Interview Sebastian Kurz

Vor der Nationalratswahl 2019 befragt der auto touring alle Parteichefs zu Mobilitätsthemen.

1. Klima-Fairness

Österreich muss bis 2030 seine Treibhausgas-Emissionen um 36 Prozent gegenüber 2005 verringern. Wer wieviel einsparen muss, ist aber unterschiedlich: Die Industrie kann sich per Zertifikathandel quasi „freikaufen“, Kerosin für Flugzeuge unterliegt keiner Mineralölsteuer, Schiffsverkehr wird erst gar nicht betrachtet. Wie stehen Sie dazu?

sebastian kurz:Die Faktenlage ist sehr eindeutig. Wir müssen besser werden im Umwelt- und Klimaschutz weltweit und in Europa, Österreich kann und soll seinen Beitrag dazu leisten. Wir haben dafür einen klaren Plan, nämlich das Modell der ökosozialen Marktwirtschaft: Wirtschaftskraft, soziale Verantwortung und respektvollen Umgang mit der Schöpfung in Einklang zu bringen, ohne auf neue Steuern oder Verbote zu setzen. Es ist schlicht und ergreifend wichtig, dass wir im Verkehr die Emissionen reduzieren, ganz gleich, ob das jetzt der Individualverkehr oder der Lkw-Verkehr ist.

Auch durch eine erfolgreiche Reduktion des Transits durch Österreich können wir hier Erfolge erzielen. Ich halte es für sinnvoll, wenn alle Sektoren einen Beitrag leisten, also auch der Gebäudesektor oder die Abfallwirtschaft. Das ETS (European Union Emissions Trading System) hat durchaus funktioniert und Wirkung gezeigt, doch über Schifffahrt und Flugverkehr muss ernsthaft nachgedacht werden.

Wir wollen eine Verursacher-gerechte Besteuerung auf – im Idealfall – internationaler oder zumindest auf europäischer Ebene. Eine Kerosinabgabe ist daher aus unserer Sicht vorstellbar. Schlecht wäre, wenn jedes Land alleine versucht, hier aktiv zu werden, denn ein Land allein kann hier nicht viel ausrichten.

Wir müssen weltweit und in Europa besser werden im Umwelt- und Klimaschutz, und Österreich soll seinen Beitrag dazu leisten.

Sebastian Kurz, ÖVP

2. Alternative Kraftstoffe

Biologische und synthetische Kraftstoffe können soziale Unwucht abfedern. Denn viele Maßnahmen im „Sachstandsbericht Mobilität“ sollen durch steigende Auto-Kosten weniger Verkehr und dadurch weniger Emissionen bewirken. Das trifft jene besonders, die auf ihr Auto angewiesen sind und sich kurzfristig keinen umweltfreundlichen Neuwagen leisten können. Verstärkter Einsatz von alternativen Kraftstoffen könnte den fossilen CO2-Ausstoß auch bei Bestandsfahrzeugen senken. Wie stehen Sie dazu?

sebastian kurz:Wir sind angetreten, um die Menschen, die in unserem Land jeden Tag hart arbeiten gehen, steuerlich zu entlasten. Es gibt einfach viele sozial Schwache, aber auch Menschen im ländlichen Raum, die auf ihr Auto angewiesen sind, um in die Arbeit zu kommen. Die sollte man nicht noch stärker besteuern. Überall dort, wo das möglich ist, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, ist gut, aber man muss auch sagen, dass viele Pendler ja nicht pendeln, weil es ihnen so viel Freude macht oder weil sie sonst nichts zu tun hätten, sondern weil sie einfach zu ihren Arbeitsplätzen kommen müssen. Der ländliche Raum in Österreich sollte nicht weiter ausgedünnt werden und die Menschen dort haben genauso eine sozial gerechte Unterstützung verdient.

Wir setzen auf Anreize, treiben die Bewusstseinsbildung voran, setzen auf Innovation und schaffen mit Elektro oder Wasserstoff Möglichkeiten der Mobilität, die CO2-emissionsärmer sind. Wasserstoff wird auf jeden Fall eine Rolle spielen, das ist sicherlich auch eine große Chance für die Industrie, wenn wir an die vorerst denken.

Natürlich ist Wasserstoff auch für den Verkehr, insbesondere auf der Langstrecke, eine Chance. Wir wollen weder den Konsumenten noch der Industrie vorgeben, was die richtige Technologie für die Zukunft sein wird. Es gibt natürlich in der Autoindustrie gewisse Vorlaufzeiten und die Autos, die in einigen Jahren verkauft werden, sind heute schon geplant; aber das heißt ja nicht, das es nicht sinnvoll ist, neue Weichenstellungen vorzunehmen. Die erhöhte Beimengung von alternativen Kraftstoffen ist etwas, das wir uns durchaus vorstellen können, ebenso die Einführung von E10 (Benzin mit 10-prozentigem Anteil an Biosprit, Anm.).

