Das Comeback der Kellys
Am 9. März spielt die Kelly Family in der Wiener Stadthalle – wiedervereint fast wie in alten Zeiten. Angelo Kelly im Interview über den Erfolg, die Auszeit mit seiner Familie im Wohnwagen und über Zukunftspläne.
In den 90er-Jahren füllte Angelo mit seinen acht Geschwistern als The Kelly Family ein Stadion nach dem anderen und räumte sämtliche Preise ab. In den letzten Jahren wurde es ruhiger um die Großfamilie, jeder konzentrierte sich auf den eigenen Lebensweg. Letztes Jahr feierten die Kellys ihr großes Comeback in der Westfalen-Halle in Dortmund, wo ihre Karriere 1994 begonnen hat. Während der drei ausverkauften Konzerte an nur einem Wochenende schlief Angelo mit seiner Frau und seinen fünf Kindern in einem alten Wohnwagen hinter der Halle. "Das war ein schöner Kontrast zu den Shows, und Spaß hatten wir auch", erzählt Angelo Kelly.
Ich hatte nie vor, mit meinen Kindern Musik zu machen. Das hat sich auf der langen Reise ergeben. Heute bin ich sehr froh darüber.
Angelo Kelly, Musiker
"Ich wollte Zeit mit meiner Familie verbringen"
— Du bist mit deiner Familie drei Jahre lang mit diesem Wohnwagen durch Europa gereist. Wie kam es dazu?
Angelo Kelly:Ich bin als Kind – quasi mein halbes Leben – in Bussen, Wohnwägen und auf unserem Hausboot aufgewachsen. Ich hatte in den letzten Jahren das Reisen und die Freiheit vermisst. Ich habe mit meiner Familie in einer kleinen Wohnung in Bonn gewohnt und wir hatten nicht viel Geld. Ich versuchte meine Solo-Karriere auf die Beine zu stellen und war viel auf Tour, habe meine Kinder kaum gesehen.
Wach gerüttelt hatte mich dann der Sturz meiner damals dreijährigen Tochter. Sie flog von der Rutsche und wäre im Sand fast erstickt. Eine Sekunde kann ein Leben komplett verändern. Am nächsten Tag fragte ich meine Frau, ob wir alles hinter uns lassen wollen, um mit einem Bus quer durch Europa zu reisen. Mein Plan war, das Geld mit Straßenkonzerten zu verdienen.
— Den Bus habt ihr dafür gekauft?
Angelo Kelly: Ich habe sechs Monate lang das ganze Internet durchforstet und mir unterschiedlichste Fahrzeuge angesehen – sogar Pferdetransporter. Nichts war dabei. Ich hatte nur ein kleines Budget: 15.000 Euro ist für einen Wohnwagen nicht viel. Der Wagen sollte ja wintertauglich und groß genug für meine Familie und mich sein. Durch Zufall hat mein Bruder Joey einen Mercedes 187 in einer Werkstatt entdeckt. Der Wohnwagen aus dem Jahr 1992 war perfekt für uns, er hatte auch nur 130.000 Kilometer am Tacho. Meine mühevolle Internet-Recherche war somit umsonst (lacht).
— Und was zeigt der Tacho heute an?
Angelo Kelly: Der Camper hat jetzt etwa 260.000 Kilometer hinter sich. Wir hatten ja in den drei Jahren keine Eile. Wir waren sehr flexibel – wenn es uns gefallen hat, dann sind wir einfach länger an einem Ort geblieben. Das ist das Schöne an dieser Art zu reisen.
Von der Riesen-Bühne zurück auf die Straße
— Hattet ihr von Anfang an geplant, drei Jahre unterwegs zu sein?
Angelo Kelly:Ich wollte mindestens ein Jahr kein Showgeschäft und keine Konzerte machen, einfach reisen und Zeit mit meiner Familie verbringen – und Straßenkonzerte geben. Ich dachte mir, wenn wir die Kosten sehr klein halten, muss ich auch sehr wenig spielen.
— Bei deinem Konzert am Donauinselfest in Wien 1995 hatte die Kelly Family 250.000 Zuschauer. Wie war es während des Roadtrips für dich, auf der Straße zu spielen?
Angelo Kelly: Ich habe die Straße tatsächlich neu für mich entdeckt, denn als ich als kleiner Junge mit meinem Vater und meinen Geschwistern Auftritte gegeben habe, waren die härtesten Straßenzeiten der Kelly Family schon vorbei. In der Fußgängerzone spielen mit Gitarre und ohne Anlage, das ist doch was ganz anderes. Ich hab richtig geschrien (lacht).
