Die Neue bei den "Vorstadtweibern"
Normalerweise fangen Schauspieler klein an – nicht jedoch Alina Schaller. Die 22-Jährige war bereits für den Nestroy-Preis nominiert und zeigt sich aktuell vor einem Millionenpublikum in der 4. Staffel der ORF-Serie "Vorstadtweiber".
Die junge Schauspielerin Alina Schaller ist als "Alma" immer montags auf ORF 1 in der neuen Staffel der Erfolgsserie "Vorstadtweiber" zu sehen. Schon als Kind baute sich Alina ihre eigene Bühne im Wald oder auch daheim, schlüpfte in Rollen und lebte in ihrer Fantasiewelt. Den sicheren Rückhalt für ihren Traumberuf hat Alina von ihren Eltern bekommen.
Schauspielausbildung hat sie keine – dafür jede Menge Erfahrung, vom Theater über das Kino bis zum Film.
"Ich hatte immer so ein Megaglück, dass ich mit Regisseuren und Schauspielern zusammenarbeiten konnte, von denen ich extrem viel gelernt habe und das immer noch tue", strahlt das neue "Vorstadtweib".
— Wie ist es, mit Größen wie Nina Proll oder Maria Köstlinger zu arbeiten?
Alina Schaller:Ich dachte mir, dass sie vielleicht zurückhaltend sind, aber sie waren beim Dreh alle so nett und haben mich super aufgenommen. Und dass ich das Küken am Set war, war vielleicht auch ein Vorteil (lacht). Wir haben aber trotzdem auf Augenhöhe miteinander gearbeitet.
— Viele fragen sich bestimmt: Wie hat Alina es geschafft, die Rolle der Alma zu bekommen?
Alina Schaller:Ich habe mich einfach beworben. Lustigerweise war das mein simpelstes Casting, das ich je hatte. Normalerweise durchläuft man bis zu fünf Runden und es sind viele Mädels vor Ort, die einem ähnlich sind. Nach der ersten Runde bekam ich aber bereits den Anruf von meiner Managerin: "Alina, sie hätten dich gerne. Du musst dem ORF nur noch zusagen." Da ich sehr selbstkritisch bin, glaub ich manches erst, wenn’s wirklich passiert (lacht). Erst nach den ersten Aufnahmen am Set war mir bewusst: Jetzt können sie mich nicht mehr rausschneiden (lacht).
— Ähnelt dir die Rolle der Alma?
Alina Schaller:Alma wird aus verschiedenen Gründen aus ihrem bisherigen Leben gerissen und nach Wien verfrachtet, was ihr nicht gefällt. Es scheint aber ein bisschen der Preis zu sein, den sie zahlen muss für all die Dinge, die sie in München an die Spitze getrieben hat. Sie ist auf Rebellion gegen ihre Eltern aus, das verbindet uns. Als Teenagerin habe ich versucht, mich von meinen Eltern zu emanzipieren und ich bin nicht nur einmal in der Nacht von zu Hause weggeschlichen (lacht). Wir verstehen uns dafür vor allem jetzt so gut wie noch nie, aber ich glaube meine Eltern hatten es während der Pubertät nicht leicht mit mir und meinen Protestaktionen. Zum Glück hatten meine Eltern einen besseren Umgang mit mir als meine mütterliche Familienseite in der Serie.
Bis zum ersten Drehtag der "Vorstadtweiber" hab ich nicht geglaubt, dass ich wirklich die Rolle bekommen habe.
Alina Schaller, Schauspielerin
Eine Figur und zwei Regisseure
— Bereitest du dich immer für die nächste Szene vor oder lernst du das ganze Drehbuch?
Alina Schaller:Bei den "Vorstadtweibern" wurden die ersten fünf Folgen mit Regisseur Harald Sicheritz gedreht. Der 2. Block mit Miriam Unger – da habe ich die Drehbücher erst davor bekommen. Generell versuche ich mich immer auf die gesamte Rolle vorzubereiten, damit ich weiß, was mit der Figur von Anfang bis zum Ende passiert.
Eine kluge Person hat einmal zu mir gesagt: "Der wahre Charakter eines Menschen kommt erst dann zum Vorschein, wenn er wirklich handeln muss." Menschen sind ja grundsätzlich gemütlich und leben am liebsten in ihrer Komfortzone. Und genau diesen wahren Charakter herauszuarbeiten, das finde ich bei den unterschiedlichsten Figuren sehr spannend. Deswegen brauche ich ein Gesamtbild und ich bereite mich auf das Ganze vor.
