Interview: Voodoo Jürgens
Er hat dem Wienerlied frisches Leben eingehaucht und wurde damit einer der erfolgreichsten Musiker Österreichs. Wir gehen mit dem "Vorstadt-Hawara" auf ein Bier und ein paar Partien Billard.
Ein beschaulicher Sonntagabend in Hernals, dem 17. Wiener Gemeindebezirk: Voodoo Jürgens, bürgerlicher Name David Öllerer, hat sich an seinem freien Tag zwischen zwei Konzert-Terminen Zeit genommen, um im legendären Musiker-Beisl-Geheimtipp "Jetzt" mit uns zu plaudern.
Voodoo kommt allein, schlurft lächelnd ins Lokal und begrüßt mich, die Schreibkraft, mit einem kaum hörbaren "Hallo".
Über drei Stunden lang wechseln wir dann von Barhocker zu Billard-Tisch und wieder zurück, während wir den erstaunlichen Erfolg des 36-jährigen Liedermachers Revue passieren lassen...
Ich hatte schon immer mehr Sympathien für Leute, die im Leben scheitern, als für jene, die auf die Butterseite gefallen sind.
Voodoo Jürgens, Liedermacher
Treffen im Vorstadt-Beisl
– Servas. David oder Voodoo?
voodoo jürgens:Mit dir hier in dieser quasi offiziellen Medien-Mission lieber Voodoo. In der Band aber eigentlich auch, weil wir ja einen zweiten David haben. Das wäre mühsam, wenn sich immer zwei umdrehen, wenn irgendwer "David" schreit.
– Du sorgst momentan nicht nur bei uns in Österreich für ausverkaufte Hallen, sondern auch in Deutschland. Wie funktionieren dort deine Konzerte, wo ja niemand wirklich versteht, was du singst?
voodoo jürgens:(lacht) Die Musik allein transportiert ja eh schon einiges. Und mir kommt vor, dass die in Deutschland noch mehr in den Vordergrund rückt. Das Publikum versteht halt so Wortfetzen, man kann sich im Großen und Ganzen aber trotzdem alles zusammenreimen, damit das Feeling rüberkommt. Es ist ja im Prinzip nix anderes, als wenn eine englische Band im deutschsprachigen Raum spielt. Da verstehen die meisten Leute auch nicht alles. Als ich mit 12 Jahren Nirvana gehört hab, hatte ich von den Texten auch keine Ahnung. Aber ich hab zumindest gespürt, worum es geht.
Aktuelle Voodoo-Single: "Angst haums"
Wienerlied und "Austropop"
– Du nimmst Anleihen am klassischen Wienerlied. Ist das heute nicht ein kompletter Anachronismus? Die Musikcharts sind, ohne viel werten zu wollen, voll von österreichischer Elektronik, Hip-Hop und sogenanntem "Volks-Rock'n'Roll"...
voodoo jürgens:Mein Publikum ist breit gefächert. Dadurch, dass ich auch auf FM4 gespielt werde, kommen natürlich viele junge Leute, aber es geht beim Alter auch rauf bis 60, 70 Jahre. Mir taugt's immer, wenn da jemand den alten Papa mitnimmt, weil der früher vielleicht gern Wolfgang Ambros oder Ludwig Hirsch gehört hat. Meine Musik ist halt auch nicht wirklich modern. Wir verwenden keine Instrumente, die besonders in der heutigen Zeit verhaftet wären. Warum das die Leute auf einmal interessiert? Keine Ahnung (lacht).
– Wanda, Bilderbuch, der Nino aus Wien, davor schon Ja, Panik: Die deutschsprachige Musikpresse hat seit einiger Zeit einen Narren am "neuen Austropop" gefressen. Hast Du eine Erklärung, warum das passiert ist?
voodoo jürgens:Nicht wirklich. Aber in Österreich war jetzt eh lang genug Flaute, was Musik betrifft. Und momentan tut sich halt wieder was. Da machen zwei, drei Bands was Erfolgreiches, dann wird darauf mehr geschaut, mehr darüber geschrieben, und aus dem heraus ergibt sich halt auch plötzlich mehr.
