eSport begeistert die Massen
Der elektronische Sport (eSport) ist keine Nische mehr: Markus Raschek alias Envy moderiert Turniere und coacht sein eigenes Team. Es gibt Top-Spieler in Österreich, leben kann man aber noch nicht davon.
Insider wissen, wo sie eSport-Moderator Markus Raschek hören können. Oder Envy, wie er sich nennt. "Twitch.tv hat bei den Jungen das klassische Fernsehen bereits abgelöst", ist sich der Profi sicher. Sein Studio hat er im Gaming-Zentrum der Area52. Auf der Streaming-Plattform Twitch kann man den eSport kostenlos, auch ohne Account, mitverfolgen. Top-Spiele sind laut dem 27-Jährigen "League of Legends" und "Counter-Strike", auch "FIFA" ist in Österreich sehr beliebt. Wer schnelle Autos am Bildschirm steuern möchte, spielt "Rocket League" oder "Project Cars2".
Mit Zocken Geld verdienen
— In der eSport-Szene kennt man dich unter dem Nickname Envy – das heißt Neid.
Markus Raschek:Grün ist meine Lieblingsfarbe und das ist die Farbe des Neids. Mit der Bedeutung an sich hat es nichts zu tun. Der Name ist kurz, man kann ihn sich gut merken und er ist einfach auszusprechen.
— Dein Beruf ist Caster, also eSport-Kommentator. Wie hast du den Sprung vom Hobby-Spieler zum Moderator geschafft?
Markus Raschek:Vor etwa fünf Jahren habe ich mit dem eSport so richtig begonnen. Damals habe ich noch als Polizist gearbeitet. Ich habe mit meinem Bruder hobbymäßig in einem "League of Legends"-Team gespielt und den Profi-Bereich aktiv verfolgt. Durch Zufall wurde ich dann gefragt, ob ich bei Turnieren (vom eSport Verband Österreich veranstaltet) die Spiele kommentieren möchte, und das wurde immer mehr, bis über die Landesgrenze hinaus. Ich habe mir immer schon viel Fußball und Schifahren im Fernsehen angesehen und habe mir damals bereits unbewusst von den Kommentatoren das eine oder andere abgeschaut.
— Wie unterscheidet sich ein eSport-Caster von einem gewöhnlichen Sport-Kommentator? Hast du ein Vorbild?
Markus Raschek: Das Ziel ist das gleiche: Man möchte den Zusehern ein angenehmes Feeling vermitteln. Die Spiele beim eSport sind schneller als der gewöhnliche Sport, somit muss man als Caster in kurzer Zeit mehr reden, das setzt eine gute Vorbereitung voraus. Zusätzlich ändern sich die Spiel-Regeln teilweise wöchentlich und man muss immer auf dem neuesten Stand sein. Der beste Caster ist für mich Quickshot von LCS Riot Games.
— Wie sieht dein typischer Arbeitstag aus?
Markus Raschek: Ich bin Caster und Content Creator für die A1 eSports League Austria: Ich produziere Inhalte für Social Media, schreibe Artikel und schneide Videos. Aktuell caste ich zweimal pro Woche die Liga. Im Studio bereite ich mich auf das Spiel vor, das ich moderiere, sehe mir an, welche Teams zocken, und die Ergebnisse der letzten Wochen.
Ich habe täglich zehn Stunden gezockt
— Castest du auch Spiele außerhalb Österreichs?
Markus Raschek: Ich war bereits ein paar Mal als Caster im Summoner's Inn – das ist das größte deutschsprachige Studio für "League of Legends"-Turniere. Dort werden auch Profi-Ligen übertragen, die wir in Österreich nicht zeigen.
— Trifft man dich heute noch spielend auf LoL-Servern ("League of Legends")?
Markus Raschek: Ja, schon – aber immer seltener, weil dafür nicht mehr so viel Zeit bleibt. 2013 habe ich mit meinem Team die Staatsmeisterschaft gewonnen. Heute konzentriere ich mich auf das Casten und Coachen. Dafür muss ich nicht selbst zocken, ich muss mich nur auskennen. Ich komme heute nicht mehr auf das höchste Spiel-Niveau. Die Jungen sind motivierter (lacht). Mir fehlt einfach das Training.
