Interview Werner Kogler
Vor der Nationalratswahl 2019 befragt der auto touring alle Parteichefs zu Mobilitätsthemen.
1. Klima-Fairness
Österreich muss bis 2030 seine Treibhausgas-Emissionen um 36 Prozent gegenüber 2005 verringern. Wer wieviel einsparen muss, ist aber unterschiedlich: Die Industrie kann sich per Zertifikathandel quasi „freikaufen“, Kerosin für Flugzeuge unterliegt keiner Mineralölsteuer, Schiffsverkehr wird erst gar nicht betrachtet. Wie stehen Sie dazu?
Werner Kogler:Wir brauchen für alle Sektoren Zielzuordnungen. Bei dem was wir haben, wird – zurecht wie ich meine – sehr stark auf den Verkehrssektor hingewiesen, gerade auch auf den motorisierten Individualverkehr. Lkw sind interessanterweise ein bisschen in den Hintergrund getreten, das würde mit uns sowieso nicht gehen.
Das Problem ist ja bei den Dingen des täglichen Bedarfs, dass da Hunderttausende Tonnen massenhaft über den Globus geschippert werden – und dass der Schiffsdiesel nichts kostet. Die Europäische Union könnte da beim Binnenschiffsverkehr sicher mehr machen. Dazu kommt die spannendere aufreizendere Frage vom Steuerprivileg für Kerosin, das ist ja wirklich schwer hinnehmbar. Dieses Privileg abzuschaffen muss eines der wesentlichen Ziele sein. Das könnte man sofort machen. Aber da muss die Europäische Union gemeinsam draufkommen – dann geht da schon was weiter.
Und dann ist vielleicht noch in Erinnerung, dass wir für die flächendeckende Lkw-Maut eintreten, allein dadurch würde ein Lenkungseffekt entstehen, das würde den Lkw verteuern, während wir beim Pkw jetzt einmal, für die nächste Runde, für die nächsten Jahre, nur für die Beseitigung des Diesel-Privilegs eintreten.
2. Alternative Kraftstoffe
Biologische und synthetische Kraftstoffe können soziale Unwucht abfedern. Denn viele Maßnahmen im „Sachstandsbericht Mobilität“ sollen durch steigende Auto-Kosten weniger Verkehr und dadurch weniger Emissionen bewirken. Das trifft jene besonders, die auf ihr Auto angewiesen sind und sich kurzfristig keinen umweltfreundlichen Neuwagen leisten können. Verstärkter Einsatz von alternativen Kraftstoffen könnte den fossilen CO2-Ausstoß auch bei Bestandsfahrzeugen senken. Wie stehen Sie dazu?
werner kogler:Bei den biogenen Stoffen erster Generation war ja schon die Frage, hoppla, das wäre ja auch was zum Essen… Das hält ja keiner aus, selbst wenn es ökonomisch herleitbar wäre. Aber ich weiß, dass es auch biogene Stoffe gibt, die jetzt gar nichts mit Nahrung zu tun haben. Ich meine, why not. Das ist ja schon die zweite oder dritte Generation, da bin ich großzügiger, aber mit einer Beimengung in dieser Größenordnung geht sich das bei Weitem nicht aus. Allerdings können wir nicht Sozialpolitik an der Zapfsäule machen. Der Weiterverkauf von Bestandsfahrzeugen sollte aber weiterhin möglich sein.
3. Sachstandsbericht Mobilität
Er wurde vom BMVIT in Auftrag gegeben und listet konkrete Maßnahmen auf, die der Erreichung der Klimaschutzziele dienen sollen. Welche der folgenden werden Sie umsetzen, wenn Sie in die Regierung kommen?
Mineralölsteuer-Erhöhung um bis zu 28 Cent: Weder ja noch nein. Es braucht einen Maßnahmenmix.
Bindung der Mineralölsteuer an den Verbraucherpreisindex: Ja, macht Sinn.
Erhöhung der motorbezogenen Versicherungssteuer um bis zu 100%: Kann ich nicht beantworten.
Verschärfungen bei der Normverbrauchsabgabe: Scheint mir schon vernünftig.
Kilometerabhängiges Road Pricing auf allen Straßen: Ja, aber nur für Lkw.
Fahrverbote in allen Landeshauptstädten für Verbrennungsmotoren ab 2030: Nein.
Tempo 80 auf der Landstraße, Tempo 100 auf der Autobahn: Eher nein.
Kürzungen oder Streichung der Pendlerpauschale: Da bin ich für einen Umbau.
Senkung des Kilometergelds (25 Cent/km): Kann ich nicht sagen.
City-Maut für die Einfahrt in die Landeshauptstädte: Ist eine Option, hängt von anderen Maßnahmen ab.
