Nein, bitte nicht das!

Mobilität ist auch diesen Clubmitgliedern ganz wichtig. Aber die Art, wie sie unterwegs sind, ist ihnen gar nicht egal: Sie verweigern bestimmte Verkehrsmittel. Warum, erzählen sie hier.

Kennen auch sie jemanden, der das Reisen im Flugzeug scheut wie der Teufel das Weihwasser? Leicht möglich, denn knapp ein Drittel der Menschen im Land hat Flugangst – viele davon so stark, dass sie aus Prinzip am Boden bleiben. Der Anteil der Flug-Verweigerer ist im Steigen – angetrieben durch Overtourism, CO2 und Flugscham. Aber auch Kreuzfahrtschiffe und Autos mit Verbrennungsmotor werden von vielen Menschen, die gegen den Klimawandel ankämpfen möchten, tunlichst vermieden. Viele junge Menschen verzichten deshalb auch darauf, den Führerschein zu machen.

Oft sind es traumatische Erlebnisse, die ­einen daran hindern, ein bestimmtes Verkehrsmittel zu nutzen – und sei es auch nur den Aufzug, der nach Passagierkilometern als die sicherste Art der Mobilität gilt. Selbst zu Fuß gehen ist gefährlicher.

Auch unangenehme Erfahrungen bringen Menschen dazu, nicht alle Möglichkeiten persönlicher Mobilität zu nutzen. Selbst wenn sie manchmal rational nicht nachvollziehbar sind. Zuweilen kostet der freiwillige Verzicht gar einiges an Geld oder die Erkenntnis, dass einem des­wegen vieles verschlossen bleibt.

Schon im Vorfeld der Recherche zeigte eine Blitzumfrage der Redaktion im Freundes- und Bekanntenkreis, dass die hier porträtierten Menschen nicht allein sind: So wie sie denken viele andere auch.

Fahrrad? Im Straßenverkehr lieber nicht.

Verena Schauer, 21, Studentin.

"Ich fahre schon seit einer Ewigkeit nicht mehr mit dem Fahrrad." Die Niederösterreicherin, zurzeit Praktikantin beim auto touring, ist als Kind mit ihrem Opa manchmal Rad gefahren. Danach hat es sich einfach nicht mehr ergeben. Heute fühlt sich die 21-Jährige zu unsicher auf zwei Rädern. "Ich glaube, ich kann das gar nicht mehr."

Sie würde auf keinen Fall im Straßenverkehr fahren, aber eigentlich auch nicht auf dem Radweg. Zu viel Zeit ist mittlerweile vergangen. "Meine Mutter hat es nie forciert, sie fährt auch nicht gerne Rad." Mit 17 Jahren wollte ­Verena in Frankreich einen Ausflug auf zwei Rädern machen. Schnell musste sie umkehren: "Ich hatte eine Riesenangst!"

Die Studentin tanzt leidenschaftlich gerne Hip-Hop und ist auch viel zu Wettbewerben unterwegs – mit den Öffis oder ihrem Ford Fiesta. "Keinesfalls mit dem Fahrrad, denn ich möchte keinen Sturz oder irgend­eine Verletzung riskieren. Mein Sport ist mir einfach zu wichtig."

Michael Jäger, 61, Sachverständiger.

Der Linzer meidet es tunlichst, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Doch immer lässt es sich nicht vermeiden. So wie unlängst, als er zum Hauptbahnhof musste, dem Treffpunkt zu einem zweitägigen Betriebsausflug. Zuerst, im Bus von Pichling zur Simony-Straße, ging's ja noch gut. "Aber ab dort war die Straßenbahn stadteinwärts um sieben Uhr früh schon völlig überfüllt, der Geruch im Triebwagen war alles andere als erfrischend."

Auch die Atmosphäre war gar nicht einladend: Der Boden war voll von den nassen Seiten einer Gratis-Zeitung und fast alle Passagiere führten lautstark Telefonate. "Lauter wichtige Dinge bekommt man da ungewollt mit", so Jäger. "Wie bitte will man es den Menschen schmackhaft machen, auf solche öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen?" Für ihn sind sie sowieso nicht attraktiv, weil sein Weg zum Arbeitsplatz damit wegen Umsteige- und Wartezeiten sehr viel länger dauert als mit dem Auto.

Flugzeug? Geht gar nicht!

Walter Lux, 65, Wien.

Nein, es war nicht Erica Jongs 1973 erschienener Roman “Angst vorm Fliegen“, der den angehenden Buchhändler damals überzeugte, nicht in ein Flugzeug zu steigen. Fliegen erschien ihm einfach nicht geheuer. Wahrscheinlich spielte auch der Kontrollverlust eine Rolle, den man im Jet viel deutlicher spürt als in Bim und Bahn. Denn die nutzt er schon.

“Am liebsten aber gehe ich zu Fuß oder bin ich im Auto unterwegs“, sagt der Italien-Liebhaber, der seiner Lieblingsstadt Triest ständig ein ganzes Auslagenfenster seiner Buchhandlung widmet. “Unser Aktionsradius ist halt ein bisserl eingeschränkter.“ Seine Frau Ingrid hat damit leben gelernt. Dass Kerosin nicht besteuert wird, empfindet Lux sowieso als ungerecht. Flugangst sei jetzt nicht mehr der entscheidende Faktor, meint er, aber: "Jeder Bericht über Chaos durch Streiks des Personals von Airlines und Flughäfen bestärkt mich in meinem Entschluss. Und am Fahrersitz sitzt sich's 100 Mal besser als eingepfercht ­neben Menschen in Jogginghosen, Ruderleiberln und Schlapfen."

