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August 2024

E-Mobilität muss leistbar werden

Verbrennerverbot, Pendlerförderung, Infrastrukturausbau, Fahrtüchtigkeitschecks:
Wir haben die Spitzenkandidaten der Parlamentsfraktionen im Vorfeld der Nationalratswahl 2024 nach ihren Positionen zu aktuellen Mobilitätsthemen gefragt.

Warum er Pendler nicht für politische Versäumnisse bestrafen will, welchen Stellenwert der PKW einnehmen soll und wie er sich für den Schutz persönlicher Daten einsetzt, erklärt SPÖ-Chef Andreas Babler im Interview.

Interview: Oliver Schmerold, Bernhard Wiesinger, Stephan Strzyzowski

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Stephan Strzyzowski, Bernhard Wiesinger, Andreas Babler, Oliver Schmerold (v.l.)

Welche Rolle soll das private Auto in der Verkehrspolitik spielen? Welchen Platz räumen Sie ihm in Stadt und Land ein?

Andreas Babler: Der PKW soll den Platz erhalten, der notwendig ist. Es gibt nach wie vor viele Regionen, wo die Menschen auf das Auto angewiesen sind, weil die öffentliche Infrastruktur fehlt. Auf der anderen Seite nutzen in Großstädten immer mehr Menschen die öffentlichen Verkehrsmittel anstatt eines eigenen Autos. Hier entsteht mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer. Eine sinnvolle Ergänzung zu den Öffis bieten auch immer öfter Sharing-Modelle, wenn Menschen aus gut erschlossenen Gebieten individuelle Fahrten unternehmen wollen.

Die Inflation seit 2021 liegt bei 21,6%. Die monatlichen Kosten für ein Auto sind allerdings um fast 26% gestiegen. Wie wollen Sie die Autofahrerinnen und Autofahrer entlasten?

Die Kosten für Energie und für Treibstoffe waren einer der wesentlichsten Preistreiber in den letzten drei Jahren. Hier mussten wir ein komplettes Versagen der Regierung erleben. Wenn der Individualverkehr wieder billiger werden soll, muss man die Energiekosten insgesamt in den Griff kriegen. Das gelingt beispielsweise, in dem man dort eingreift, wo bei Energiekonzernen Übergewinne gemacht werden.

Die nationale CO2-Bepreisung wird bis 2027 in den europäischen ETS II Handel übergeführt. Viele Ökonomen erwarten, dass der Literpreis an der Zapfsäule dadurch um über 25 Cent pro Liter ansteigt. Ist in diesem Fall für Sie eine Senkung der Mineralölsteuer vorstellbar?

Eine CO2-Bepreisung finde ich insgesamt sinnvoll. Wichtig ist allerdings, dass sie sozialverträglich ausgestaltet wird und dass sie keine überbordende Verteuerung für die Leute auslöst, die keine Alternativen haben.

Wenn man die Spritpreisentwicklungen analysiert, erkennt man, dass die CO2-Bepreisung bei ohnehin dramatischen Preissteigerungen noch eins oben draufgesetzt hat, aber die marktbedingten Preissteigerungen deutlich höher waren als die CO2-Bepreisung. Leider funktioniert sie auch als Lenkungsmaßnahme nicht besonders gut, was auch an der Konstruktion des Klimabonus mit seiner wenig nachvollziehbaren regionalen Staffelung liegt. Wichtig wäre, den Menschen attraktive Alternativen zu bieten, um kostengünstiger öffentlich fahren zu können.

Für das WIFO und viele Umweltökonomen ist die Unterstützung von Pendlern eine "umweltschädliche Subvention", die abgeschafft gehört. Sehen Sie das auch so?

