"Wir stehen mitten auf dem Platz"

Vom Kampf gegen die Teuerung über den gesellschaftlichen Beitrag des Clubs bis hin zum freien Datenzugang: ÖAMTC-Direktor Oliver Schmerold blickt auf ein Jahr herausragender Leistungen zurück und erklärt, warum Mobilität nicht zum Luxusgut werden darf.

Wenn Sie auf das Jahr 2024 zurückblicken: Welche Highlights haben den Club geprägt?

Diesen Frühling haben wir einen bedeutenden Meilenstein erreicht: Die Mitgliederzahl des ÖAMTC ist auf über 2,5 Millionen angewachsen. Dass die Anzahl nach wie vor steigt, ist ein klares Zeichen dafür, dass wir relevante Dienstleistungen für die Menschen in Österreich anbieten. Geprägt hat uns 2024 auch die Optimierung unserer Schutzbriefnothilfe. Durch ein breites Maßnahmenpaket konnten wir das gestiegene Anfragevolumen im Sommer wieder gut bewältigen und unser Versprechen der Hilfe in Notsituationen einlösen. Darüber hinaus haben wir uns sehr erfolgreich für die Anliegen unserer Mitglieder rund um den freien Zugang zu Kfz-Daten eingesetzt. Es ist uns gelungen, in diesem Sinne einen einstimmigen Entschließungsantrag im Nationalrat zu erwirken.

Wie verändern sich aktuell die Bedürfnisse der Mitglieder? Was prägt die Mobilität der Menschen?

Unverändert ist das Bedürfnis unserer Mitglieder nach schneller, verlässlicher und unbürokratischer Hilfe. Danach richten wir unsere Dienstleistungen aus. Was sich geändert hat, ist der Anstieg an Beratungsanfragen. Unsere Mitglieder suchen verstärkt Orientierung bei der Wahl des Fahrzeugs und des Antriebskonzepts, um zukunftssicher unterwegs zu sein. Zudem benötigen unsere Mitglieder immer öfter juristische Unterstützung angesichts der wachsenden Komplexität im Mobilitätsrecht.

Was eint die 2,5 Millionen Mitglieder und welche Unterschiede muss der ÖAMTC unter einen Hut bringen?

Unsere Mitglieder eint der Wunsch nach einer Mobilität, die sicher, leistbar und umweltverträglich ist. Zudem wollen sie selbst über die Art und Weise ihrer Mobilität bestimmen. Sie schätzen die Gewissheit, in einer großen Gemeinschaft gut aufgehoben und abgesichert zu sein. Wir stehen ihnen zur Seite, darauf können sie sich verlassen. Das ist das wesentliche einende Element. Entsprechend stolz sind wir darauf, als Club so einen großen Teil der österreichischen Bevölkerung repräsentieren zu dürfen. Der ÖAMTC ist ein Club für alle, die in Österreich leben, ohne jegliche Unterscheidung.

Differenzieren müssen wir aber natürlich bei der Kommunikation. Junge Menschen, Familien oder Pensionistinnen und Pensionisten erreichen wir auf teils sehr unterschiedlichen Wegen. Und wir müssen auch unsere Dienstleistungen so gestalten, dass sie den diversen Bedürfnissen entsprechen.

Der ÖAMTC ist ein Club für alle, die in Österreich leben.

Oliver Schmerold, ÖAMTC Direktor

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Immer mehr unserer Mitglieder sind mit dem Fahrrad unterwegs. Um sie zu unterstützen, haben wir landesweit über 400 Fahrrad-Self-Service-Stützpunkte bereitgestellt. Doch es geht nicht einmal so sehr um einzelne Mobilitätsarten. Wir müssen Mobilität als Ganzes betrachten und vernetzen – von Verkehrsinformationen und Routenplanung bis hin zu Störungsmeldungen. Durch unsere ÖAMTC-App bieten wir deshalb sogar die Möglichkeit, Tickets für den öffentlichen Verkehr zu buchen. Diese Angebote sind nicht für alle Mitglieder gleich relevant, das wissen wir. Aber für einen Teil unserer Mitgliedschaft sind genau diese Services von großem Interesse.

Wie entwickelt denn der ÖAMTC seine Dienstleistungen weiter, um den Bedürfnissen der Mitglieder noch besser gerecht zu werden?

