Interview: Amy Macdonald

Auch Rockstars wie Amy Macdonald sitzen derzeit in der Jogginghose daheim und träumen vom "Leben danach". Wir haben mit ihr geplaudert: über ihre Stimme, ihre Heimat und – Autos.

Schöne neue Home-Office-Welt: Statt des Mobiltelefons klingelt der Laptop. Ich habe eine Video-Verabredung mit der vielleicht tollsten Stimme Schottlands – Mrs. Amy Macdonald.

— Hallo, Amy. Als ich dich 2007 während eines England-Urlaubs zum ersten Mal im Frühstücksfernsehen der BBC live gehört habe, dachte ich sofort: "Aus dieser jungen Dame wird noch was." Habe ich recht behalten?

amy macdonald: (lacht) Ja, sieht so aus.

— Kurz darauf war ich auch bei deinem ersten Wien-Konzert. Da waren im Gegensatz zu den großen Hallen, in denen du heute spielst, vielleicht 100 Leute im Publikum. Kannst du dich daran noch erinnern?

amy macdonald: An das erste nicht, die Zeit damals erscheint mir wie ein Zeitraffer-Film. Aber ich kann mich an einen meiner letzten Auftritte in Wien sehr gut erinnern, das war 2019 im Gasometer. Das war eines jener speziellen Konzerte, bei denen das Publikum den gleichen Herzschlag hatte wie ich. Sowas vergisst man nicht.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass meine Stimme so klingt, wie sie klingt.

Amy Macdonald

Der berühmte Akzent

— Vorweg: Fällt es dir als Schottin schwer, mit mir extra langsam zu sprechen, damit ich dich halbwegs verstehen kann?

amy macdonald: (lacht) Ach, nein. Ich gebe seit so vielen Jahren Interviews auf der ganzen Welt, dass ich über die Zeit gelernt habe, meinen Akzent einzubremsen. Wenn ich mir aber auf YouTube so manche Gespräche aus der Zeit des Beginns meiner Laufbahn anschaue, muss ich mich oft sogar konzentrieren, mich selbst zu verstehen. Kein Witz.

Abgeschottet

— In normalen Zeiten tourst du regelmäßig durch die ganze Welt. Fehlt dir dieses ständige Unterwegssein derzeit?

amy macdonald: Ich finde es für mich persönlich gar nicht so schlecht, dass ich jetzt gezwungen werde, einmal runterzukommen. Was ich sicher nicht vermisse, ist der Stress auf Flughäfen, die Flugverspätungen und die über Monate täglich wechselnden Hotelzimmer samt Taxi-Weckrufen um vier Uhr morgens.

Allerdings fehlt mir meine Crew, mit der ich seit dem ersten Tag als tourende Musikerin unterwegs bin, sehr. Diese Menschen sind meine zweite Familie.

Andererseits ist es so, dass ich solche Ruhephasen ja kenne. Man bringt ein Album raus, ist dann zwei Jahre permanent "on the road", und dann ist wieder ein Jahr Pause. Was meinen üblichen beruflichen Alltagsablauf betrifft, hat sich durch Corona im Prinzip nicht viel geändert.

Amy Macdonald - "This Is The Life"


Auf dem Boden geblieben

— Viele Rockstars ziehen nach den ersten großen Erfolgen in Städte wie Los Angeles oder Paris. Du lebst immer noch in deiner schottischen Heimatstadt Glasgow. Nicht wegen des schönen Wetters, oder?

amy macdonald: (lacht) Nein. Aber ich habe mich hier einfach immer wohlgefühlt. Glasgow ist zwar eine Großstadt, aber in 20 Minuten bin ich auch in der Natur. Dazu kommt, dass ich ein sehr simpler Charakter bin. Mir ist Berühmtheit nicht wichtig, ich bin einfach nur gerne ich. Und das funktioniert in Glasgow ganz toll. Hier sind meine Freunde, hier bin und bleibe ich die Amy, die sie von früher kennen.

Ich liebe Schottland und seine Menschen. Wir sind ein leidenschaftlicher patriotischer Haufen mit Hang zum schwarzen Humor, das erdet mich. Würde ich hier plötzlich auf "Mrs. Superstar" machen, dann würde man mir das in der Sekunde gleich wieder abdrehen.

— Auf deiner Insel spielt sich das soziale Leben großteils in den Pubs ab. Wie ist das jetzt, wenn die alle zu haben und du mit deinen Freunden nicht auf ein Bier gehen kannst?

amy macdonald: Ehrlich gesagt: Ich vermisse das Live-Spielen noch mehr als das Pub. Aber eine meiner besten Freundinnen bombardiert mich täglich mit SMS über die neuesten Pub-Öffnungs-Szenarien unserer Regierung. Die kann es wirklich nicht mehr erwarten, weil sie seit einem Jahr allein im Home Office sitzt und ihr das Ausgehen psychisch extrem fehlt.

Andererseits: Schottland hat historisch keine gesunde Beziehung zum Alkohol, bei uns dreht sich wirklich vieles nur darum. Vielleicht ändert diese lange "Trockenphase" etwas in den Köpfen der Menschen und es wird nicht mehr so maßlos getrunken. Das soll aber nicht moralisch überheblich klingen. Ich verstehe die Situation ja.

Petrolhead

— Viele unserer Leser werden nicht wissen, dass du eine echte Auto- und Rennsport-Fanatikerin bist. Du warst zum Beispiel zu Gast bei der englischen Kult-Serie "Top Gear" (siehe hier) und es gibt Videos auf YouTube, wo du mit deinem Ferrari durch Glasgow fährst. Woher kommt diese Beziehung zum Auto?

amy macdonald: Das waren viele Zufälle. Als ich meinen Führerschein bekam, hatte ich soeben auch meinen ersten Plattenvertrag unterschrieben und mir um das Geld einen originalen Mini Cooper gekauft. Das war Glück, denn in meiner Umgebung gibt es nicht viele junge Menschen, die sich ein eigenes Auto leisten können.