Pantscherl (dt. Liebelei, Verhältnis)
– Es gibt kaum noch junge Menschen, die den ganz ursprünglichen Wiener Dialekt verstehen oder sprechen. Was bedeutet er dir? Und denkst du, dass er langsam verloren geht?
voodoo jürgens:Ja, glaube ich schon. Es ist aber nicht mein Ansatz, dass gerade ich den jetzt erhalten müsste. Für mich ist er eher eine Möglichkeit, Dinge zu verschleiern. Klar, ich könnte meine Texte so formulieren, dass sie jeder versteht, ich verwende aber bewusst Ausdrücke, die sich nicht gleich jedem erschließen. Wenn man will, kann man sich damit auseinandersetzen, wenn nicht, dann halt nicht. Aber es ist doch gut, wenn man ein bissl denken muss! Ich suche auch nicht speziell nach Wörtern. Mein Ding ist, Ausdrücke zu verwenden, die ich irgendwo einmal aufgeschnappt habe. Ich arbeite definitiv nicht mit dem Finger im Wiener Dialekt-Wörterbuch und suche irgendwas, das cool klingt. Ich stolpere halt über sowas wie "Pantscherl". Das finde ich ein super Wort (lacht).
– Du bist kein gebürtiger Wiener, sondern stammst aus Tulln in Niederösterreich. Wie bist du auf das Wienerische gekommen?
voodoo jürgens:Vom Dialekt her ist Tulln nicht viel anders als Wien, das ist ja nur eine halbe Autostunde entfernt. Meine Eltern hatten halt immer viel in Wien zu tun, alle ihre Freunde waren Wiener, und als Jugendlicher ist man abends auch immer in Wien fortgegangen. Meine Eltern haben außerdem viel Reggae gehört, auch Jazz und Funk, Miles Davis oder Supermax zum Beispiel. Die waren auch eher flippiger und sind aus ihrem ländlichen Umfeld damit ein bissl ausgebrochen. Aber grundsätzlich fühle ich mich einfach daheim in Wien, hab schon im 9., 15., 2., 20. und im 11. Bezirk gewohnt. Und jeden davon hab ich mir immer zu meinem Grätzl gemacht (lacht).
Zwischenspiel: Billard
Voodoo unterwegs
– Hättest du dir vor zehn Jahren gedacht, dass du einmal mit einem ausgewachsenen Tourbus auf große Konzertreisen gehst?
voodoo jürgens:Wir verwenden sowas gar nicht. Es ginge sich finanziell zwar aus, ich schlafe aber viel lieber in Hotels. Wir haben nur so einen kleinen Neunsitzer-Bus, das geht sich mit der Crew gerade so aus, und spielen auch ohne große Verstärker. Wir sind also recht kompakt unterwegs. Das ist immer ziemlich lustig, wenn manche Veranstalter uns jetzt schon als große Produktion einschätzen und sich dann wundern, wenn wir in einer Viertelstunde alles aufgebaut haben. Aber klar, es ist der ganzen Truppe natürlich bewusst, dass das sehr speziell ist, was wir momentan machen. Als ich mit der Musik begonnen habe, war das Unterwegssein mit einer Band ja immer mein großer Traum. Und wie ich mich dann mit Anfang 30 noch einmal komplett neu aufgestellt habe, hat das dann so schnell eine Dynamik bekommen, die mich zwar überrascht, aber natürlich irrsinnig freut.
– Stichwort Neuerfindung: Bei einer deiner ersten Bands, den "Eternias", warst du auch schon Sänger, das war aber noch auf Englisch. Wie ist die Transformation ins Wienerische passiert?
voodoo jürgens:Das darf man sich nicht als harten Übergang vorstellen. Ich habe damals nebenher immer wieder Lieder auch auf Hochdeutsch probiert, aber das Wienerische war halt immer extrem interessant. Da hab ich begonnen zu schreiben, als Voodoo Jürgens. Die Voodoo-Sachen nehmen natürlich Anleihen am Wienerlied, aber da sind auch wahnsinnig viele andere Einflüsse reingemischt. Ich war zum Beispiel schon immer ein riesiger Velvet Underground-Fan.