— Geht dir das Spielen ab?
Markus Raschek: Nicht direkt. Früher habe ich bis zu zehn Stunden am Tag gespielt. Und jetzt zocke ich nur ein bis zwei Stunden pro Woche. Es macht natürlich Spaß, aber man muss sich auch viel ärgern, überhaupt wenn man alleine in einem Team mit fremden Leuten spielt. Da gibt es online Reibereien. Das geht mir nicht ab (lacht).
— Welche Techniken lehrst du als Coach?
Markus Raschek: Ich coache ein ganzes "League of Legends"-Team und nicht Einzelspieler. Es ist ein Unterschied, ob man alleine zockt – in einem zufällig zusammengewürfelten Team mit vier Leuten, die man nicht kennt – oder ob man in einem fixen Team zu fünft spielt. Denn dann kann man sich auch mit einem Headset austauschen, dafür gibt es das Programm Teamspeak. Mein Schwerpunkt ist die Kommunikation zwischen den Spielern: Was, wie und wann man etwas sagt.
"League of Legends" ist sehr schnelllebig, es verändert sich in kurzer Zeit sehr viel. Das heißt: Würde ich eine spezielle Taktik coachen, dann wäre sie in einem Monat nicht mehr aktuell.
Game City – Österreichs größtes Gaming Event
Tipps vom Profi
— Wie wird man Profi-Zocker? Hast du Tipps für junge Spieler?
Markus Raschek: Man muss sehr viel trainieren und sich selbst reflektieren, wie in jeder herkömmlichen Sportart auch. Man kann durch Selbststudium bereits sehr viel lernen und braucht nicht zwingend einen Coach. Es gibt YouTube-Guides, die kann man sich gratis ansehen.
Jugendlichen rate ich auf jeden Fall, die Schule oder eine Ausbildung fertig zu machen. Generell ist der mentale Ausgleich sehr wichtig, sonst wird man müde und die Stimmung kippt. Im Fachjargon sagt man: tilten. Deswegen Pausen zwischen den Spielen einhalten! Gesunde Ernährung und Sport sind hilfreich. Ich trinke nur Wasser. Getränke mit viel Zucker meide ich, denn die geben nur kurzfristig Energie.
— Welchen Sport machst du als Ausgleich?
Markus Raschek: Ich spiele einmal pro Woche Badminton in einem Hobby-Verein. Seit einem Jahr nehme ich auch an Tischtennis-Meisterschaften teil, dafür trainiere ich dreimal pro Woche. Ich bin quasi vom eSport wieder zum richtigen Sport zurückgekehrt.
eSport Weltmeisterschaft in Polen 2017
Österreich hinkt hinterher
— eSport soll in den nächsten Jahren eine neue olympische Disziplin werden. Was hat eSport mit Sport zu tun?
Markus Raschek: Ich sehe Sport nicht nur als körperliche Aktivität. Es geht primär darum, sich in einer Disziplin zu messen. Mich würde es natürlich sehr freuen, wenn eSport eine neue olympische Disziplin wird. Ich kann mir auch vorstellen, dass Österreich dabei sein kann, denn das Talent und die Leistung haben die heimischen Spieler. Einige wurden bereits von deutschen Profi-Teams geholt. In Österreich fehlt uns teilweise die Infrastruktur, um den eSport-Bereich professionell aufzuziehen.
— Was muss sich in Österreich ändern, um den eSport auf das nächste Level zu hieven?
Markus Raschek: Die Teams in Österreich haben fast keine Fan-Base. Das ist in Deutschland ganz anders. Da gibt es Teams, die tausende Zuseher haben. Das wichtigste wäre, das Interesse der Allgemeinheit zu wecken – dass Fans bei Spielen der Top-Teams in Österreich mitfiebern und Streams einschalten. Beim Fußball etwa hat man ja auch ein Lieblings-Team oder einen einzelnen Favoriten.