Mein erster Tag auf der Straße war total verregnet, es waren kaum Leute unterwegs. Ich stand da irgendwo in Frankreich in einer Fußgängerzone. Am Ende des Tages hatte ich 30 Euro verdient. Ich dachte mir, wie soll ich meine Familie ernähren? Das wird nicht klappen.
Als Straßenmusiker musste ich erst einmal begreifen, wann und wo ich am besten spiele. Aber auch, wie ich mich den Passanten gegenüber benehmen soll. Der klassische Fehler: Man legt den Korb mit dem zugeworfenen Geld vor die eigenen Füße. Die Leute trauen sich aber oft nicht, so nahe zu kommen. Zwei Meter Entfernung ist oft besser.
Wir sind auch überwiegend in Länder gereist, in denen man mich nicht so kennt. Das war mir sehr wichtig. In Deutschland waren wir nicht und in Österreich auch nur während der Durchreise.
— Hast du deine Familie zu den Straßenkonzerten mitgenommen?
Angelo Kelly: Ab und zu hatten meine Kinder auch Lust mitzukommen. Das war dann meistens an einem Sonntag und relativ kurz. Um ihr verdientes Geld durften sie sich Eis oder Süßigkeiten kaufen. Das fanden sie natürlich sehr lustig. Wir haben es nur ein paar Mal ausprobiert – damals waren sie ja noch jünger. Und sie hatten mit der Musik nicht wirklich was am Hut. Das fing erst später an.
"Ich habe aus Fehlern gelernt"
— Heute gehst du mit deiner Frau und deinen Kindern auf Tournee. War das immer schon dein Traum?
Angelo Kelly:Nein, das hatte ich nicht vor. Ich war sehr mit meiner Solo-Karriere beschäftigt und hatte viele Ideen. Auf dieser langen Reise im Wohnwagen hatte ich genügend Abstand von allem. Es war einfach viel lockerer. Das Showgeschäft stand nicht mehr im Vordergrund, wir hatten mehr Zeit und Ruhe, gemeinsam zu musizieren.
Es hat sich langsam alles entwickelt. Anfangs haben die Kinder drei Songs bei einem Konzert gesungen, dann wurde es immer mehr, und mittlerweile haben sie die Bühne für sich (lacht). Wir haben CDs produziert und gehen auf Sommer- und Weihnachtstour – am 14. Dezember sind wir in der Stadthalle in Wien.
Wichtig ist, dass meine Kinder Spaß daran haben. Zu viele Konzerte dürfen es nicht werden, da ich ihnen nicht den Druck zumuten möchte, den ich damals als Teenager gehabt habe. Das kann auch hässlich ausgehen.
— Was machst du heute anders?
Angelo Kelly: Ich habe das Glück, dass ich aus gewissen Fehlern gelernt habe. Diese Erfahrung hatte mein Vater, als er mit uns auf Tournee ging, damals nicht.
Wir wurden von heute auf morgen sehr berühmt. In den 90ern war ich täglich in der Bild-Zeitung und jede Woche in der Jugendzeitschrift Bravo abgebildet, das möchte ich meinen Kindern ersparen. Ich möchte aber diese Zeit nicht missen. Ich achte heute einfach auf gewisse Dinge und mache alle Interviews selbst und schau, dass wir nur ab und zu in einer TV-Show auftreten.
"Ich hatte Tränen in den Augen"
— Die Kelly Family hat in den 90er-Jahren mit "An Angel" den Durchbruch geschafft. Beim "Schlagercountdown – Das große Premierenfest" vor einem Jahr hast du genau diesen Song mit deiner Tochter Emma gesungen. Wie war das für dich?
Angelo Kelly: Es war ein besonderer Moment, ich war sehr gerührt. Dieser Song bedeutet für viele Menschen sehr viel, natürlich auch für mich. Meine Tochter war damals elf Jahre alt, ich hatte den Song fast in dem gleichen Alter gesungen. Sie hat es auf ihre eigene Art gemacht – ich hatte danach Tränen in den Augen.
— Werden deine Kinder mit auf Kelly Family-Tour kommen?
Angelo Kelly: Nein, das nicht. Bei der Kelly Family liegt der Fokus auf das Zusammenkommen der Geschwister und wir wollen nicht alles zu chaotisch machen.
1980er: Mit sieben Jahren hat Angelo bereits seinen ersten Song "Pee-Pee" gesungen.
— Was sagen deine Kinder dazu, wenn sie alte Kelly Family-Videos und Fotos sehen?
Angelo Kelly: Sie sind fasziniert, finden sie interessant und teilweise auch lustig. Über das große Comeback letztes Jahr haben sie sich fast mehr gefreut als meine Geschwister und ich, denn jetzt können sie diese großen Konzerte und die Stimmung selbst miterleben, über die wir immer gesprochen haben.
