerpauschale ökologisieren. Was heißt das genau?
Leonore Gewessler: Die Pendlerpauschale ist so zu verändern, dass diejenigen, die umweltfreundlich unterwegs sein möchten, einen größeren Vorteil davon haben. Auch beim Dienstwagenprivileg muss es einen Unterschied machen, ob die Caritas-Heimhilfe mit dem Fiat Panda durchs Waldviertel fährt oder ob jemand mit einem möglichst großen Dienstwagen ins Wochenendhaus jettet.
Derzeit werden Pendler, die den öffentlichen Verkehr nützen, benachteiligt, sie erhalten die Pendlerpauschale erst, wenn sie über 20 Kilometer pendeln, und wer mehr verdient, bekommt mehr. Das sind zwei Aspekte der Pendlerpauschale, die man sich auf jeden Fall anschauen muss. Also Fairness auf der sozialen Seite und auf der Umweltseite. Ich will diese beiden Ziele nicht gegeneinander ausspielen, wir werden eine Lösung finden müssen, die beide Ziele voranbringt.
— Mobility-as-a-Service (MaaS): Im Regierungsprogramm bekennen Sie sich zur Einführung dieser multimodalen Kombiangebote, meist über eine App, und wollen eine nationale Buchungsplattform mit diskriminierungsfreiem Zugang schaffen. Wann wird es das geben?
Leonore Gewessler: Unser Ziel ist, dass wir österreichweit eine Plattform haben, die mir die umweltfreundlichste Weggestaltung vorschlägt und Zugang zu den unterschiedlichen Verkehrsmitteln bietet, sodass es wirklich für jeden von uns bequem wird, von A nach B zu kommen. An der Realisierung dieser Buchungsplattform arbeiten wir, so schnell es irgendwie möglich ist.
— Sehen Sie das Geschäftsfeld MaaS exklusiv für öffentliche Verkehrsanbieter oder gibt es Ihrer Meinung nach auch Raum für private Anbieter?
Leonore Gewessler: Klar, das Feld der Mobilität ist vielfältig und es gibt viele verschiedene Anbieter für viele unterschiedliche Bedürfnisse. Deswegen ist es ja so wichtig, dass wir eine Plattform haben, die alle Anbieter integrieren kann, die diskriminierungsfrei ist und die für die Großen wie die Kleinen funktioniert. Deswegen arbeiten wir im Ministerium daran und überlassen das Feld nicht den Internetgiganten aus den USA.
— Wie kann ein solches Geschäftsmodell für private Betreiber aussehen?
Leonore Gewessler: Da geht's darum, ein sinnvolles Modell zu entwickeln, das vor allem auf die tatsächlichen Mobilitäts-Bedürfnisse Rücksicht nimmt, die sind ja oft sehr unterschiedlich. Eine Gemeinde, eine Region können am besten abschätzen, was es vor Ort braucht und wie man das am besten integriert. Bundesweit schaffen wir die Rahmenbedingungen.
— Im ländlichen Raum gibt es in vielen Gemeinden Österreichs bereits Micro-ÖV-Projekte, die meist daran gescheitert sind, dass es keine dauerhafte Finanzierung gab. Können Sie die sicherstellen oder wird es hier explizit Förderungen geben?
Leonore Gewessler: Wir leisten über unterschiedlichste Programme viel an Anschubfinanzierung, um weiterhin innovative Projekte zu fördern, mit denen getestet werden kann, ob ein bestimmtes Konzept in einer bestimmten Region funktioniert. Diese Anschubfinanzierung kann das Ministerium beitragen und wird das auch weiterhin tun.
— Aber keine dauerhafte Finanzierung?
Leonore Gewessler: Wir haben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilte Verantwortlichkeiten – wir schaffen auf Bundesebene die Basis, wir finanzieren die Bahndienstleistung als Rückgrat der öffentlichen Mobilität, aber es müssen viele Akteure zusammenspielen und gemeinsam Lösungen finden, damit ein gemeinsames Ganzes im öffentlichen Verkehr funktioniert.
— Gerade im ländlichen Raum wird der ÖV oft nicht entsprechend angenommen, fährt also oft leer. Wäre es hier nicht sinnvoll, die Geldverteilung generell, damit aber auch die Bestellpraxis von ÖV im ländlichen Raum zu überdenken? Nicht mehr Strecken, sondern vielmehr eine Region zu versorgen?
Leonore Gewessler: Wir wollen in Österreich in der Fläche Mobilitätsgarantie, das heißt, in ganz Österreich soll es ein verlässliches Angebot geben, am besten im Stundentakt, auch außerhalb der Stoßzeiten. Im Bregenzer Wald sieht man ein gutes Beispiel, da gibt es einen Stundentakt und gute Umsteigemöglichkeiten, weil die Busse gut aufeinander abgestimmt sind, und dann wird das Angebot auch angenommen. Es ist unsere Aufgabe, dass man dieses Angebot auch gemeinsam mit den Bundesländern sicherstellt.
— Vernetztes Fahren macht die Erhebung großer Datenmengen notwendig, Stichwort gläserner Autofahrer. Wem gehören Ihrer Meinung nach die Daten aus dem Fahrzeug, dem Fahrzeughalter bzw. Fahrer oder dem Hersteller?
Leonore Gewessler: Mir ist ganz wichtig, dass Autofahrer/-innen einerseits Transparenz und andererseits Wahlfreiheit haben, was mit den Daten passiert. Das gilt es sicherzustellen, in allen Lebensbereichen.
— Die EU-Kommission hat dieses Thema für 2021 auf der Agenda. Werden Sie sich für das Verfügungsrecht der Konsumenten einsetzen?
Leonore Gewessler: Ja, das sollte Standard sein, das war ja auch der Ursprungsgedanke der Datenschutzgrundverordnung.
— Sie sind die erste grüne Verkehrsministerin Österreichs. Woran soll das am Ende Ihrer Amtszeit sichtbar sein?
Leonore Gewessler: Wir sind aktuell in einer Ausnahmesituation – wir haben in dieser Corona-Krise gesehen, was Krise heißt und wie sich das anfühlt. Und wenn die Klimakrise einmal da ist, dann wird dieser Krisenzustand zum Dauerzustand. Das müssen wir verhindern. Da sind wir alle gefordert, auch im Bereich der Mobilität, und daher haben wir uns vorgenommen, an ganz vielen verschiedenen Schrauben zu drehen.
Wir alle wollen mobil sein, ob per Öffis, Auto oder Rad. Meine Aufgabe ist es dafür zu sorgen, dass wir alle so umweltfreundlich, so bequem und auch so leistbar wie möglich unterwegs sind. Also sichtbar: hoffentlich vieles. Vom 1-2-3-Ticket bis zu integrierter Mobilität.