— Und wie lange dreht man für eine Ein- oder Zwei-Minuten-Szene?
Alina Schaller:Kommt darauf an, mit welchem Regisseur man arbeitet. Ich habe gehört, dass Michael Haneke für eine Szene sogar einen ganzen Tag dreht. Bei den "Vorstadtweibern" variierte der Dreh, weil Harald Sicheritz und Miriam Unger sehr unterschiedlich arbeiten. Er lässt sehr viel Freiraum und sagt "Mach mal!", Miriam hat eine sehr genaue Vorstellung davon, was zu tun ist.
— Mit verschiedenen Regisseuren zu arbeiten, ist bestimmt sehr spannend.
Alina Schaller:Ja, total. Besonders interessant war, dass man ja trotzdem die selbe Figur spielt. Jeder Regisseur sieht in dieser Figur vielleicht etwas anderes und jedem ist etwas anderes wichtig. Das war super spannend, weil beide sind ein bisschen so wie Legenden für mich. Harald Sicheritz mit dem Film "Muttertag" und Miriam Unger mit "Maikäfer flieg" – die zwei sind einfach supercoole Regisseure.
Als Kind habe ich mir meine Fantasiewelt gebaut
— Du hast so früh begonnen mit der Schauspielerei, war das immer schon dein Traumberuf?
Alina Schaller:So richtig wurde es mir im Alter von 13 Jahren bewusst – damals war ich Teil der Gruppe die "Junge Burg" am Wiener Burgtheater. Schon als Kind habe ich immer wahnsinnig gerne geschauspielert. Ich merkte, dass mir alles andere einfach weniger Freude bereitet. Ich fand es lustig, mich zu verkleiden und Stimmen auszuprobieren, habe im Wald Häuser für Elfen oder zu Hause eine Grotte gebaut. Mit diesen unterschiedlichen Bühnenbildern bin ich in meine Fantasiewelt eingetaucht. Bewusst wurde mir meine Leidenschaft auf der echten Bühne. Und natürlich auch mit Gleichgesinnten: Ich lernte Kinder kennen, denen das genauso viel Spaß machte wie mir. Wir haben diese Fantasiewelten dann gemeinsam erschaffen. Das war cool.
— Haben dich deine Eltern dabei immer unterstützt?
Alina Schaller:Meine Eltern haben mich immer gefördert. Ich habe nie den Satz gehört: Lern was G’scheits, studier' Wirtschaft oder Jus oder so. Aber dass ich wirklich Talent habe für die Schauspielerei, das haben sie nicht gleich mitbekommen.
"Die Natur kann schon sehr inspirierend sein. Meine Texte lerne ich am liebsten draußen."
Ich bin sehr selbstkritisch
— Du bist quasi auf der Bühne aufgewachsen. Kennst du Lampenfieber?
Alina Schaller:Ja, natürlich. Ich war früher auch sehr schüchtern. Meine erste Hauptrolle als Kind war die Angstfee (lacht). Die Schüchternheit habe ich aber abgelegt und mittlerweile bin ich auch nicht mehr so nervös. Lampenfieber kann aber auch was Gutes sein, denn es führt dazu, dass man sich selber spürt. Und so nimmt man die Rolle und die ganze Situation sehr ernst. Im Theater war es immer schon so, dass meine Nervosität verschwand, sobald der Vorhang aufging. Darauf kann ich mich auch heute noch verlassen (lacht).
— Schauspielausbildung hast du aber keine?
Alina Schaller:Ausbildung habe ich noch keine. Aber ich habe immer wieder Kurse absolviert, darunter auch die Meisner-Technik, und das werde ich bestimmt so weitermachen. Ich hatte bisher ein Megaglück, dass ich mit Regisseuren und Schauspielern gearbeitet habe, von denen ich einfach ganz viel gelernt habe und auch jetzt noch urviel lerne.
— Dann bist du ein Naturtalent?
Alina Schaller:Das weiß ich nicht.
— Dass du bei den "Vorstadtweibern" auf Anhieb genommen worden bist, das sagt schon viel aus.
Alina Schaller:Kann sein. Für das Außenbild sagt es vielleicht viel aus, aber für einen selbst...
— Du bist sehr hart zu dir.
Alina Schaller: Ich bin sehr selbstkritisch. Es gibt so gut wie keine Theater-Aufführung, nach der ich ganz zufrieden bin. Nach einem Dreh würde ich am liebsten immer sagen: "Hey, wir machen jetzt noch einen Take", weil es nicht perfekt war. Ich bin sehr perfektionistisch. Meine Emotion muss richtig sein und es muss im Stück oder in der Szene einfach der echteste Moment gegeben sein, den ich herstellen kann.