Nach den ersten Konzerten hat mein Sohn Gabriël gesagt: "Papa, du bist richtig cool!" Das heißt schon sehr viel, weil für einen 16-Jährigen ist der Papa nicht immer cool. Während meines Schlagzeug-Solos werde ich samt dem Podest in die Luft gezogen. Das war echt eine Riesen-Show. Da habe ich viele Punkte bei Gabriël gesammelt. Aber eine Woche später war ich wieder uncool. Es hat leider nicht ewig gehalten (lacht).
— Wieviel hast du früher Schlagzeug trainiert?
Angelo Kelly: Ich habe sehr viel Zeit und Energie ins Schlagzeugspielen investiert und für über zehn Jahre lang sechs bis sieben Stunden pro Tag geübt. Ich hatte echt tolle Lehrer.
— Gibt es nun The Kelly Family wieder?
Angelo Kelly: Die Tour ist nur bis zum Sommer geplant – im Juli sind wir übrigens auch in Dornbirn und in Salzburg. Es ist unglaublich: Die meisten Konzerte sind ausverkauft. Wie es weitergeht, steht noch in den Sternen. Meine Geschwister haben ja auch ihr eigenes Business. Und ich möchte in den nächsten Jahren weiterhin mit meinen Kindern gemeinsam Musik machen.
"Vielseitigkeit hilft Künstlern"
— Du hast über 30 Jahre Musik-Erfahrung. Dir wurde die Musik quasi in die Wiege gelegt, du warst schon als Baby mit auf Konzerten. Wie gehst du mit kreativen Blockaden um?
Audio-Live-Auszug aus dem Interview.
"Wir sind sechs Chefs – das ist mühsam"
— Du arbeitest ständig mit deiner Familie zusammen – ob Geschwister, Ehefrau oder Kinder. Ist das nicht eine Herausforderung?
Angelo Kelly: Mit der eigenen Familie ist es bisschen so, wie es auch früher mit meinem Vater war. Es gibt einen Chef und das bin ich. Weil ich einfach die Erfahrung habe, auch musikalisch. Das ergibt sich von selbst.
Wenn man mit Kindern arbeitet, muss man mehr Feingefühl haben. Sie trauen sich manchmal etwas nicht und man muss ihnen helfen. Jedes Kind ist aber anders und auch jedes Alter. Es funktioniert relativ reibungslos – natürlich gibt es auch stressige Tage, aber das kommt in jeder Familie vor.
Mit meinen Geschwistern ist das anders. Was heute am schwierigsten ist:dass wir so lange getrennt waren. Dadurch ist jeder sehr eigenständig geworden – das ist natürlich gut. Aber jeder steht auf seinen eigenen Beinen und lässt sich wenig sagen, wir sind alle dickköpfig. Jeder ist sein eigener Chef.
— Mit sechs Chefs zu arbeiten, stell ich mir auch schwierig vor.
Angelo Kelly: Total! (lacht) Wir haben jetzt schon sehr, sehr viel erreicht: Wir haben mit dem neuen Album "We Got Love – Live" bereits Platin erhalten und bestimmt bald Doppelt-Platin. Die Tour ist fast komplett ausgekauft. Es ist einfach unglaublich, aber wenn wir nur einen Chef hätten, dann hätten wir vielleicht das Doppelte erreicht. In der heutigen Zeit muss man schnell reagieren. Bei uns muss jede Entscheidung immer von sechs Personen getroffen werden.
Das Interview ist auch in der auto touring März-Ausgabe 2018 erschienen.
Steckbrief: Angelo Kelly
Sein größter Hit: "I Can't Help Myself"
Geboren 1981 in Pamplona (Spanien) als Jüngster von 12 Kindern
Wohnt seit 2013 mit seiner Frau Kira und seinen fünf Kindern in Irland
Sänger, Schlagzeuger, Songwriter, Produzent
Erste Gesangspassage mit 4 Jahren: "I'm Sorry"
Erster Song "Pee-Pee" mit 7 Jahren
The Kelly Family: ab den 1990ern mehr als 20 Millionen verkaufte Tonträger
48 Gold- und Platin-Auszeichnungen
Größter Hit: "I Can't Help Myself"
Neues Album: "We Got Love – Live" (2017, The Kelly Family)
Kelly Family-Österreich-Tour 2018: 9. 3. (Wien), 6. 7. (Dornbirn), 7. 7. (Salzburg)
"Angelo Kelly & Family" Irish Christmas-Tournee mit seiner Frau und seinen 5 Kindern: 14. 12. 2018 (Wien)