Im Vergleich zu 1970 haben wir in Österreich um 1.200 km Schienenkilometer weniger. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Wir können die Menschen, die pendeln müssen, nicht für die Versäumnisse der Infrastrukturpolitik bestrafen. Es gibt für viele Menschen keine Möglichkeit, öffentlich zu pendeln. Es gibt vielerorts nur ein Busnetz, das unattraktiv ist, wo du stundenlang unterwegs bist, wo du Arbeits- und Lebenszeit verlierst. Würden wir die Pendlerförderungen zurückfahren, wären vor allem jene Leute betroffen, die eh schon bestraft sind, weil es in ihrer Region nur ein schwaches Angebot gibt. Pendlermaßnahmen zurückzufahren, ist also der falsche Weg. Wir setzen uns allerdings für eine Pendlerpauschale ein, die sozial ausgewogen ist und nicht höhere Einkommen stärker entlastet. Wir waren immer für einen kilometerbezogenen Absetzbetrag.

Wie lange wollen Sie die Ankaufsförderungen für E-Autos fortführen?

Elektromobilität ist für viele Menschen aktuell nicht leistbar. Deswegen geht es noch nicht ohne Förderungen. Es braucht allerdings auch für die Autoindustrie Planungssicherheit vonseiten der Politik. Sinnvoll wäre deshalb ein Transformationsfonds, um die Innovationskraft in den Firmen zu befeuern und die Kalkulierbarkeit und Planbarkeit für die Großkonzerne im Automobilsektor zu gewährleisten.

Elektromobilität ist für viele Menschen aktuell nicht leistbar.

Andreas Babler, SPÖ

E-Auto-Fahrerinnen profitieren aktuell von vielen Steuerbefreiungen.
Wie lange würden Sie diese Steuererleichterungen aufrechterhalten?

Solange sie nötig sind. Ich würde auch darauf achten, dass die Förderungen nicht nur Unternehmen zugutekommen. Denn vor allem für Durchschnittsverdiener muss E-Mobilität leistbar werden. Zudem müssen wir die Infrastruktur rasch ausbauen. Solange das Ladenetz mangelhaft ist, werden wir die Menschen nicht zum Umstieg animieren können.

Unter der aktuellen Bundesregierung wurden zahleiche Infrastruktur-Projekte wie der Lobautunnel, die A9 bei Graz oder die S18 gestoppt. Wie würde es in einer Regierung, der Sie angehören, mit diesen Infrastrukturprojekten weitergehen?

Den genannten Projekten gehen eine positiv abgeschlossene strategische Prüfung im Sinne der Verkehrskonzepts und eine Umweltverträglichkeitsprüfung voraus. Und sie sind mit Mehrheit beschlossen. Wenn Projekte im Nationalrat beschlossen worden sind, dann müssen sie umgesetzt werden. Oder es müssen neue Mehrheiten gefunden werden – das halte ich aus demokratischer Sicht für wichtig. Das heißt nicht, dass ich alle Straßenbauprojekte für gescheit halte. Denn die Priorität muss darauf liegen, den öffentlichen Verkehr rasch auszubauen.

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Die EU fordert von ihren Mitgliedstaaten konkrete Nationale Energie- und Klimapläne (NEKP), wie sie die Klimaziele 2030 erreichen wollen. Viele Vorschläge für NEKP-Maßnahmen fußen auf der Idee, dass der Pkw-Verkehr weniger wird, wenn die Kosten empfindlich steigen. Betroffen davon sind vorwiegend Menschen mit niedrigerem Einkommen. Halten Sie diesen Ansatz für richtig?

Nein, ich bin kein Freund davon, Autofahren finanziell unmöglich zu machen oder moralisch mit dem Finger auf Leute zu zeigen. Ich reagiere allergisch darauf, wenn Politiker sagen, dass die Menschen nicht mehr mit dem Diesel fahren dürfen, wenn es überhaupt keine andere Möglichkeit gibt. Wenn wir wollen, dass die Menschen weniger mit Autos fahren, dann muss man den öffentlichen Verkehr wirklich attraktiv gestalten. Das ist ein positiver Lenkungseffekt, den man nutzen kann. Auch mit zusätzlichen Kosten wirst du Leute, die keine Alternativen haben, nicht vom Auto wegbringen. Vielmehr triffst du die sozial schwächeren Haushalte viel stärker. Ich bin auch dafür, den Nahverkehr nach gewichtetem Haushaltseinkommen günstiger zu machen. Ich habe das in Traiskirchen, wo ich Bürgermeister bin, gemacht.

