Kraftstoff muss leistbar bleiben
Verbrennerverbot, Pendlerförderung, Infrastrukturausbau, Fahrtüchtigkeitschecks:
Wir haben die Spitzenkandidaten der Parlamentsfraktionen im Vorfeld der Nationalratswahl 2024 nach ihren Positionen zu aktuellen Mobilitätsthemen gefragt.
Wieso E-Autos eine eindimensionale Sackgasse sind, das Verbrennerverbot weg muss und warum wir sicher nicht alle mit dem Lastenrad herumfahren werden, erklärt FPÖ-Chef Herbert Kickl im Interview.
Interview: Oliver Schmerold, Stephan Strzyzowski, Bernhard Wiesinger
Welche Rolle soll das private Auto in der Verkehrspolitik spielen? Welchen Platz räumen Sie ihm in Stadt und Land ein?
Herbert Kickl: Ich will, dass unsere Mobilität von Selbstbestimmung geprägt ist. Die Verbreitung des Autos war ein wichtiger Schritt in Richtung Freiheit, die wir erhalten müssen. Darin sehe ich keinen Gegensatz zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Doch sollten wir dabei realistisch bleiben und die geografischen Gegebenheiten und auch die unglaublichen Kosten berücksichtigen, die entstehen würden, wenn wir jeden Landstrich mit Öffis erschließen wollten. Die private Mobilität mit dem Auto wird auch in Zukunft eine wesentliche Rolle spielen. Wir kämpfen mit aller Vehemenz dagegen, Zwänge auszuüben, um den individuellen Verkehr einzuschränken.
Die Inflation seit 2021 liegt bei 21,6%. Die monatlichen Kosten für ein Auto sind allerdings um fast 26% gestiegen. Wie wollen Sie die Autofahrerinnen und Autofahrer entlasten?
Wir leben in einer Zeit, die von verrückten Entscheidungen geprägt wird. Eine dieser verrückten Entscheidungen ist das, was ich als Klimakommunismus bezeichne. Die Klimaveränderung ist wahrscheinlich das Komplexeste, was es überhaupt gibt, und sie soll jetzt mit einer ganz einfachen Antwort gelöst werden: Wir nutzen keine fossilen Energiequellen mehr und dann wird alles gut. Mit dieser Idee geht der Klimakommunismus auf den Verbrenner los und will ihn abschaffen. Diesen Vorstoß von europäischer Seite bekämpfen wir vehement. Die Leute dürfen nicht finanziell unter Druck gesetzt werden, indem Autofahren bewusst verteuert wird. Wir werden diese absurden steuerlichen Belastungen zurückzunehmen. Diesel und Benzin müssen leistbar bleiben. Entweder werden wir die Preise deckeln oder bestimmte Bestandteile des Gesamtpreises eliminieren.
Die nationale CO2-Bepreisung wird bis 2027 in den europäischen ETS II Handel übergeführt. Viele Ökonomen erwarten, dass der Literpreis an der Zapfsäule dadurch um über 25 Cent pro Liter ansteigt. Ist in diesem Fall für Sie eine Senkung der Mineralölsteuer vorstellbar?
Wir müssen uns in Österreich irgendwann entscheiden, ob wir Politiker sind, die Gesetze machen, oder Beamte, die sie vollziehen. Ich bin nicht der Meinung, dass wir eine CO2-Bepreisung zu akzeptieren haben. Wenn es nach uns geht, streichen wir die CO2-Bepreisung. Der Preis für Kraftstoff darf eine bestimmte Höhe nicht überschreiten und muss für den Normalverbraucher leistbar bleiben. In Österreich können wir allemal über die Mineralölsteuer eingreifen.
Für das WIFO und viele Umweltökonomen ist die Unterstützung von Pendlern eine "umweltschädliche Subvention", die abgeschafft gehört. Sehen Sie das auch so?
Solange sich die Menschen nicht beamen können, werden viele Angestellte pendeln müssen. Ich bin froh, wenn die Leute in Beschäftigung sind. Natürlich müssen sie irgendwie vom Arbeitsplatz nach Hause kommen und umgekehrt. Es ist notwendig, dafür entsprechende finanzielle Unterstützungsleistung zu liefern.
Solange sich die Menschen nicht beamen können, werden viele Angestellte pendeln müssen.
Herbert Kickl, FPÖ
Sie setzen sich also dafür ein, dass diejenigen Pendler, die auf das Auto angewiesen sind, eine höhere Entschädigung bekommen?
Wer das Auto braucht, muss eine entsprechende Unterstützung bekommen. Ich bin entsetzt, wenn ich höre, dass jetzt überhaupt nichts mehr gestützt werden soll, das eine fossile Komponente beinhaltet. Das ist ein erneuter Anschlag auf die Pendlerunterstützung und auf das Dieselprivileg. Mit uns wird es das sicher nicht geben.