Aufzug? Besser die Stiege.

Tina Milacek, 39, Journalistin.

Die Niederösterreicherin blieb vor vier Jahren im Hafen von Genua in Italien in einem gefühlt 100 Jahre alten Aufzug stecken. "Wir waren viel zu viele. Der Lift war nur für neun Personen zugelassen – und nicht für vierzehn." 35 Minuten musste sie auf Hilfe warten. Für Tina verdammt lang – eine Ewigkeit. "Ich hatte meine erste Panik­attacke: Hitzewallungen, Angst, Tränen. Das hatte ich noch nie." Seither meidet die passionierte Reisende Aufzüge und ist sportlich unterwegs, nimmt immer die Stufen.

"Auch in Hotels – bis zu acht Stockwerke gehe ich zu Fuß." Und den Koffer? Den stellt sie einfach in den Lift und ruft ihn zu sich. Manchmal fährt er öfter hin und her.

Und wenn Tina nun doch einmal in den 35. Stock muss? Dann wartet sie, bis andere Personen mit ihr fahren. Alleine würde sie niemals in einen Lift einsteigen. "Es ist komisch. Ich bin steif und angespannt, versuche mich abzulenken. Ein Knaxer zu viel und Panik steigt erneut in mir auf." Im Alltag kommt sie gut zurecht: Ihre Wohnung ist im 1. Stock und ihr Büro ebenerdig.

Auto? Für ihn völlig sinnlos.

Thees Uhlmann, 45, Rockmusiker.

Ein eigenes Auto hat er noch nie besessen – und er möchte auch in Zukunft keines. "Ich lebe in Berlin, da ist das logistisch unsinnig." Einspruch gibt's von der Teenager-Tochter: "Die möchte, dass ich mir eines kaufe, weil sie das seriös findet, wenn Menschen Autos besitzen." Käme ein Elektro-Kleinwagen infrage? Er lacht: "Damit ich bei der Dönerbude fragen muss, ob ich über Nacht ein Verlängerungskabel reinhängen kann? Nö, danke."

Was ihn wahnsinnig macht: "Man steht ja nicht im Stau, man ist der Stau. Wenn ich sehe, dass die Leute in ihren Autos WhatsApp-Nachrichten schreiben, dann möchte ich hingehen, ihr Handy weit weg werfen und sagen: Hey, wir machen nicht zwei Sachen gleichzeitig, okay?"

Am liebsten ist Uhlmann mit der Eisenbahn unterwegs: "Ich sehe mich ja als Railjet-Künstler. Im Zug zu texten finde ich magisch." Eine Ausnahme muss er von Berufs wegen aber machen: "In unserem Tourbus durch die Nacht zu fahren, das genieße ich schon." 

Zug? Am Land mühsam.

Bernd Bodner, 33, Unternehmer.

"Mein Schulweg war eine Odyssee", lacht der Kärntner heute. Für die 17 Kilometer von Glanegg nach Klagenfurt brauchte er per Zug 80 Minuten. Die Rückfahrt war besonders schlimm: "Ich habe in Sankt Veit an der Glan oft eine Stunde auf die Anschlussverbindung gewartet." Als Landkind ist er deshalb mit 15 Jahren sehr schnell auf das Moped umgestiegen und brauchte nur noch 21 Minuten in die Schule. Im Winter blieb ihm der Zug trotzdem nicht erspart.

Endlich, mit 19, sein erstes Auto: ein BMW 320. "Mein ganzes Taschengeld ging damals fürs Benzin drauf. Ich hatte immer Nebenjobs – auch während des Studiums." Ohne die Finanzspritze seiner Eltern hätte er sich den Wagen trotzdem nicht leisten können. Seither ist der 33-Jährige nie wieder mit dem Zug gefahren. "Meine nächste Reise geht mit meiner Freundin nach Rom. Eigentlich wollten wir den Nachtzug ab Villach nehmen. Die Kosten waren so hoch, dass wir jetzt ab Triest fliegen." Auch beruflich ist der Unternehmer  nur mit dem Auto unterwegs, den Kofferraum voll mit seiner Hundenahrung. 

www.hundejause.at

Führerschein? Nein, danke.

Ollin Sobotka, 18, Maturantin.

Das Thema CO2 ist der Wienerin sehr wichtig. Deshalb ernährt sie sich seit über zwei Jahren auch ausschließlich vegetarisch. Um ihren persönlichen CO2-Fußabdruck zu reduzieren, hat sie sich auch dazu entschieden, den Führerschein erst gar nicht zu machen. Taxi- oder Uber-Fahrten meidet sie sowieso, ab und zu fährt sie mit Freunden mit, wenn sich das nicht vermeiden lässt.

In Wien ist sie ausschließlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. "Das geht grundsätzlich gut. Aber schön wäre es schon, wenn die U-Bahn nicht nur am Wochenende, sondern auch unter der Woche 24 Stunden in Betrieb wäre", meint sie. Auch eine Intervall-Verkürzung am Sonntag würde sie freuen. In Österreich und in Europa ist Ollin vorwiegend mit der Bahn unterwegs. Weil das demnächst noch öfter als bisher der Fall sein wird, spart sie jetzt schon darauf. Freiwillig das oft günstigere Flugzeug zu nehmen, kommt für sie nicht infrage. Sie wird es aber nehmen müssen, um die ganze Welt zu entdecken. "Ja, aber mit schlechtem Gewissen", sagt sie. "Zum Ausgleich werde ich mich dann vegan ernähren."