Rückblick: Die Eternias – To The Monkey
Heute und gestern
– Was ist an einem Konzert-Tag dein liebster Moment?
voodoo jürgens:Die Phase, wo man beginnt, richtig im Konzert drinnen zu sein. Bei einer Tour braucht man ja immer ein, zwei Tage, um warm zu werden, da geht anfangs auch manchmal noch was schief. Und bei den Konzerten selbst brauche ich gefühlsmäßig auch immer so drei Lieder, bis ich quasi angekommen bin. Ab dann genieße ich's, dann fällt auf einmal alles leicht, geht automatisiert von der Hand, man muss nicht mehr über den Text nachdenken.
– Du warst früher einmal Friedhofsgärtner. Hast Du dabei etwas fürs Leben mitgenommen?
voodoo jürgens:Für mich war dieser Job deshalb wichtig, weil ich damals mit 19 gerade von daheim rausgeflogen und mit meinem wenigen Hab und Gut nach Wien gezogen bin. Und gleich am ersten Abend in Wien habe ich einen Bekannten getroffen, der gerade eine Lehre auf dem Evangelischen Friedhof am Matzleinsdorfer Platz gemacht hat. So bin ich zu diesem Hilfsarbeiter-Job gekommen, bei dem ich Gräber gegossen und mich um das Gewächshaus gekümmert hab. Für mich war normale Arbeit halt immer schwierig, weil ich eher so ein Traummännlein war, das sich immer mehr Gedanken über Songtexte gemacht hat als eben die Arbeit. Ich hab da immer mein Schreibhefterl eingesteckt gehabt, wo ich Ideen notiert hab. Das ist natürlich auch jedem Chef aufgefallen, dass ich im Kopf irgendwo komplett anders bin. Es war mir ja immer klar, dass ich Musik machen muss.
"Leiwand, da fühl ich mich daheim"
– In deinen Songs spielen fast immer gesellschaftliche Außenseiter die Hauptrolle. Ist es dir wichtig, diesen Menschen eine Bühne zu bieten?
voodoo jürgens:Ich hatte schon immer mehr Sympathien für Leute, die im Leben scheitern, als für jene, die auf die Butterseite gefallen sind. Die Schwierigkeit dabei ist, sie nicht auszustellen. Da ist immer die Frage, wie der Zuhörer das auffasst. Von der konservativen bürgerlichen Seite höre ich oft, dass ich das zu voyeuristisch behandle. Die Leute aus der Gesellschaftsschicht, um die es in den Texten aber eigentlich geht, finden das wiederum super. Die sagen: Leiwand, da fühle ich mich daheim, da finde ich mich wieder. Früher habe ich mich deshalb oft selber gequält, viel nachgedacht, was geht und was nicht. Heute denk ich mir, das muss ich eigentlich gar nicht.
– Was würdest du momentan an der Welt verändern, wenn du könntest?
voodoo jürgens:Grundsätzlich denke ich, dass derzeit global schon alles ziemlich zerfahren ist, aber ich halte auch wenig davon, wenn ausgerechnet Musiker den Leuten erklären wollen, wie die Welt auszuschauen hat. So funktioniert das ja nicht, da würde man sich wirklich zu viel auf sich selbst einbilden. Ich kann als Künstler vielleicht zum Denken anregen und Anstöße geben, schlussendlich müssen die Leute aber selber ihre Entscheidungen treffen. Um was Großes zu verbessern, kann man ja ohnehin nur bei sich selbst im Kleinen anfangen.
Zum Gernsehen: Voodoo live auf FM4
Info, Tourdaten & Tickets
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