So tickt Toto

Toto Wolff: Der österreichische Motorsport-Chef von Mercedes im Gespräch mit auto touring.

Er ist die Verkörperung einer neuen Generation an Formel-1-Teamchefs: eloquent, smart, gewinnend; ein Benzinbruder mit einem kräftigen Schuss Politik-Potenzial, der auch schon mal auf den Tisch haut. Torger Christian Wolff, vulgo Toto, hat gemeinsam mit Niki Lauda die Silberpfeile siegfähig gemacht, zu einem Weltmeisterteam geformt. Aber wie tickt Toto, der coole Börsenguru aus Hernals?

— Viele haben Sie schon als Nachfolger von Frank Williams gesehen, heute sind Sie aber bei Mercedes, zugegeben sehr erfolgreich. Gab es im Williams-Rennstall keine Perspektiven?

toto wolff: Anfangs lag meine Priorität bei Williams. Ich war dort als Investor in einer inaktiven Rolle. Als 2012 der Geschäftsführer Adam Parr das Team verlassen hat, habe ich seine Rolle übernommen, das hat mich erfüllt. Wir haben in dieser Zeit mit Pastor Maldonado sogar ein Rennen gewonnen. Im Sommer kam dann die Anfrage von Mercedes, als beteiligter Partner das Team zu führen. Das war natürlich eine völlig andere Liga.

— Sie sind Ex-Rennfahrer, kennen das Risiko, sind aber auch Investor, sprich, auf Sicherheit bedacht. Führen Sie ein Doppelleben?

Toto Wolff: Nein! Beteiligungsgeschäfte klingen immer nach Risiko, ich versuche Risiken zu vermeiden. Mein Credo ist: Was ist das schlimmstmögliche Szenario? Und: Kann ich damit leben? Wenn ich denke, es ist okay, dann ziehe ich es durch. So führe ich auch das Mercedes-Team, wäge ab, zwischen Risiko und Gelegenheiten, die es am Schopf zu packen gilt.

— Ist nach dem Ausscheiden ihrer Frau Susie bei Williams das Thema Frauen in der Formel 1 für immer abgehackt?

toto wolff: Die Susie hatte eine lange Karriere. Williams hätte sie niemals als Testfahrer eingesetzt hätte sie das Leistungsvermögen nicht gehabt. Nun hat sie beschlossen, ihre Karriere zu beenden und eine Initiative zu gründen, die heißt „dare to be different“ (www.daretobedifferent.org), um die nächste Generation Mädchen in die Formel 1 zu bringen. Es geht ihr nicht ausschließlich darum Mädchen als Rennfahrerinnen auszubilden, sondern auch als Moderatorinnen, Journalistinnen, im Marketing und auch als Mechanikerinnen und Renningenieure.

— Vorher waren sie beide gemeinsam auf der Tour, wie ist es jetzt?

toto wolff: Für mich war es natürlich ein Vorteil, all die Jahre meine Frau auf der Tour dabei zu haben. Heute sind wir bis auf wenige Rennen, die sie für einen englischen Sender moderiert, getrennt unterwegs. Ich denke mir jetzt oft, wenn du den Partner dabei hast, sind die Nächte in irgend einem anonymen Hotel oder an der Rennstrecke einfacher. Obwohl, es war auch nicht einfach zu wissen, dass die eigene Frau mit Tempo 300 in einem Formel-1-Boliden dahinsaust.

— Wie viel Emotion ist noch da, in dem Job als Teamchef, verglichen mit Ihrer aktiven Zeit in Rallye- oder GT-Autos?






Ich denke oft an die Zeit, als meine Frau Susie noch als Ersatzfahrerin mit auf der Tour war. Mit ihr waren die Tage in anonymen Hotels und an der Rennstrecke einfacher.






Toto Wolff, Mercedes-Motorsportchef


toto wolff:Ein Rennauto zu fahren ist eine völlig andere Welt als ein Unternehmen zu führen. Den Kick, den man nach einer guten Leistung als Sportler bekommt, den gibt’s im Geschäfts­leben nicht – nicht in dieser Intensität. In der Formel 1 haben wir noch den besten Kompromiss, aber die Freude über einen Sieg ist als Sportler ungleich höher.