Unter der aktuellen Bundesregierung wurden zahlreiche Infrastruktur-Projekte wie der Lobautunnel, die A9 bei Graz oder die S18 gestoppt. Wie würde es in einer Regierung, der Sie angehören, mit diesen Infrastrukturprojekten weitergehen?
Die ganzen Planungen beruhen darauf, dass diese Verkehrsanbindungen benötigt werden. Sie sind wohl überlegt und was die Grünen immer vergessen ist, dass auch ein Elektroauto Straßen braucht. Wir würden diese Infrastrukturprojekte umgehend wieder aufnehmen und vorantreiben, weil sie im Interesse der Verkehrssicherheit und der Anbindung des ländlichen Raums sind.
Die EU fordert von ihren Mitgliedstaaten konkrete Nationale Energie- und Klimapläne (NEKP), wie sie die Klimaziele 2030 erreichen wollen. Viele Vorschläge für NEKP-Maßnahmen fußen auf der Idee, dass der Pkw-Verkehr weniger wird, wenn die Kosten empfindlich steigen. Betroffen davon sind vorwiegend Menschen mit niedrigerem Einkommen. Halten Sie diesen Ansatz für richtig?
Davon halte ich überhaupt nichts. Mobilität ist ein Grundbedürfnis, das leistbar bleiben muss. Wir müssen uns mit der Tatsache abfinden, dass es nicht überall möglich oder gewünscht sein wird, öffentlich zu fahren. Mit den fortgesetzten Verteuerungen schadet man nur denjenigen am meisten, die keine Alternative haben – und den anderen ist es egal. Das kann die Politik nicht zulassen.
Wie lange wollen Sie die Ankaufsförderungen für E-Autos fortführen?
Würden die Elektroautos nicht gefördert werden, würde sie kaum jemand kaufen. Wir fördern mit viel Steuergeld eine eindimensionale Sackgasse. Diese Förderung ist mir viel zu hoch. Sie macht deutlich, dass das Produkt nicht konkurrenzfähig ist, wenn ich es sonst nicht wegbringe. Ich halte auch die Fixierung auf die E-Mobilität für einen Irrweg. Wir sollten technologieoffen agieren und dem Verbrenner eine Chance auf eine weitere Entwicklung bieten – auch, was die Entwicklung neuer Brennstoffe anbelangt. Ich werde dieses Selbstmordattentat auf unsere Autoindustrie sicher nicht unterstützen.
Aktuell sind E-Autos weitgehend von Steuern befreit. Soll das so bleiben?
Das ist eine Querfinanzierung, mit der wir eine Technologie forcieren, die gar nicht so umweltfreundlich ist, wie sie vorgibt, und die in Konkurrenz zu den Kernkompetenzen unserer Wirtschaft steht. Das halte ich nicht für sinnvoll.
Alles auf eine Karte zu setzen, ist totaler Irrsinn.
Herbert Kickl, FPÖ
Die EU hat letztes Jahr ein Neuzulassungsverbot für Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 beschlossen, das jetzt wieder wackelt. Reicht die erleichterte Zulassung grüner Verbrenner, die nur mit E-Fuels betrieben werden können, aus, oder geht sie am Kern des Problems vorbei? Denn auf den Straßen werden auch nach 2035 weiterhin Millionen Autos mit Verbrennungsmotoren im Betrieb bleiben.
Das Verbot gehört weg. Das ist für mich die Lösung. Es ist absurd, wenn ich versuche, den gesamten Energiebereich so umzustellen, dass alles nachhaltig und CO2-frei ist. Dann müssen die Kohle und das Gas weg und in Deutschland schalten sie auch noch die Atomkraftwerke ab und das passiert alles zur selben Zeit. In exakt dem Moment, in dem wir einen riesigen Strombedarf generieren, indem wir die ganze Autotechnologie auch noch auf Elektro umstellen. Das kann sich nicht ausgehen und muss die Preise in die Höhe treiben. Hier alles auf eine Karte zu setzen, ist totaler Irrsinn.
Diese Bundesregierung hat das Klimaticket eingeführt. Verkehrswissenschafter wie Prof. Gerd Sammer kritisieren, dass das Klimaticket in punkto CO2-Einsparungen ineffizient sei und man das Geld besser in den Ausbau des ÖV-Angebotes investieren sollte. Soll das Klimaticket bleiben?
Eine Lösung anzubieten, um in ganz Österreich unkompliziert alle Verkehrsmittel zu nützen, ist durchaus sinnvoll. Doch müssen wir auch den Mut zur Wahrheit haben und den Menschen sagen, was das Ganze kostet. Wir sollten nicht so tun, als ob das alles gratis wäre und uns dann über neue Steuern wundern. Das Geld muss ja von irgendwo herkommen. Ich fände es wesentlich besser in die Infrastruktur zu investieren. Sie ist eines der Dinge, die man langfristig finanzieren kann, weil die Tilgung über einen sehr langen Zeitraum möglich ist. Die Investitionen kommen mehreren Generationen zugute.