Im Bereich der motorisierten individuellen Mobilität befassen wir uns intensiv damit, welche Erfordernisse und Bedürfnisse die Elektromobilität mit sich bringt. Das betrifft die Ladeinfrastruktur, aber auch Beratungs- und Prüfdienstleistungen.

Zudem bleiben wir am Thema Wasserstoff dran und informieren auch intensiv über biogene Kraftstoffe. Abseits der motorisierten Individualmobilität bieten wir Fahrrad-Selfservice-Stützpunkte, Fahrrad-Sicherheitschecks und die Fahrrad-Pannenhilfe, die immer öfter in Anspruch genommen wird. Und natürlich entwickeln wir auch laufend unsere Versicherungsangebote weiter.

Inwiefern beeinflusst der Klimawandel die Arbeit des ÖAMTC?

Beim Thema Klimawandel betrachten wir zwei Aspekte: Den Einfluss auf uns als Organisation – und unseren eigenen Beitrag zur Klimawandelbekämpfung.

Für unsere Mitarbeitenden bedeuten heißere Sommer und Starkregenereignisse eine große Herausforderung bei der Erbringung unserer Dienstleistungen. Hier reagieren wir etwa, indem wir die Arbeitsbedingungen anpassen, klimatisierte Räume schaffen und die Dienstpläne flexibel gestalten. Wir überprüfen aber auch laufend unsere Infrastruktur auf Wetterresistenzen. Dies betrifft auch die Flugrettung, für die leistungsstärkere Hubschraubermodelle nötig werden, um auch bei besonders hohen Temperaturen optimal fliegen zu können.

Und wie nimmt der Club seine gesellschaftliche Verantwortung in Bezug auf den Klimawandel wahr?

Im Kampf gegen den Klimawandel reduzieren wir unseren CO2-Fußabdruck, etwa durch den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien in unserem Betrieb. Wir setzen uns auch politisch für die Erreichung von Emissionszielen ein, unter anderem durch die Förderung alternativer Mobilitätsformen und Elektromobilität sowie den Einsatz biogener Kraftstoffe. Als bedeutender Interessenverband in Österreich sehen wir es als unsere Aufgabe, aufzuklären und der Politik Lösungswege aufzuzeigen.

Wird dieser Ruf auch gehört?

Wir stehen als Verein mit mehr als 2,5 Millionen Mitgliedern in der Mitte der Gesellschaft und werden dadurch auch als relevante Institution anerkannt. Entsprechend aktiv werden wir zu unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Themen beigezogen. Wir stehen also nicht nur an der Outlinie und rufen aufs Spielfeld, wir stehen mitten auf dem Platz und gestalten in wesentlichen Fragen von Anfang an mit.

Welche Rolle spielt der Club beim Ausbau der E-Auto-Ladeinfrastruktur?

Der Ausbau der Elektro-Ladeinfrastruktur ist einer der Schlüsselpunkte für die Entwicklung der Elektromobilität. Obwohl wir als Verein nicht massiv in den Ausbau öffentlicher Ladeinfrastruktur investieren können, erweitern wir unsere eigene Infrastruktur kontinuierlich und bieten bereits über 200 Ladepunkte an.

Der Hauptteil unserer Aktivitäten liegt jedoch in der Bereitstellung eines Ladeprodukts für unsere Mitglieder, das ihnen einen einfachen Zugang zu einem Großteil der österreichischen Ladeinfrastruktur ermöglicht. Ein bedeutender Erfolg unserer Initiative war auch die Durchsetzung fairer, kilowattstundenbasierter Abrechnungsmodelle für die Ladung – gegen den anfänglichen Widerstand anderer Marktteilnehmer. Darüber hinaus entwickeln wir eine gewerbliche Ladelösung für Unternehmen.

Auf welche Entwicklungen müssen sich die Menschen im Mobilitätsbereich 2025 einstellen?

Nächstes Jahr wird die Leistbarkeit der Mobilität ein zentrales Thema sein. Dabei kommen verschiedene Faktoren zusammen: Steuern, Abgaben, Anschaffungs- und Erhaltungskosten von Fahrzeugen, aber auch die Kosten für den öffentlichen Verkehr. Tendenziell steigen leider all diese Kosten Jahr für Jahr. Eine Entwicklung, die wir sehr kritisch hinterfragen. Zwar sind die Kostensteigerungen teilweise durch höhere Energie- und Rohstoffkosten begründet, doch es gab auch nur schwer nachvollziehbare Erhöhungen.