Diese Bundesregierung hat das Klimaticket eingeführt. Verkehrswissenschafter wie Prof. Gerd Sammer kritisieren, dass das Klimaticket in punkto CO2-Einsparungen ineffizient sei und man das Geld besser in den Ausbau des ÖV-Angebotes investieren sollte. Soll das Klimaticket bleiben?

Das Klima-Ticket hat für viele Menschen eine Vergünstigung gebracht. Aber es ist erstens abhängig von der Region und von der Häufigkeit der Nutzung, ob sich das Klimaticket auszahlt oder nicht. Dass es eine CO2-Reduktion bringt, steht außer Frage. Den weiteren Ausbau der Öffentlichen würden ich über einen ausgeglichenen Staatshaushalt, eine Sanierung des Budgets und über eine Steuer der Superreichsten finanzieren. Wir brauchen mehr Gerechtigkeit in der Frage der Steuern und wir sollten auch Überförderungen dringend reduzieren. Diese Mittel müssen wir zweckgebunden in die Infrastruktur stecken. Denn wenn das Geld knapp wird, leidet immer der Infrastrukturausbau.

Wie sieht generell Ihre Vision vom Verkehr der Zukunft aus?

Wir befinden uns in einer Transformationsphase und sollten nicht in alte Denkmuster verfallen. Die Individualmobilität wird auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Es ist ein Recht von Menschen, Individualmobilität zu nutzen.

Ich empfinde es auch selbst als Freiheit, dass ich individuell dort hinfahren kann, wohin ich will und nicht, wo eine Zuglinie hinfährt. Die Politik wird Mobilität aber zukünftig sicher vernetzt über die verschiedenen Verkehrsträger hinweg denken müssen. Rad, Auto, Zug, Bus, Sharing – das alles müssen die Menschen unkompliziert nützen können. Und es braucht attraktive Verbindungen dazwischen.

Es ist ein Recht von Menschen, Individualmobilität zu nutzen.

Andreas Babler, SPÖ

Wie denken Sie über eine Herabsetzung der generellen Tempolimits auf Autobahnen und in Städten?

Sie reden mit dem Bürgermeister einer Stadt, die im südlichen Wiener Umland auch mit viel Verkehr konfrontiert ist. Die Traiskirchener Bürgerinnen und Bürger wollen dort, wo sie wohnen, entweder eine Wohnstraße oder eine 30er-Zone. Wo die Menschen nicht selbst wohnen, wollen sie rasch vorankommen. Diese Interessen gilt es abzuwägen und entsprechende Mehrheiten zu finden. Ich finde es grundsätzlich gescheit an vielen Stellen langsamer zu fahren, aber es muss von der Bevölkerung getragen sein. Wichtig ist daher, am Bewusstsein zu arbeiten.

Die EU hat letztes Jahr ein Neuzulassungsverbot für Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 beschlossen, das jetzt wieder wackelt. Reicht die erleichterte Zulassung grüner Verbrenner, die nur mit E-Fuels betrieben werden können aus, oder geht sie am Kern des Problems vorbei? Denn auf den Straßen werden auch nach 2035 weiterhin Millionen Autos mit Verbrennungsmotoren im Betrieb bleiben.

2035 erfolgt lediglich ein Verbot von Neuzulassungen, die CO2 emittieren. Das heißt, im Bestand ändert sich für niemanden etwas. Ich selbst fahre einen Kübelwagen mit Baujahr 1976 und das werde ich auch über 2035 hinaus tun – wenn das Auto so lange hält. Neue Verbrenner kann man ab 2035 dann zulassen, wenn sie mit E-Fuels betrieben werden. Vermutlich wird die Produktion von E-Fuels allerdings zu teuer sein. Es wird sich nicht wirtschaftlich darstellen lassen. Ob sich die Klimaziele mittels E-Mobilität erreichen lassen, hängt auch davon ab, ob die Automobilindustrie Planungssicherheit erhält. Wenn ja, wird sie so produzieren, dass E-Mobilität massentauglich wird. Die Aufgabe der Regierungen liegt darin, die Infrastruktur dafür bereitzustellen.

