Meister der Wellen

Big-Wave-Surfer und Weltrekordhalter Sebastian Steudtner im Interview. Über die Macht 30 Meter hoher Wellen, wie wichtig die richtige Unterwäsche ist und wieviele Minuten zwischen Leben und Tod liegen.

Von unbändigem Ehrgeiz getrieben, wanderte Sebastian Steudtner als 16-Jähriger nach Hawaii aus, um Profisurfer zu werden. Sein Traum ging in Erfüllung. Doch der Weg dahin war alles andere als einfach. Jetzt aber kann er getrost als Bester der Besten bezeichnet werden. Dank eisernem Willen und hochprofessioneller Vorbereitung hat er die Grenzen des Möglichen verschoben und das Level im Big-Wave-Surfen auf ein lange für nicht möglich gehaltenes Niveau gehoben.

Niemand surft souveräner riesengroße Wellen als du. Wie fühlt sich das an, wenn man der Beste der Besten ist?

Sebastian steudtner:Ich liebe das Surfen und ich liebe die großartigen Momente, die ich am Wasser erlebe. Es ist ein ­super Gefühl eine Welle zu bezwingen, von der jeder zuvor dachte, dass sie nicht surfbar ist. Das ist aber nur ein sehr kleiner Teil meiner Gefühlswelt. Die meiste Zeit ist vor allem anstrengend.

Anstrengend, warum?

Weil ich für alles selbst verantwortlich bin. Andere Spitzenathlet:innen müssen sich während des Trainings und bei Wettkämpfen nur auf sich selbst konzentrieren. Die haben ein Team, das für sie die Vorbereitung übernimmt, das die Ausrüstung checkt. Die Wettkampfveranstalter kümmern sich um die Sicherheit, die Organisation. Bei mir ist das anders. Ich muss mich um all diese Dinge selbst kümmern.

Das klingt tatsächlich anstrengend. Kannst du von dem Sport leben?

Ich habe lange nicht genug verdient, hatte oft Geldsorgen und musste Zusatzjobs annehmen, damit ich mir meinen Traum irgendwie finanzieren konnte. Erst mit dem Erfolg und den Weltrekorden hat sich das geändert. Es ist ein schönes Gefühl, keine Geldsorgen mehr zu haben.

Meine Eltern waren in jungen Jahren beide sehr sportlich, haben deshalb recht früh ihren Heimatort verlassen. Vielleicht konnten sie auch dewegen meinen Wunsch, nach Hawaii auszuwandern, ein bisschen besser verstehen.

Sebastian Steudtner, Profi-Big-Wave-Surfer

Aller Anfang ist schwer.

Apropos Lebenstraum: Als 16-Jähriger bist du nach Hawaii ausgewandert, um Profisurfer zu werden. Wie haben deine Eltern diese Entscheidung aufgenommen?

Natürlich war es zunächst einmal schwer sie davon zu überzeugen. Ich glaube, das ist ja generell so. Wenn du eine Idee hast oder etwas machen möchtest, das andere nicht verstehen, aus welchem Grund auch immer, dann ist es erst mal schwierig, sie davon zu überzeugen. Aber meine Eltern haben mich eigentlich immer unterstützt. Vielleicht hat es auch geholfen, dass beide sehr sportlich waren und in jungen Jahren deshalb ihren Heimatort verließen. Deswegen konnten sie meinen Wunsch vielleicht ein bisschen besser verstehen.

Wie waren die ersten Jahre für dich?

Hart. Aber was mich am meisten in dieser Zeit geprägt hat, war, dass ich für mich selbst entscheiden konnte. Dass ich dann für mein Tun aber auch die hundertprozentige Verantwortung übernehmen musste. Ich kann nicht darauf ­bauen, dass andere meine waghalsigen Pläne verstehen oder unterstützen.

Welche Erfahrungen oder Momente haben Dich außerdem geprägt?

Das erste Mal, als ich die großen Wellen gesurft bin.

Wann war das?

Im Dezember 2004. Bis dahin habe ich mehr oder weniger im Moment gelebt. Aber plötzlich wurde mir klar, was ich in Zukunft machen möchte. Und so ging es dann auch in den nächsten Jahren weiter. Jedes Mal, wenn ich ein Ziel erreicht hatte, war mir bereits klar, welches Ziel ich als nächstes erreichen möchte.


Jetzt surfst du Wellen, die fast 30 Meter hoch sind und rund 500.000 Tonnen wiegen. Wie bereitest du dich körperlich vor?