Wie sieht denn generell Ihre Vision vom Verkehr der Zukunft aus?
Das Entscheidende ist für mich, dass jeder seinen individuellen Zugang zur Mobilität beibehalten kann. Das ist für mich das Allerwichtigste. Ich stelle mir eine gute Kombination aus öffentlichem Verkehr und Individualverkehr vor. Ich denke auch, dass wir mehr Vertrauen in die Leistungsfähigkeit unserer Ingenieure setzen müssen.
Wir sollten auf die Weiterentwicklung von Verbrennermotoren und anderen neuen Antriebstechnologien setzen, die jetzt leider abgetötet wird, indem man nur auf E-Autos setzt. Ich wünsche mir auch in der Forschung viel mehr Kreativität und einen offeneren Zugang zu all diesen Dingen. Wir werden auch in Zukunft sicher nicht alle mit dem Lastenfahrrad in der Gegend herumfahren.
Wir werden auch in Zukunft sicher nicht alle mit dem Lastenfahrrad in der Gegend herumfahren.
Herbert Kickl, FPÖ
Durch eine Novelle der EU-Führerschein-Richtlinie werden die Mitgliedstaaten in Zukunft national eine regelmäßige Überprüfung der Fahrtüchtigkeit – jedenfalls für ältere Führerscheinbesitzer - einführen müssen.
Soll diese regelmäßigen Überprüfungen durch Test beim Arzt oder durch standardisierte Selbsteinschätzungen umgesetzt werden?
Ich lehne so eine Regelung klar ab. Das ist wieder einmal ein Versuch der Europäischen Union, sich eine Kompetenz anzumaßen, die sich nichts angeht. Ich werde nichts unterstützen, was dazu führt, dass wir auch nur eine einzige Kompetenz mehr an Brüssel abgeben. Warum sollten wir solche Überprüfungen einführen? Wo liegt das Problem? Ich werde nicht zulassen, dass die Gesetzgebung in unserem Land weiter degradiert wird und Österreich zu einem Filialbetrieb von etwas Übergeordneten verkommt. Ich bin mir sicher, dass die Bevölkerung das nicht will.
E-Bikes boomen und damit steigt leider auch die Anzahl der getöteten Radfahrenden. Überwiegend sind es ältere E-Bike-Fahrer:innen, die ohne Unfallgegner verunglücken. Halten Sie die Einführung einer Helmpflicht für E-Bikes für sinnvoll?
Wenn jemand für sich selbst zur Erkenntnis kommt, dass ihm ein Helm guttut und ihn schützt, dann soll er ihn aufsetzen. Wenn das jemand nicht möchte, dann soll er es sein lassen. Wir müssen das nicht alles durchregulieren.
Automobilhersteller schränken den Zugang zu Reparatur- und Wartungs-Daten immer mehr ein. Wie wollen Sie der Europäischen Kommission beim Thema "Daten aus dem Auto" Beine machen?
Wir müssen den freien Datenzugang unbedingt erhalten. Wir werden uns dafür gemeinsam mit anderen Staaten organisieren müssen und unsere Forderungen nur dann durchbringen, wenn wir damit drohen, sonst andere Vorhaben zu blockieren. Das ist leider die einzige Sprache, die Brüssel versteht. Es funktioniert nicht anders. Ansonsten werden wir aus der Bittstellerrolle nie herauskommen.
Wordrap
Ich habe einen Führerschein für… die Klassen A und B, also für Auto und Motorrad.
Mein erstes Auto war… ein Renault 4 mit einem Fetzen-Dachl.
Meine erste größere Reise ohne Eltern habe ich… mit meinem Motorrad quer durch Europa gemacht.
Privat fahre ich… einen Audi Q7 mit Turbodiesel.
Sind Sie schon einmal schneller als 130 auf der Autobahn gefahren? Davon können Sie ausgehen.
Das letzte Mal mit dem Fahrrad bin ich… vor ein paar Tagen gefahren.
Mein Wahlkampffahrzeug… wird von einem Dieselmotor angetrieben.
Mobil zu sein bedeutet für mich… Freiheit und Selbstbestimmung.
Klare Frage, klare Antwort
Kilometer-abhängiges Road Pricing auf allen Straßen? Nein
Ausbau von Staustrecken stoppen: Nein
Parkmöglichkeiten in Städten verteuern: Nein
Citymauten in den Landeshauptstädten: Nein
Autofreien Tag pro Monat einführen: Nein
Förderung der Elektromobilität fortsetzen: Vielleicht
Private Dienstwagennutzung verteuern: Nein
Generelle Tempolimits reduzieren: Nein
Fahrradhelmpflicht für E-Bikes: Nein
Fahrtüchtigkeits-Checks für Ältere: Nein
Klimaticket fortführen: Vielleicht
Hier geht es zu den Interviews mit:
Karl Nehammer (ÖVP)
Andreas Babler (SPÖ)
Werner Kogler (die Grünen)
Beate Meinl-Reisinger (NEOS)