Ein erzwungener Wegfall von motorisierter individueller Mobilität würde zu massiven sozialen Verwerfungen führen.

Oliver Schmerold, ÖAMTC Direktor

Sehen Sie eine Chance, dass sich die Preisspirale zumindest wieder abflacht?

Der aktuell schwächelnde Fahrzeugabsatz lässt hoffen, dass sich das Preisniveau wieder senken könnte, zumal auch immer mehr neue, erschwinglichere Elektromodelle auf den Markt kommen. Bezüglich Steuern und Abgaben treten wir klar gegen eine Erhöhung der Mineralölsteuersätze ein. Auch wenn sie sich über zehn Jahre nicht verändert haben, sind viele andere Kosten wie Parkgebühren und Nova auf Fahrzeuge gestiegen. Die Politik muss also das Gesamtbild betrachten. Deswegen plädieren wir dafür, den steuerlichen Spielraum, der sich durch die EU-Regelungen ergibt, zu nutzen. Unser Ziel ist es, durch Verhandlungen mit politischen Parteien einerseits Preisanstiegen durch CO2-Bepreisung entgegenzuwirken und andererseits die Leistbarkeit zu erhalten. Wir lehnen eine Erhöhung der Mineralölsteuer ab und befürworten die Beibehaltung des Klimabonus.

Wofür setzt sich der ÖAMTC noch ein?

Auch der Zugang zu Fahrzeugdaten ist ein zentrales Thema für uns. Wir sind der Überzeugung, dass Daten, die an wirtschaftlicher Bedeutung gewinnen, den Konsumenten gehören sollten, nicht den großen Tech-Konzernen. Wir begrüßen die Ansätze der Europäischen Union mit dem Data Act, der grundlegende Prinzipien vorgibt. Dennoch besteht weiterhin regulativer Handlungsbedarf, um einen fairen Wettbewerb zwischen Automobilherstellern und Serviceanbietern zu gewährleisten und die Wahlfreiheit der Konsumenten zu sichern. Ein weiteres wichtiges Anliegen ist der Ausbau der Infrastruktur und der Freiheit des Personenverkehrs in Europa.

Haben Sie eine Erklärung dafür, warum Mobilität häufig so eine starke emotionale Aufladung erfährt?

Ich vermute, es liegt daran, dass Mobilität jeden von uns täglich betrifft. Das macht es so emotional. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie viel Zeit wir alle unterwegs sind. Durchschnittlich verbringt jeder Mensch mehr als eine Stunde am Tag im Verkehr, und zwar egal, ob man in der Stadt lebt oder auf dem Land, in einer Industrienation oder einem Entwicklungsland. Das zeigt, wie tief Mobilität in unsere Lebensmuster eingewoben ist. Sie hat eine kulturell unabhängige, universelle Bedeutung für uns.

Wie groß schätzen Sie die Gefahr ein, dass individuelle Mobilität zum Luxusgut werden könnte?

Ich schätze die Gefahr als realistisch ein. Deswegen weisen wir auch in jedem Gespräch mit politischen Entscheidungsträgern darauf hin, dass ein erzwungener Wegfall von motorisierter individueller Mobilität zu massiven sozialen Verwerfungen führen würde. Das können wir als Gesellschaft nicht wollen. Die Teilhabe muss für alle Menschen möglich sein.

Der ÖAMTC hilft seinen Mitgliedern nicht nur in Notsituationen, er übernimmt auch gesellschaftliche Aufgaben. Welche Bedeutung haben sie für Österreich?

Der ÖAMTC ist eine gemeinnützige Mitgliederorganisation, die sich laut Vereinsstatut der Förderung der Mobilität ihrer Mitglieder ohne Gewinnerzielungsabsicht widmet. In unseren Vereinszielen ist aber auch verankert, dass wir uns für eine sichere Mobilität einsetzen.

Dies beinhaltet unter anderem die Durchführung von verschiedenen Tests. Dazu zählen etwa Fahrzeug-Crash-Tests, Reifentests, Produkttests wie Kindersitze und Assistenzsysteme sowie Zubehör. Auch Tests von Fahrrädern und Kinderbeförderungssystemen auf Fahrrädern, die in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen haben, gehören zu unseren Aktivitäten. Darüber hinaus bewerten und evaluieren wir Verkehrsinfrastrukturen.