— Und wie kannst du die richtigen Emotionen fühlen bzw. herstellen?
Alina Schaller:Mit ganz viel Vorarbeit. Ich sehe es als Aufgabe, dass ich mich so sehr in diese Rolle und in die Welt hineinrecherchiere, dass ich flexibel agieren kann und keinen falschen Ton treffe. Das ist sehr interessant. Ich bin echt begeisterungsfähig (lacht). Wenn meine Rolle zum Beispiel eine Umweltaktivistin ist, dann tigere ich mich richtig in das Thema rein. Es kann schon sein, dass dann auch ein Teil hängen bleibt (lacht).
— Du spielst oft mehrere Rollen gleichzeitig – drehst für Serien und stehst abends auf der Bühne im Theater. Fällt es dir schwer, zwischen den Figuren zu wechseln?
Alina Schaller:Nein – das hat doch was mit Professionalität zu tun. Man kennt seine Rollen und weiß dann auch, wann man wieder privat ist. Ich halte nicht so viel davon, wenn Schauspieler sagen: "Ich komm nicht mehr aus der Rolle raus." Da wäre dann etwas falsch gelaufen.
— Hast du einen speziellen Ablauf, bevor du in eine Rolle schlüpfst? Wie bereitest du dich auf die Szene oder das Theaterstück vor?
Alina Schaller:Verschieden. Kurz vorm Take oder der Vorstellung brauche ich meine Ruhe. Ich zieh' mich in ein dunkles Eck zurück. Ich mache meine Sprechübungen – so Basic-Zeug. Ich wärme mich technisch auf. Bei manchen Rollen höre ich eine bestimmte Musik dazu… oder es ist eine gewisse Körperlichkeit, die man da hat.
— Du nimmst die Körperhaltung der Figur quasi schon vorher ein?
Alina Schaller:Jeder Mensch sitzt anders da. Meine Figur sitzt vielleicht etwas eingesunkener. Es gibt auch ganz starre Figuren. Das gehört zum Prozess der Schauspielkunst dazu, wie man eine Rolle nach außen trägt. Es ist meist besser gespielt, wenn man sich vorbereitet und in die Rolle reinversetzt. Und nicht einfach so auf die Bühne geht und schaut, was passiert – obwohl: Das wäre auch voll spannend.
— Prinzipiell stecken ja alle Emotionen in jedem Menschen.
Alina Schaller:Ich denke, man muss nicht alle in sich haben. Wenn man die Rolle gut erarbeitet hat, kann man ja auch eine Wut spüren, die man selber niemals so empfinden würde. Fantasie spielt dabei auch eine große Rolle – dieses "was wäre wenn". Man stellt sich vor, wie es wäre, wenn dieses oder jenes passiert.
Der eigenen Natur auf der Spur
— Wo lernst du deine Texte?
Alina Schaller:Verschieden, aber sehr viel in der Natur. Ich bin ja auch im Wienerwald groß geworden. Als Kind war ich immer mehrere Wochen im Jahr in Leogang zum Wandern und Schifahren, weil mein Vater als Musiker im Hotel Krallerhof gearbeitet hat. In Wien vermisse ich die Natur schon etwas. Sie ist schon sehr inspirierend. Ich reise auch gerne.
— Wohin würdest du gerne reisen?
Alina Schaller:Alaska oder Island könnte ich mir sehr gut vorstellen. Mein Traum wäre aber eine Weltreise. Auf Reisen findet man zu sich selbst und man hört seine eigene Stimme besser – oder einfach nur lauter (lacht).
Nestroy-Preis: Jüngste je nominierte Schauspielerin
— Wer sind deine Vorbilder?
Alina Schaller:Also es gibt sehr viele Leute, die ich bewundere, aber vor allem jene mit viel Fantasie und großen Emotionen. Aber eben auch Kollegen vom Schauspielhaus Wien, die Leute sind so cool dort. Dann fällt mir noch meine Zeit im Volkstheater ein: Shirley in "Hangmen" war eines der wichtigsten Projekte, die ich je gemacht habe...
— Für die Rolle der Shirley in "Hangmen" wurdest du als beste Nachwuchsschauspielerin für den Nestroy-Preis nominiert. Aber nicht nur das: 2017 warst du mit 20 Jahren quasi die jüngste Schauspielerin, die je für den Wiener Theaterpreis nominiert wurde. Unglaublich, oder?