Durch eine Novelle der EU-Führerschein-Richtlinie werden die Mitgliedstaaten in Zukunft national eine regelmäßige Überprüfung der Fahrtüchtigkeit – jedenfalls für ältere Führerscheinbesitzer – einführen müssen.
Soll diese regelmäßigen Überprüfungen durch Test beim Arzt oder durch standardisierte Selbsteinschätzungen umgesetzt werden?

Wenn man die Unfallzahlen analysiert, erkennt man, dass die älteren Semester nicht das Problem sind. Die Hauptursachen für Unfälle sind Ablenkungen, die häufig durch Handys erfolgen. Auch da sind Senioren weit weniger gefährdet als Junge. Ich bin klar gegen diese Altersdiskriminierung. Sie widerspricht den Zahlen. Ich stelle mich auch gegen so einen Eingriff in die persönlichen Freiheitsrechte. Die Mobilität der Landbevölkerung würde durch diese Maßnahme erheblich eingeschränkt werden.

E-Bikes boomen und damit steigt leider auch die Anzahl der getöteten Radfahrenden. Überwiegend sind es ältere E-Bike-Fahrer:innen, die ohne Unfallgegner verunglücken. Halten Sie die Einführung einer Helmpflicht für E-Bikes für sinnvoll?

Ich glaube, dass es mehr gesicherte Radwege braucht. Das würde viele Unfälle verhindern, wenn die Radfahrer weniger in Konflikt mit Autofahrerinnen und Autofahrern kommen. Die Menschen müssen sicher mit dem Rad von A nach B kommen können. Außerdem wäre eine Kontrolle der tatsächlich möglichen Höchstgeschwindigkeit für E-Bikes sinnvoll.

Automobilhersteller schränken den Zugang zu Reparatur- und Wartungs-Daten immer mehr ein. Wie wollen Sie der Europäischen Kommission beim Thema "Daten aus dem Auto" Beine machen?

Personenbezogene Daten müssen geschützt werden. Sie dürfen nicht automatisch von den Autokonzernen genützt werden. Zudem muss der kostenfreie Zugang für Werkstätten und Pannenhelfer gewährleistet bleiben. Als Konsument muss ich die Freiheit haben, selber eine Werkstatt und einen Vertragspartner auszusuchen, den ich will. Dafür werde ich mich auch auf europäischer Ebene einsetzen.

Wordrap

Ich habe einen Führerschein für… die Klassen B, C, F, G und auch den Staplerschein.
Mein erstes eigenes Auto war… der Kübelwagen VW 181, den ich noch heute fahre.
Meine erste größere Reise ohne Eltern habe ich… mit dem Auto gemacht.
Derzeit fahre ich privat… den Kübelwagen VW 181 und einen VW Transporter.
Sind Sie schon einmal schneller als 130 auf der Autobahn gefahren? Ja.
Das letzte Mal mit Öffis gefahren bin ich… letzte Woche.
Mit dem Fahrrad fahre ich… täglich.
Mein Wahlkampffahrzeug ist… ein Wohnmobil mit klassischem Verbrenner.
Mobil zu sein bedeutet für mich… individuelle Freiheit.

Klare Frage, klare Antwort

  1. Kilometer-abhängiges Road Pricing auf allen Straßen? Nein
  2. Ausbau von Staustrecken stoppen: Vielleicht
  3. Parkmöglichkeiten in Städten verteuern: Vielleicht
  4. Citymauten in den Landeshauptstädten: Nein
  5. Autofreien Tag pro Monat einführen: Nein
  6. Förderung der Elektromobilität fortsetzen: Ja
  7. Private Dienstwagennutzung verteuern: Nein
  8. Generelle Tempolimits reduzieren: Nein
  9. Fahrradhelmpflicht für E-Bikes: Nein
  10. Fahrtüchtigkeits-Checks für Ältere: Nein
  11. Klimaticket fortführen: Ja

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