Hier spricht die Polizei!

Michael Takács, der neue Chef der Wiener Verkehrspolizei, im auto touring-Interview über Unfallzahlen, Konflikte und Drogenlenker.

Ein Montag Nachmittag im Oktober. Mit etwas Verspätung kommt Michael Takács in der ÖAMTC-Mobilitätszentrale in Wien-Erdberg an. "Tut mir leid", entschuldigt er sich, "die Pressekonferenz hat länger gedauert als erwartet." Und das Thema war ganz in seinem Sinn gewesen: Es ging um Aufstockung des Personals, um einen neuen Fuhrpark und eine Ausrüstungs-Offensive.

Der 49-jährige Vater von zwei Kindern startete 1988 seine Laufbahn bei der Wiener Polizei und war von 1991 bis 2008 in der Verkehrsabteilung der Wiener Sicherheitswache bei der motorisierten Polizei tätig. 1993 absolvierte er einen Polizei-Auslandseinsatz im Irak, seit 2008 war er in der Öffentlichkeitsarbeit tätig, zuerst bei der Wiener Polizei, dann im Innenministerium. 2015 wurde er stellvertretender Leiter der Verkehrsabteilung im Innenministerium, seit Juli 2017 ist Leiter der Landesverkehrsabteilung Wien.

— Herr Takács, wann haben Sie Ihr letztes Strafmandat bekommen – und wofür?

Michael Takács:Vor dem Sommer. Ich habe zwar einen Parkschein ausgefüllt, aber übersehen, dass ich in einer Anrainerparkzone stand. Künftig werde ich darauf achten. Aber gut – zahlen macht frei. Ist erledigt.

— Die Arbeit der Verkehrspolizei ist geprägt von Prävention und Bestrafung. Wie wichtig ist dabei das eine und das andere?

Michael Takács:Das eine geht nicht ohne das andere. Ein Strafmandat allein funktioniert nicht, das verpufft. Prävention funktioniert aber auch ohne Sanktionsmaßnahmen nicht.

— Die aktuelle Unfallstatistik zeigt, dass es mit Ende des Jahres in Wien vermutlich mehr Verkehrstote als im Vorjahr geben wird. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

Michael Takács:Wir haben die Hauptursachen analysiert: Vor allem sind mehr Unfälle mit Fußgängern zu beklagen, in erschreckender Weise auch am Schutzweg. Unachtsamkeit spielt dabei eine größere Rolle als überhöhte Geschwindigkeit. Wir haben die Situation an Unfallstellen beobachtet und Maßnahmen für Schwerpunktkontrollen gesetzt. Wir setzen auf erhöhte Präsenz, den Einsatz von Zivilstreifen und Lasermessungen an Schutzwegen.

— Sind diese Unfälle auf die Unachtsamkeit der Fußgänger oder Autofahrer zurückzuführen?

Michael Takács:Sowohl als auch. Geschwindigkeit gepaart mit Unachtsamkeit sowohl von Fahrzeuglenkern als auch Fußgängern waren Auslöser. Beide Gruppen haben einander zu spät wahrgenommen. Smartphones spielen dabei eine wesentliche Rolle. Vielen ist es nicht bewusst, aber auch als Fußgänger ist man abgelenkt, wenn man auf das Display schaut.

— Was raten Sie präventiv?

Michael Takács:Nicht davon ausgehen, dass andere für die eigene Sicherheit sorgen. Gerade jetzt in der dunklen Jahreszeit ist die Wahrnehmung noch einmal mehr getrübt. Als Fußgänger sollte man sich Gedanken über die Kleiderwahl machen, auf helle Farben und reflektierende Materialen setzen. Motorisierte Verkehrsteilnehmer sollten auf eine einwandfreie Fahrzeugbeleuchtung achten. Ich bin übrigens voll und ganz ein Befürworter der ÖAMTC-Kampagne "Sehen und gesehen werden" und unterstütze gerne die gemeinsame Licht-Aktion "Flugzettel statt Strafzettel", die wir im Sinne der Bewusstseinsbildung im November in Wien umsetzen.

— Beobachten Sie auch das wachsende Konfliktpotenzial zwischen Rad- und Autofahrern?

Michael Takács:Ja, eindeutig. Mir fällt auf, dass jetzt ein Punkt erreicht wurde, an dem die gegenseitige Akzeptanz und Wertschätzung sehr eingeschränkt ist. Da müssen wir bei beiden Gruppen einwirken. Man hat sich zu lange Zeit gelassen, hier gegenseitige wertschätzende Maßnahmen zu setzen.