Geht es dabei um den Ausbau des Straßennetzes?

Auch, doch unser Engagement für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur dient nicht nur Kapazitätserhöhungen, wir haben vor allem Sicherheitsaspekte hervor – nach dem Grundsatz "Sicherheit braucht Platz".

Wir setzen uns zudem mit zahlreichen Verkehrs- und Mobilitätsprogrammen für die sichere Mobilität verschiedener Bevölkerungsgruppen ein, von Klein- und Schulkindern bis zu Senioren. Natürlich übernehmen wir auch mit der Flugrettung eine wichtige Aufgabe in Österreich. Dies alles trägt wesentlich zur gesellschaftlichen Bedeutung des ÖAMTC bei.

Was bedeutet der Slogan "Ein gutes Gefühl, beim Club zu sein" für Sie?

Der Slogan fängt die Essenz des ÖAMTC perfekt ein. Er steht für das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gemeinschaft und den Vereinsgedanken, bei dem sich Menschen zur Verfolgung gemeinsamer Ziele zusammenschließen. Beim Club zu sein, ist viel mehr als nur der Konsum eines Produkts oder einer Dienstleistung; es bedeutet, aktiv Teil von etwas zu sein.

Das "gute Gefühl" symbolisiert das Vertrauen der Mitglieder in den Club. Es spiegelt Sicherheit und Geborgenheit wider – das Wissen, dass man in guten Händen ist, Unterstützung bekommt und sich auf den Club verlassen kann. Dieses Vertrauen beruht auf der Präsenz und der Kompetenz der Clubmitarbeiter:innen. Und aus diesem Vertrauen entsteht das gute Gefühl, Teil des ÖAMTC zu sein. Das betrifft natürlich auch all jene, die in Zukunft unsere Mitarbeitenden werden, weil es auch ein extrem gutes Gefühl ist, als Mitarbeitender beim Club zu sein.

2,5 Millionen Mitglieder von 9 Millionen Menschen in Österreich: Wo kann die Reise noch hingehen?

Wir wollen in Österreich für alle Menschen wirklich relevante Angebote bieten. In diesem Sinne müssen wir uns das langfristige Ziel setzen, zumindest 50 Prozent der Bevölkerung für den Club zu begeistern. Kurzfristig wollen wir im Jahr 2030 2,8 Millionen Mitglieder beim Club gut betreuen dürfen. Erreichen wollen wir diese Ziele durch tolle Angebote und größtmögliche Nützlichkeit.

Will langfristik 50 Prozent der Menschen in Österreich für den ÖAMTC begeistern: Oliver Schmerold, Direktor ÖAMTC

Zur Person:

Oliver Schmerold absolvierte nach seinem Abschluss an einer Höheren Technischen Lehranstalt das Studium der Industriellen Elektronik und Regelungstechnik an der Technischen Universität Wien. Im Jahr 1996 übernahm er die Leitung des IKT-Referats im Büro für Internationale Forschungs- und Technologiekooperation. Seine Laufbahn in der Privatwirtschaft begann Schmerold 1999 bei dem Telekommunikationsriesen Alcatel. Dort stieg er bis zum Vice President für Vertikale Marktdienstleistungen auf. 2010 vollzog er den Wechsel zum ÖAMTC, den er seitdem als Direktor leitet.

Politische Forderungen


Der freie und kostenlose Zugang zu Kfz-Daten muss bewahrt bleiben, Daten sollen Konsumenten gehören.
Erreichen der Klimaziele über verstärkten Einsatz alternativer Kraftstoffe: Vernünftiger Klimaschutz statt massiver Verteuerungen und Beschränkungen.
Einsatz gegen Erhöhung der Mineralölsteuer und für Beibehaltung des Klimabonus: Individuelle Mobilität muss leistbar bleiben.
Förderung von E-Mobilität und alternativen Mobilitätsformen: Ein Umstieg findet nur über bessere Angebote statt. Das gilt für Ladeinfrastruktur und -tarife ebenso wie für Mikro-ÖV.
Förderung alternativer Mobilitätsformen wie der Elektromobilität und Einsatz biogener Kraftstoffe.