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August 2019

Interview Beate Meinl-Reisinger

Vor der Nationalratswahl 2019 befragt der auto touring alle Parteichefs zu Mobilitätsthemen.

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1. Klima-Fairness

Österreich muss bis 2030 seine Treibhausgas-Emissionen um 36 Prozent gegenüber 2005 verringern. Wer wieviel einsparen muss, ist aber unterschiedlich: Die Industrie kann sich per Zertifikathandel quasi „freikaufen“, Kerosin für Flugzeuge unterliegt keiner Mineralölsteuer, Schiffsverkehr wird erst gar nicht betrachtet. Wie stehen Sie dazu?

Beate Meinl-reisinger:Eine wesentliche Maßnahme, die wir vorschlagen, ist eine Ökologisierung des Steuersystems als Lenkungsmaßnahme. Unsere Berechnungen sind identisch mit denen des WiFo und unser Konzept ist das, was den Menschen nützt: Lohn- und Einkommensteuer radikal runter, auch Lohnnebenkosten senken, übrigens auch die Mehrwertsteuer, und im Gegenzug eine CO2-Steuer einführen, in drei Etappen.

Steuern steuern! Die Mineralölsteuer hat einen Lenkungseffekt, aber andere Steuern haben das nicht. Räumen wir einmal mit diesem Fleckerlteppich an Steuern auf, die teilweise Lenkungseffekte haben und teilweise nicht, und geben ein einfaches System vor, nämlich einen Preis für CO2.

Im ersten Schritt ist der Zertifikatshandel draußen. Ich verstehe ja auch die Argumentation der Industrie, die sagt, eigentlich funktioniert der Zertifikatshandel gar nicht so schlecht. Aber der Punkt ist höhere Planbarkeit und weniger Volatilität, aber da reden wir schon von der dritten Phase. Unser Modell der CO2-Steuer sieht ganz klar vor, dass letztendlich alle Bereiche mitgenommen werden, auch der Flugverkehr, auch die Schifffahrt, das ist meiner Meinung nach der fairste Zugang.

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2. Alternative Kraftstoffe

Biologische und synthetische Kraftstoffe können soziale Unwucht abfedern. Denn viele Maßnahmen im „Sachstandsbericht Mobilität“ sollen durch steigende Auto-Kosten weniger Verkehr und dadurch weniger Emissionen bewirken. Das trifft jene besonders, die auf ihr Auto angewiesen sind und sich kurzfristig keinen umweltfreundlichen Neuwagen leisten können. Verstärkter Einsatz von alternativen Kraftstoffen könnte den fossilen CO2-Ausstoß auch bei Bestandsfahrzeugen senken. Wie stehen Sie dazu?

Beate meinl-reisinger:Das ist eine ganz relevante Frage. Deshalb auch unser Modell der drei Phasen auf dem Weg zu einer CO2-Steuer: Wir haben errechnet, dass es bei den Steuersätzen, die wir dem Modell zugrunde legen, bis zu einer Kilometerleistung von 15.000 Kilometer pro Jahr keine Verteuerung gibt. Alternative Kraftstoffe können eine Übergangslösung sein, aber meiner Meinung nach nicht mehr als das – aus verschiedenen Gründen. Erstens ist die große Frage der CO2-Bilanz zu stellen, woher kommt beispielsweise die Biomasse, aus dem Marchfeld oder aus Chile? Und zweitens ist da immer die Frage „Tank oder Teller“. Die Mengen, damit das zu einer echten Alternative werden kann, sehe ich nicht. Wir sind da technologieneutral.

3. Sachstandsbericht Mobilität

Er wurde vom BMVIT in Auftrag gegeben und listet konkrete Maßnahmen auf, die der Erreichung der Klimaschutzziele dienen sollen. Welche der folgenden werden Sie umsetzen, wenn Sie in die Regierung kommen?

  • Mineralölsteuer-Erhöhung um bis zu 28 Cent: Nein, weil wir die MöSt abschaffen wollen zugunsten einer CO2-Steuer.
  • Bindung der Mineralölsteuer an den Verbraucherpreisindex: Nein, abschaffen, Bekanntlich pochen wir ja darauf, dass die kalte Progression abgeschafft wird. Wenn man diesen Schritt endlich macht, sodass es keine schleichende Steuererhöhung durch die Inflation mehr gibt, dann muss man auch diesen Schritt machen.
  • Erhöhung der motorbezogenen Versicherungssteuer um bis zu 100%: Nein, auch die wird abgeschafft.
  • Verschärfungen bei der Normverbrauchsabgabe: Nein, weil es die nicht mehr gibt, wenn wir eine CO2-Steuer haben.
  • Kilometerabhängiges Road Pricing auf allen Straßen: Im Prinzip soll die Benützung Geld kosten und nicht das herumstehende Auto, insofern haben wir immer das kilometerabhängige Road Pricing begrüßt.
  • Fahrverbote in allen Landeshauptstädten für Verbrennungsmotoren ab 2030: Nein, das sehe ich nicht.
  • Tempo 80 auf der Landstraße, Tempo 100 auf der Autobahn: Darin sehe ich keinen Sinn, ich bin grundsätzlich sehr einverstanden mit den Tempolimits, die wir haben, und sehe keinen Bedarf einer Änderung.
  • Kürzungen oder Streichung der Pendlerpauschale: Wir haben ja schon Anträge gestellt, die Pendlerpauschale zu ändern in Richtung eines Regionalstruktur-Förderungskonzepts. Aber derzeit kommen für uns keine Änderungen infrage. Wenn wir auf regionaler Ebene Infrastrukturmaßnahmen gesetzt haben, müssen wir darüber reden.
  • Senkung des Kilometergelds (25 Cent/km): Nein, sehe ich jetzt nicht.
  • City-Maut für die Einfahrt in die Landeshauptstädte: Nein, das ist eine zu komplexe Lösung, die auch wenig bringt.