—  Erst unter Ihrer Ägide, zusammen mit Niki Lauda, wurde Mercedes siegfähig, ihr wurdet Weltmeister. An welchen Stellschrauben und Strukturen habt ihr gedreht?

toto wolff:Formel-1-Teams sind heute große Organisationen. Wir haben auf der Chassis-Seite 800 Mitarbeiter und im Motorenwerk 600. Du bist immer nur so gut wie die Summe deiner Leute. Meine Hauptrolle war, die Organisation neu zu strukturieren. Heißt: die richtigen Personen an den richtigen Stellen zu platzieren. Ihnen bestmögliche Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sie erfolgreich performen können. Strategien gemeinsam erarbeiten, Ziele setzen, Ressourcen und Budget gewährleisten, das ist meine Job Description.

— Apropos Struktur: Ihr habt die Boxencrews der Fahrer ausgetauscht. Es ist unvorstellbar, dass sich Niki Lauda seinen Leibmechaniker Ermanno Cuoghi hätte wegnehmen lassen.

toto wolff:Hätte er auch nicht. Wir haben nicht die gesamte Crew weggenommen, nur die Chefmechaniker getauscht. Ein Team ist kein statisches Gebilde, in dem jeder auf seiner Position bleibt und diese bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag inne hat. Menschen sollen, müssen sich weiterentwickeln. Einige haben das Zeug, innerhalb des Unternehmens aufzusteigen. In besagtem Fall wollten wir die Mana­gement-Fähigkeiten dieser Leute austesten.

Motorsport befindet sich im Wandel. Wir sehen das auf der Strasse. Die Blickrichtung heißt: Hybridisierung. Das passiert auch auf den Rennstrecken, nicht weil wir grüner werden wollen. Wir wollen einfach mehr Leistung aus Hybrid-Konzepten erzielen.

— Wären Sie jetzt kein Teamchef, sondern einfacher Konsument vor dem Fernseher: Wie würden Sie die Formel 1 finden – fad?

toto wolff: Die Formel 1 ist nicht fad, sie ist besser als in den letzten Jahren und wir sind das Team, das die Benchmark setzt. Wir hatten viel Action und spannende Rennen heuer. Aber die Welt und die Zeiten ändern sich laufend. Jeder, der heute einen Videoclip auf Youtube stellt, ist ein Content Provider. Und wenn man sich an einem Wochenende die Fülle an Unterhaltungs-Möglichkeiten anschaut, so ist die Formel 1 zwar eine Möglichkeit von vielen, aber längst nicht mehr das Hauptevent wie noch vor 20 oder 30 Jahren. 

—  Sie haben zwei Fahrer, die erbittert, oft bis zum Crash, um den WM-Titel kämpfen. Wäre es nicht wesentlich effizienter, eine Nummer 1 und Nummer 2 zu bestimmen?

toto wolff: Für das Team wäre es auf jeden Fall um vieles einfacher und vor allem auch nervenschonender. Aber die Vorteile, die du mit zwei gleichwertigen Fahrern hast, sind klar: Das Auto wird permanent weiterentwickelt und somit schneller; und sie pushen einander zu Höchstleistungen. Daher stehe ich zu dieser Variante – zumindest im Moment noch (schmunzelt).

—  Wir haben österreichische Teamchefs, haben einen Grand Prix, aber schon ewig keinen Formel-1-Piloten, ist da wirklich niemand?

toto wolff: Abwarten, vielleicht doch! Habsburg schlägt sich wacker. In der Formel Renault mehrmals aufs Podium zu fahren, sogar zu siegen, ist schon eine Ansage. Tommy Preining leistet Tolles in der Formel 4; und dann noch der Luki (Lukas Auer), er ist nicht mehr nur Neffe von Gerhard Berger. Er ist bis dato auch der einzige österreichische DTM-Sieger. 

Torger Christian Wolff: Finanzgenie wird Formel-1-Boss


Geboren am 12. Jänner 1972 in Wien Hernals
Toto ist noch jung, träumt von einer Rennfahrer-Karriere, als der Vater unerwartet stirbt
Erst spät, mit 20, erste Rennen in Australien 
1992–94: Formel Ford
1994: Klassensieger beim 24-h-Rennen auf dem Nürburgring
1998: Gründet Kapitalgesellschaft
2006: Vize-Rallye-Staatsmeister
2009: Bricht Nürburging-Rekord auf Porsche 997 und kauft Anteile von Williams-F1
2011: Heirat mit Susie Stoddart
2013: Mercedes-Motorsportchef