— An welche Maßnahmen denken Sie?

Michael Takács:An Prävention und bewusstseinsbildende Maßnahmen. Wir müssen Radfahrer bei Delikten abmahnen und sie auf ihr Fehlverhalten aufmerksam machen. Wir brauchen mehr Planquadrate an Unfallhäufungsstellen. Wir haben die Fahrradpolizei in den letzten Jahren in Wien sehr verstärkt – auch hinsichtlich Ausstattung und Ausbildung. Es hat sich gezeigt, dass die Akzeptanz viel besser ist, wenn sich ein Fahrrad fahrender Polizist mit einem Radler auseinandersetzt. Wir haben damit einen guten Draht zu Radfahrern gefunden.

— Gibt es mehr Konflikte, seit Radfahren populärer geworden ist?

Michael Takács:Ohne Zweifel ist das Angebot für Radfahrer in Wien gestiegen, an jeder Ecke kann man heute Fahrräder mieten. Ich glaube aber nicht, dass der Konflikt gerade dadurch härter geworden ist.

— Wechselt man nicht von einer Rolle in die andere? Alles, was mir als Autofahrer wichtig ist, vergesse ich, sobald ich am Fahrrad sitze, und umgekehrt?

Michael Takács:Das würde ich so nicht sagen. Wenn ich mit dem Fahrrad unterwegs bin, dann passe ich noch mehr auf. Ich habe ja keine Schutzzone um mich wie beim Auto. Und ich verstehe bis heute nicht, warum immer noch ohne Helm gefahren wird. Hier setzt man wirklich einiges auf Spiel.

— E-Bikes, Microscooter, Hoverboards: Das Straßenbild wird vielen neuen Mobilitätsformen geprägt. Wie geht die Verkehrspolizei damit um?

Michael Takács:Für die neuen Fortbewegungsmittel sind angepasste Gesetze notwendig. Welche das sind, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen. Vielleicht wird man diese Dinge auf den Radweg verlagern.

— Im vergangenen Jahr gab es in Wien rund 1.400 Beanstandungen wegen mangelhafter Kindersicherung. Und heuer im ersten Halbjahr gab es bereits 212 verletzte Kinder, davon 37 am Schulweg. Welche Maßnahmen setzen Sie dagegen?

Michael Takács:Mangelnde Kindersicherung im Pkw ist zu Recht ein Vormerkdelikt. Wir setzen hier natürlich ein besonderes Augenmerk, denn Kinder haben dabei ja keine Selbstentscheidung. Wir greifen daher bei Verkehrsüberwachungen streng durch. Mit Schulaktionen oder mit der Kinderpolizei wollen wir die kleinsten Verkehrsteilnehmer sensibilisieren. Hat man einen Kinderpolizisten im Auto sitzen, wird man als Elternteil permanent darauf aufmerksam gemacht, was man darf und was nicht.

— Man hört in letzter Zeit immer wieder, dass es eine Verschiebung von Alkohol zu Drogen am Steuer gibt. Woran liegt das?

Michael Takács:In Wien gibt es eine steigende Drogenkriminalität und dadurch auch mehr durch Drogen beeinträchtigte Lenker. Wir stellen uns dieser Problematik und bleiben dran. Aktuell haben wir Geräte in einer Testphase, um Substanzen an Ort und Stelle verifizieren zu können.

— Man hört, dass die Testgeräte noch nicht einwandfrei funktionieren. Ist das so?

Michael Takács:Ganz offen gesagt: nein! Wir haben uns von den Geräten mehr erwartet. In der Testphase wollen wir das geeignete Gerät für den Polizeidienst finden. Wir haben gute Ergebnisse, aber eine einzige Substanz wird noch nicht ganz optimal erkannt. Das ist aber unerheblich, weil immer ein Amtsarzt beigezogen wird.

— Zu guter Letzt noch eine Frage zur Verkehrsüberwachung, die viele stellen: Wer bestimmt eigentlich, wann und wo Geschwindigkeitsmessungen vorgenommen werden?

Michael Takács:Es gibt bei uns einen Überwachungsplan, den wir auch mit den Bezirken akkordieren. Wir nehmen Messungen dort vor, wo Überschreitungen befürchtet oder wahrgenommen und uns gemeldet werden. Etwa in der Umgebung von Schulen. Außerdem überwachen wir Unfallstellen, die Rückschlüsse auf Geschwindigkeitsüberschreitungen erlauben.