— Kann man in Österreich vom eSport leben?
Markus Raschek: Also das ist schon eine knappe Sache. Es gibt Organisationen, die Gehälter auszahlen, aber wie hoch die sind, weiß ich nicht. Es tut sich aber viel zur Zeit, in Deutschland kann man schon vom eSport leben.
— Wie viel verdient ein eSportler und wie hoch sind die Preisgelder?
Markus Raschek: Beim eSport ist es wie bei anderen Sportarten auch: Die Grenze nach oben ist offen. Das Gehalt hängt von den Sponsor-Verträgen ab. Profi-Spieler haben ihren eigenen Stream-Kanal, viele Fans schauen zu und Spieler bekommen somit eine gute Reichweite. In Nordamerika, China und Südkorea ist der eSport wesentlich populärer, das wirkt sich natürlich auch auf die Gehälter aus, die sind dort teilweise fünfstellig. Das Gehalt ist somit der Hauptverdienst der Spieler. Die Preisgelder sind ein kleinerer Teil und werden oft auf die Organisationen der Teams aufgeteilt, je nachdem was im Vertrag steht.
— Gibt es Frauen im Profi-Bereich?
Markus Raschek: Ja, aber leider sehr wenige. In der Player-Base bei "League of Legends" sind die Frauen recht gut vertreten – zwischen 10 und 30 Prozent. Aber wenn man sich die Profis weltweit anschaut, dann sinkt der Frauenanteil auf ein Prozent. Bei "StarCraft" zum Beispiel hat es eine Spielerin bis ganz nach oben geschafft.
Ich habe früher zehn Stunden am Tag gezockt. Heute konzentriere ich mich auf das Casten von Turnieren.
Markus "Envy" Raschek, eSport Coach & Caster
Sind "Gaming Communities" die Zukunft?
— Profispieler wohnen ja oft in Gaming-Houses – sozusagen in einer Community. Das klingt sehr nach Isolation für mich.
Markus Raschek: In Österreich gibt es die Gaming-Houses noch nicht, soviel ich weiß. In Deutschland aber schon. Da leben die Top-Teams mit ihrem Coach und einem Analysten in einem Haus zusammen. Dort geht es auch um sehr viel Geld. Das hat aber auch Nachteile, weil man ja die ganze Zeit aufeinander pickt. Ich möchte nicht in einem Gaming-House wohnen. Da fallen mir bessere Alternativen ein: In Südkorea gibt es zum Beispiel Gaming-Büros. Jeder Zocker trifft sich im Büro zum Spielen und nach dem Arbeitstag fährt dann jeder wieder nach Hause.
— Besteht die Gefahr, dass bereits sehr junge Leute aufs Zocken süchtig werden können?
Markus Raschek: Natürlich muss man aufpassen. Das Problem ist, dass es extrem leicht ist, permanent zu spielen. Wenn man das jetzt mit einem Sport vergleicht: Man kann nicht zehn Stunden täglich am Fußballfeld trainieren, das schafft keiner. Beim eSport braucht man nur Internet und einen PC, die Gelegenheit ist somit immer da. Deswegen ist es so wichtig, Schule, Beruf und Hobbys nicht zu vernachlässigen.
Steckbrief: Markus "Envy" Raschek – eSport Caster & Coach
Geboren am 13.12.1990 in Wien
eSport Caster (Kommentator)
Coach bei "Tickling Tentacles willhaben" (Team) / League of Legends (Spiel)
Österreichischer Staatsmeister / eSport League of Legends (2013)
Erfolg als Coach: Team "Tick Trick and Duck" (TTD) / 2. Platz der deutschen ESL-Meisterschaft (2015)
Hobbys: Tischtennis und Badminton
eSport Turnierkalender
14. bis 15.04.2018 Comic Con Wels
A1 eSports League Austria Finale am 20.04.2018 auf dem 4GameChangers Festival in der Marx Halle
19. bis 21.10.2018 Game City im Wiener Rathaus (eSport Staatsmeisterschaften) – vom eSport Verband Österreich (ESVÖ) veranstaltet