Zunächst einmal mit viel Fitness, vor allem Grundlagen-Ausdauer. Im Prinzip trainiere ich wie ein Riesenslalom-Fahrer, mit einem Mix aus Kraft-, Balance- und Koordinationsübungen. Der große Unterschied ist, dass ich viele dieser Übungen im Wasser absolviere, damit ich in meinem Element bin. Dann kommt noch das Atem-Training dazu, um möglichst lange die Luft anhalten zu können.

Für den Fall, dass du stürzt und dich die Riesenwelle quasi frisst?

Genau, das sind die Parameter, mit denen ich arbeite. Mein Team und ich wissen, was passieren kann und wir bereiten uns darauf vor. Nur so kann auch im schlimmsten Fall Schadensbegrenzung betrieben werden.

Falls ich stürze, bleiben meinem Team nur knapp 4 Minuten, um mich zu retten.

Sebastian Steudtner, Profi-Big-Wave-Surfer

Wie sieht so ein Notfallsplan aus?

Wenn ich in einer Riesenwelle mit rund 80 km/h stürze, aktiviere ich zunächst den Airbag in meinem Neoprenanzug, damit mich die Welle nicht zu tief unter Wasser drücken kann. Dann Luft anhalten und ruhig bleiben.

Komme ich nicht rechtzeitig an die Oberfläche zurück, unter­drücke ich den Lufthol-Reflex und werde ganz bewusst bewusstlos.

Ab da hat mein Team noch etwa drei Minuten Zeit mich zu finden und so auf dem Rettungs-Jetski zu positionieren, dass die Atemwege frei sind. In Summe stehen für die Rettung also 4 bis 5 Minuten zur Verfügung.

Perfekte Vorbereitung bis hin zur Unterwäsche

Aber auch dein Equipment ist für die Rekordjagd optimiert – bis hin zur Unterwäsche…

Ja, weil ich die Grenzen ohne professionelles Know-how nicht immer weiter verschieben könnte. Meine Boards wurden beispielsweise in Zusammenarbeit mit Porsche-Technikern entwickelt und dank deren Know-how in puncto Strömungslehre optimiert. Für die angesprochene Unterwäsche arbeite ich mit X-Bionic zusammen. Es mag im ersten Moment komisch klingen, aber wenn du acht Stunden im Wasser bist und auf die perfekte Welle wartest, dann ist es enorm wichtig eine Unterwäsche zu tragen, die dich möglichst gut vor Auskühlung schützt.

Welche Tipps hast du, wenn man sich mit Schwimmbrett oder Luftma­tratze in etwas größere Wellen wagen will?

Die erste Grundregel lautet, nie mit dem Rücken zum Meer stehen, um nicht von der brechenden Welle überrascht zu werden. Bevor man ins Wasser geht, die Wellen eine Zeit lang beobachten. Von wo kommen sie? Wo brechen sie? Was machen die anderen Menschen?

Der zweite Punkt, den es zu beachten gilt, ist die Strömung. Sobald man ins Meer geht, muss man akzeptieren, dass das Wasser mehr Macht, mehr Energie, mehr Kraft hat als wir. Gegen die Strömung zu schwimmen, ist nicht sinnvoll. Daher gilt auch: Nicht den Helden spielen. Frühzeitig auf sich aufmerksam machen, wenn Probleme auftreten.

Weltrekorde und Surfen als Therapieform

Du bist 2020 in Nazaré (Portugal) eine Welle gesurft, die unglaubliche 26,21 Meter hoch war – Weltrekord. Heuer bist Du am selben Ort eine Welle gesurft, die fast 29 Meter hoch war. Wo ist das Limit?

Es geht sicher noch höher. Aber das ist jetzt gar nicht mehr so sehr mein Ziel. Ich habe zum Beispiel super großes Interesse, Flusswellen zu entdecken. Und zwar nicht diese stehenden Wellen, sondern aus Gezeitenwellen.

Es gibt da noch einen Aspekt in Deinem Lebenslauf, den ich sehr spannend finde: Du bietest Surftherapie an…

Ja, meine Schwester und ich gründeten den Verein "wirmachenwelle". Unser Ziel ist es, Kindern aus benachteiligten Verhältnissen zu helfen ihre Persönlichkeit zu entwickeln. Das ist ein mehrmonatiges Projekt, bei dem wir Elemente der Sport- und Erlebnispädagogik sowie der Therapie kombinieren, zunächst im städtischen Raum. Den Abschluss bildet ein Surfcamp an der Nordsee.

Und zum Abschluss: ein Wordrap

Erster Tonträger, den du dir gekauft hast?

Puh, ich glaube das war von Eminem…

Süßwasser oder Salzwasser?

Beides.

Surf-Film oder Surf-Magazin?

FIlm.