Alina Schaller:Das war komplett absurd, sowas passiert eigentlich nicht. Für den Nestroy sind Schauspieler nominiert wie Birgit Minichmayr oder Joachim Meyerhoff. Als Kind habe ich immer die Verleihung im Fernsehen gesehen und zu meiner Mama gesagt, dass ich da einmal gerne hinmöchte. Ich wollte damals im Publikum sitzen. Und dann stehe ich plötzlich auf der Bühne. Echt surreal.
— Mit wem würdest du gerne auf der Bühne stehen?
Alina Schaller:Ich glaub, das verschrei ich lieber nicht.
— Bleibt ein Geheimnis?
Alina Schaller:Natürlich gibt es Leute, mit denen ich irrsinnig gerne arbeiten würde, aber das sag ich jetzt nicht. Ich bin ein bisschen abergläubisch (lacht). Ich hab dann Angst, dass es nicht passiert.
Interaktive Stücke
— Du hast so viele unterschiedliche Projekte: Theater, Serie, Kino. Und einen eigenen Theaterverein hast du ja auch. Wo tretet ihr auf?
Alina Schaller:Mit meiner Theatergruppe "kollekTief" – das sind vier Burschen und ich – habe ich in den letzten Jahren schon verschiedenste Projekte gemacht. Zum Beispiel: Ein Schauspieler spielt vor nur einem Zuschauer. Der Zuschauer erlebt das Stück dann nicht in einer konventionellen Theaterform. Und nächsten Sommer werden wir mit diesem Projekt beim Theaterfestival "Hin & Weg" im Waldviertel sein. Das spannende ist, wenn man so nah am Publikum spielt, dann steht man nicht alleine im Scheinwerferlicht. Der Zuschauer ist automatisch involviert. Wir werden uns die Frage stellen: Was wäre, wenn wir sterben? Was würden wir anders machen, wenn wir doch noch eine zweite Chance bekommen würden?
Die internationale Theatergruppe "Punchdrunk" macht diese Theaterform auf riesengroß. Sie hat zum Beispiel in Manhattan ein fünfstöckiges Haus gemietet, in dem sie jede einzelne Ebene verwandelt hat, darunter ist auch ein Zimmer mit 15 Badewannen oder sogar ein Wald. Ich habe mir das schon live angesehen. Das ist irrsinnig spannend. "Punchdrunk" hat so ein Theaterhaus auch in London und in Shanghai – sie touren weltweit. Die Gruppe ist ein bisschen ein Vorbild für mich. Ich habe das Gefühl, dass diese Theaterform auch in Europa gerade sehr viel erforscht wird. Das Publikum ist nicht länger passiver Zuschauer, sondern aktiver Teilnehmer an den Geschichten rundherum.
Movie-College Alina Schaller
Tue, was du liebst!
— Jetzt bist du noch als Alma immer montags im Hauptabendprogramm am Bildschirm zu sehen – und danach?
Alina Schaller:Zurzeit stehe ich vor der Kamera für die beiden Serien "Soko Kitzbühel" und "Walking on Sunshine", diese werden dann nächstes Jahr ausgestrahlt. Genauso wie der Kinofilm "Sonne", der auch demnächst gedreht wird.
— Welchen Tipp hast du für Jugendliche, die ebenfalls Schauspielerin werden möchten?
Alina Schaller:Das Wichtigste ist: Spaß haben. Generell sollte man etwas nicht nur für den Erfolg tun, der dann irgendwann vielleicht kommt. Im Leben geht es immer wieder mal auf, mal ab. Deswegen ist die Leidenschaft so wichtig.
Steckbrief: Alina Schaller
Geboren am 16. Mai 1997 in Purkersdorf
Kindermusical
Theater Akzent (ab 2005)
Theatergruppe "Junge Burg" am Burgtheater (2012 bis 2015)
Theaterverein "kollekTief" (seit 2016)
Nominierung für den Nestroypreis als beste Nachwuchsschauspielerin für die Rolle der Shirley in Hangmen (Volkstheater, 2017)
"Schlafende Männer" (Schauspielhaus Wien, 2018)
Episodenhauptrolle in SOKO Wien
Spielt Alma in der ORF-Serie "Vorstadtweiber", 4. Staffel (2019)
Aktuell: Dreh für die Serien "SOKO Kitzbühel" und "Walking on Sunshine"
Kino 2020: "Sonne" (Regisseurin Kurdwin Ayub / Ulrich Seidl Filmproduktion)
Hobby: Tanzen
Lieblingsspeise: der Spinat-Strudel von meiner Mama ;-)