3. Sachstandsbericht Mobilität

Er wurde vom BMVIT in Auftrag gegeben und listet konkrete Maßnahmen auf, die der Erreichung der Klimaschutzziele dienen sollen. Welche der folgenden werden Sie umsetzen, wenn Sie in die Regierung kommen?


Mineralölsteuer-Erhöhung um bis zu 28 Cent: Nein.
Bindung der Mineralölsteuer an den Verbraucherpreisindex: Auch nicht.
Erhöhung der motorbezogenen Versicherungssteuer um bis zu 100%: Auch nicht.
Verschärfungen bei der Normverbrauchsabgabe: Das war schon vorgesehen bei der Steuerreform, ja.
Kilometerabhängiges Road Pricing auf allen Straßen: Nein.
Fahrverbote in allen Landeshauptstädten für Verbrennungsmotoren ab 2030: Nein.
Tempo 80 auf der Landstraße, Tempo 100 auf der Autobahn: Nein.
Kürzungen oder Streichung der Pendlerpauschale: Nein, aber eine Ökologisierung der Pendlerpauschale, um Anreize zu schaffen, macht Sinn.
Senkung des Kilometergelds (25 Cent/km): Nein.
City-Maut für die Einfahrt in die Landeshauptstädte: Nein.

4. Eine unvollständige Liste

Im „Sachstandsbericht Mobilität“ fehlen wesentliche Ideen zur Senkung des CO2-Ausstoßes im Verkehr. Das könnten etwa ein Überdenken des Online-Handels als Ursache für mehr Lieferverkehr sein, Maßnahmen zur Erhöhung des Besetzungsgrads pro Pkw (vor allem im Pendelverkehr) oder die Förderung neuer Mobilitätsdienste wie Sammeltaxis oder Gemeindebusse. Wie ist Ihre Meinung dazu?

sebastian kurz:Diese Überlegungen machen sicherlich Sinn und müssen, glaube ich, einfach sehr genau an die jeweiligen regionalen Bedürfnisse angepasst werden. Es gibt kein „One size fits all“-System.

5. Den Tanktourismus abschaffen?

Der CO2-Ausstoß im Verkehr wird nach verkaufter Kraftstoffmenge berechnet. Wegen vergleichsweise niedriger Preise tanken vor allem ausländische Lkw gerne in Österreich, verfahren ihren Diesel aber großteils im Ausland. Das heißt: Rund ein Viertel der Österreich im Verkehr zugerechneten CO2-Emissionen entsteht gar nicht hier. Dieser „Tanktourismus“ vermasselt unsere Klimabilanz. Was halten Sie von einer Erhöhung der Mineralölsteuer, um den Tanktourismus zu verhindern?

sebastian kurz: Ich glaube, zunächst einmal gilt es festzuhalten, dass die Berechnungsmethode einen Fehler hat. Die in Österreich getankten Mengen werden ja nicht vorrangig in Österreich verfahren. Für das Klima ist also nicht wirklich relevant, wo die Emissionen verursacht werden, daher würde eine Steuererhöhung das Problem nur verlagern und nicht lösen, und gleichzeitig würden die Österreicherinnen und Österreicher durch höhere Spritpreise belastet werden. Wir sind bereits jetzt ein Höchststeuerland, und ich bin angetreten, um die Steuerlast zu senken und nicht weiter zu erhöhen. Im europäischen Rahmen ist es etwas anderes, wir haben ja schon über Kerosin gesprochen – also eine Ökologisierung des Steuersystems macht definitiv Sinn, aber eine CO2-Steuer in Österreich lehne ich ab.

6. Road Pricing

Die EU plant noch immer die verpflichtende Einführung einer generellen, also streckenabhängigen Maut ab 2028. Wie ist Ihre Haltung dazu?

sebastian kurz: Wir halten die Vignette für Pkw auf der Autobahn für ein bewährtes System und lehnen daher eine Ausweitung auf eine kilometerbezogene Maut ab.

7. Die Daten aus dem Auto

Moderne Autos liefern sehr viele Daten an die Hersteller. Die Konsumenten wissen gar nicht, welche Daten produziert werden und wem sie gehören. Wie ist Ihre Position dazu, dass die personenbezogenen Daten, die durch die Benutzung eines Fahrzeugs entstehen, unter besonderen Schutz fallen sollen?

sebastian kurz:Wir brauchen auf jeden Fall dringend entsprechende Rahmenbedingungen mit Hausverstand. Innovation darf nicht unnötig behindert werden und gleichzeitig müssen natürlich berechtigte Datenschutzinteressen ernst genommen werden. Wir werden hier Druck auf europäischer Ebene machen, dass es schnell zu einer Regelung kommt.

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