4. Eine unvollständige Liste

Im „Sachstandsbericht Mobilität“ fehlen wesentliche Ideen zur Senkung des CO2-Ausstoßes im Verkehr. Das könnten etwa ein Überdenken des Online-Handels als Ursache für mehr Lieferverkehr sein, Maßnahmen zur Erhöhung des Besetzungsgrads pro Pkw (vor allem im Pendelverkehr) oder die Förderung neuer Mobilitätsdienste wie Sammeltaxis oder Gemeindebusse. Wie ist Ihre Meinung dazu?

beate meinl-reisinger:Ich halte diese Lösungen für enorm chancenträchtig, es ist meiner Meinung nach eine falsche Vorstellung, dass alles immer öffentlich organisiert werden muss – damit könnte man nicht einmal die Außenbezirke Wiens abdecken.

Bei der Frage des Besetzungsgrades der Pkw – ein schöner Ausdruck übrigens, finde ich – möchte ich darauf verweisen, dass innovative Modelle wie Car Sharing ja toll sind und wenn es hier gesetzliche Hürden gibt, gilt es die zu beseitigen. Den Menschen vorzuschreiben, ihr dürft das Auto nur benützen, wenn viele Leute drinnen sitzen, davon halte ich wenig. Und was den Online-Handel angeht, da würde eine CO2-Steuer letztlich zu mehr Kostenwahrheit beitragen.

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5. Den Tanktourismus abschaffen?

Der CO2-Ausstoß im Verkehr wird nach verkaufter Kraftstoffmenge berechnet. Wegen vergleichsweise niedriger Preise tanken vor allem ausländische Lkw gerne in Österreich, verfahren ihren Diesel aber großteils im Ausland. Das heißt: Rund ein Viertel der Österreich im Verkehr zugerechneten CO2-Emissionen entsteht gar nicht hier. Dieser „Tanktourismus“ vermasselt unsere Klimabilanz. Was halten Sie von einer Erhöhung der Mineralölsteuer, um den Tanktourismus zu verhindern?

beate meinl-reisinger: 

Naja, Tanktourismus „wegbesteuern“… Wir haben eine CO2-Steuer vorgeschlagen, und das wird mittelfristig Auswirkungen auf den Preis haben und damit wahrscheinlich auf den Tanktourismus. Aber ganz ehrlich: Wenn wir von einer Ökologisierung des Steuersystems sprechen, dann geht es mir ja in erster Linie nicht um Ausfälle bei den Steuereinnahmen für den Finanzminister, sondern um die umweltpolitischen Auswirkungen und damit generell um die österreichische CO2-Bilanz, die ja unter dem Tanktourismus leidet. Mir geht’s schon um ehrliche Lösungen. Aber angenommen, unser Modell einer CO2-Steuer käme, dann hätte das Auswirkungen auf den Tanktourismus und wäre ebenfalls günstig für die Statistik im Verkehrsbereich.

Eine CO2-Steuer trägt zu mehr Kostenwahrheit bei und hätte sicher auch Auswirkungen auf den Tanktourismus.

Beate Meinl-Reisinger, NEOS

6. Road Pricing

Die EU plant noch immer die verpflichtende Einführung einer generellen, also streckenabhängigen Maut ab 2028. Wie ist Ihre Haltung dazu?

beate meinl-reisinger:In der Tendenz unterstützen wir die kilometerweise Abrechnung, weil das dem Verursacherprinzip näher kommt, weil so halt auch die tatsächlichen Kosten abgebildet werden. Die technischen Lösungen sind da, es sind auch österreichische Unternehmen, die das machen, also insofern sehen wir das in der Tendenz schon richtig. Aber im Zusammenhang mit der CO2-Steuer muss man sich das noch einmal anschauen.

7. Die Daten aus dem Auto

Moderne Autos liefern sehr viele Daten an die Hersteller. Die Konsumenten wissen gar nicht, welche Daten produziert werden und wem sie gehören. Wie ist Ihre Position dazu, dass die personenbezogenen Daten, die durch die Benutzung eines Fahrzeugs entstehen, unter besonderen Schutz fallen sollen?

beate meinl-reisinger:Ein ganz wichtiges Thema. Ich habe mich vor Jahren intensiv mit dem eCall-System beschäftigt und auch immer gewarnt davor, ich verstehe das Thema sehr gut. Grundsätzlich muss der Bürger, die Bürgerin in der digitalen Welt Datensouveränität haben, das heißt: Er oder sie entscheidet darüber, was mit seinen Daten passiert und wer sie nutzen darf.

Ich schließe nicht aus, dass man sie freiwillig hergibt, wenn man dadurch z.B. günstigere Versicherungen bekommt, aber ich will, dass der Bürger seine Datensouveränität behält. Ich halte diese Daten aus dem Auto für hochsensibel.

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