Jedenfalls bin ich dann mit all meinen Freunden in diesem Mini permanent durch die Gegend gefahren und habe mich ins Autofahren an sich verliebt. Dann kam mein erstes Album raus, wurde ein riesiger Erfolg und ich war plötzlich in der glücklichen Lage, mir wirklich nette Autos zu kaufen. Den Ferrari zum Beispiel. Daraus wurde eine Sammelleidenschaft, und ich bin dann auch immer wieder zu den Autosalons in Genf oder Frankfurt gefahren, um zu sehen, was es Neues gibt.

Es ist einfach eine Leidenschaft. Vor kurzem bin ich mit einem McLaren Senna wieder einmal auf einer Rennstrecke in Schottland gewesen und habe mir geschworen, regelmäßiger zu trainieren, wenn das alles vorbei ist. Mir ist aber bewusst, dass ich sehr privilegiert bin, mir so ein Hobby leisten zu können.

— Käme für dich ein Elektroauto in Frage?

amy macdonald: Grundsätzlich schon. Mir würden elektrische Sportwagen wie der Porsche Taycan oder ein Rimac sogar sehr gefallen. Wir haben hier aber das Problem der fehlenden Lade-Infrastruktur. Mein Ehemann (Profi-Fußballer Ricky Foster, Anm.) stammt aus dem Norden Schottlands und fährt oft zu seiner Familie. Unterwegs gibt es aber nur eine Ladestation und bei ihm dort oben gar keine, also kämen wir nicht problemlos hin und zurück.

Großbritannien ist da – bis auf den Großraum London – im Vergleich zur EU leider ziemlich hinten nach. Ich denke, dass es bei diesem Thema momentan nicht am Willen der Kunden scheitert, sondern bislang noch an der Politik und den Herstellern. Für den Elektro-Alltag der Menschen braucht es bei uns bessere Infrastruktur und mehr Reichweite. Der Ball rollt zwar schon, aber er sollte schneller rollen.

Amy Macdonald - "Fire"


Stimmgewaltig

— Stichwort Ehemann: Auf deinem neuen Album "The Human Demands" ist auch der Song "Fire" – nach deinen Worten für ihn geschrieben und das einzige Liebeslied, das du je veröffentlichen wirst. Bist du keine Romantikerin?

amy macdonald: (lacht) Nein, gar nicht. Ich hasse kitschige Lovesongs. Die Beziehung zwischen meinem Mann und mir besteht nicht aus romantischen Kerzenlicht-Dinners und Blumengeschenken, sondern täglichem Lachen, Necken und Streiche spielen. Wir sind beste Freunde, und deshalb funktionieren wir auch miteinander.

"Fire" ist ja auch keine typische Ballade. Da gibt’s laute Gitarren wie bei Bruce Springsteen, der das ja perfektioniert hat, zarte Gefühle in akustisch bombastischen Songs zu verstecken.

— Wie machst du das eigentlich mit deiner unfassbaren Stimme? Braucht die Training?

amy macdonald: (lacht) Ich könnte jetzt lügen, aber: nein. Ich mache nur meinen Mund auf und sie kommt einfach raus, ich schwöre.

Dazu gibt's auch eine lustige Geschichte: Vor ein paar Jahren war ich in Schottland zu einem Fußballspiel eingeladen. Und Sir Rod Stewart war auch da.

Kurz vor dem Match wurde ich von einem offiziellen Anzugträger gebeten, spontan in der VIP-Loge die schottische Hymne zu singen. Das habe ich auch gemacht. Als ich fertig war, meinte Rod Stewart zu mir: "Wie zum Teufel kannst du aufstehen und so singen? Um das hinzukriegen, müsste ich meine Stimme vorher zwei Stunden aufwärmen."

Ich darauf: "Sorry, ich weiß es echt nicht." Und er, genervt: "Du bist ja nicht normal."

Fand ich eine witzige Situation (lacht). Aber ich bin dankbar dafür, dass meine Stimme so klingt, wie sie klingt.

Blick in die Zukunft

— Denkst du, dass die Pandemie unsere Art und Weise, Konzerte zu besuchen, langfristig verändern wird?

amy macdonald: Ich hoffe nicht. Ich bin mir aber sicher, dass die meisten Menschen auch danach noch lange brauchen werden, ohne Angst in einer vollen Halle zu stehen. Die meisten in meinem Umfeld können es natürlich nicht erwarten, in den Normalzustand zurückzukehren.

Darunter auch meine Mutter, die zwar in ihren späten Sechzigern ist und deshalb gefährdet, die aber – im Gegensatz zu meinem übervorsichtigen Vater – schon jetzt Pläne schmiedet, was sie alles machen wird.

Diese Zweiteilung der Menschen wird man auch bei Konzerten beobachten können, glaube ich. Die eine Hälfte wird sofort wieder kommen, die andere wird abwarten. Ich denke also, dass Konzerte erst einmal kleiner werden.

Was mich betrifft, wird es auch davon abhängen, wie die Situation in den einzelnen Ländern sein wird. In Großbritannien werde ich dank der guten Impfsituation wohl früher wieder spielen können als anderswo. Wenn ich meine Daumen ganz fest drücke, könnte ich mir aber vorstellen, dass Welt-Tourneen im nächsten Sommer wieder möglich sind. Aber bitte setze kein Geld auf diese Wette (lacht).