4. Eine unvollständige Liste
Im „Sachstandsbericht Mobilität“ fehlen wesentliche Ideen zur Senkung des CO2-Ausstoßes im Verkehr. Das könnten etwa ein Überdenken des Online-Handels als Ursache für mehr Lieferverkehr sein, Maßnahmen zur Erhöhung des Besetzungsgrads pro Pkw (vor allem im Pendelverkehr) oder die Förderung neuer Mobilitätsdienste wie Sammeltaxis oder Gemeindebusse. Wie ist Ihre Meinung dazu?
werner kogler:In der Frage, wie viele Leute in einem Auto sitzen, bräuchte man Anreizmaßnahmen, obwohl wir da – entgegen unserem Image – keine besonderen Vorschriften machen würden. Zu diesen Logistikfragen, dem Online-Handel, dazu habe ich noch keine genaue Antwort.
Mobilitätsdienste, also den öffentlichen Verkehr und den Individualverkehr besser zu verschränken, fände ich super. Das gibt’s ja schon da oder dort. Das ist von der ganzen Ressourcen-Effizienz das Gescheiteste. Weil wenn du sonst ein Vielfaches an Kilo Blech durch die Gegend bewegst, aber trotzdem die Nachfrage beim besten Willen nicht größer ist, dann müsste man die Leute ja zwangsläufig in die öffentliche Mobilität reindrängen. Denn wenn man privat eh nicht fährt, dann braucht man mit dem Bus auch nicht zu fahren. Also irgendwann ist sozusagen die Erreichbarkeit zu Ende.
Mobilitätsdienste, also den öffentlichen Verkehr und den Individualverkehr<br />
besser zu verschränken, fände ich super.
Werner Kogler, Die Grünen
Aber damit man mich nicht missversteht: Wenn ich mir die Schweiz anschaue oder Vorarlberg, da war ich jetzt tagelang, da fährt halt wirklich in kleineren Dörfern jede Stunde ein Bus, ob das jetzt effizient ist oder nicht. Darauf kann man sich verlassen, das hat man sich in der Schweiz abgeschaut. Wenn das ein Privater anbietet, dann finde ich, möglicherweise untypisch für einen Grünen, dass man das zulassen sollte, weil der Wettbewerb hier eine gewisse Kreativität entfachen kann. Das ist dann ein bisschen wie so Contracting im Energiebereich, wo man mit Pakete auf den Markt gehen kann. Ich finde solche Lösungen sehr intelligent, außerdem man damit die private Kreativität ein. Die Menschen können dann im Rahmen so eines Pakets vieles tun.
5. Den Tanktourismus abschaffen?
Der CO2-Ausstoß im Verkehr wird nach verkaufter Kraftstoffmenge berechnet. Wegen vergleichsweise niedriger Preise tanken vor allem ausländische Lkw gerne in Österreich, verfahren ihren Diesel aber großteils im Ausland. Das heißt: Rund ein Viertel der Österreich im Verkehr zugerechneten CO2-Emissionen entsteht gar nicht hier. Dieser „Tanktourismus“ vermasselt unsere Klimabilanz. Was halten Sie von einer Erhöhung der Mineralölsteuer, um den Tanktourismus zu verhindern?
werner kogler: Ja, der Tanktourismus soll durch höhere Mineralölsteuer abgestellt werden, aber aus anderen Motiven: wegen des Transitverkehrs. CO2-Komponenten werden in der Ökologisierung des Steuersystems eine Rolle spielen, ob die jetzt CO2-Steuern heißen oder Umweltsteuern. Ich insistiere darauf, dass wir eine ökologisch-soziale Steuerreform wollen, in der auch CO2-Komponenten drin sein werden. Ich würde nie den Kraftstoff teurer machen, wenn man nicht gleichzeitig woanders kompensiert, in erster Linie natürlich bei den Haushalten und Konsumenten. Und im Übrigen, weil immer alle so besonders g’scheit reden: Die Mineralölsteuer hat ja hohe CO2-Komponenten.
6. Road Pricing
Die EU plant noch immer die verpflichtende Einführung einer generellen, also streckenabhängigen Maut ab 2028. Wie ist Ihre Haltung dazu?
werner kogler:Ich kenne die Debatte, bin offen für ganz andere Bedingungen. Wenn es gelingt, dass wir in der Union halbwegs gleiche Mineralsteuern mit CO2-Komponenten hinbringen, dann können wir es dabei belassen. Weil die Probleme, die man mit einer Maut lösen möchte, eigentlich auch über den Spritverbrauch abgebildet sind. Das einzige, das fehlt, ist eine spezielle Steuerung für bestimmte Regionen und Uhrzeiten.
Das alles wäre sehr interessant, es gibt aber ein anderes Thema – den Datenschutz. Bevor ich jetzt ein Mautsystem für Pkw einführe, dann gehe ich beim Benzin- und Dieselpreis halt um ein paar Cent wieder rauf, das ist ein pragmatischer Zugang.
7. Die Daten aus dem Auto
Moderne Autos liefern sehr viele Daten an die Hersteller. Die Konsumenten wissen gar nicht, welche Daten produziert werden und wem sie gehören. Wie ist Ihre Position dazu, dass die personenbezogenen Daten, die durch die Benutzung eines Fahrzeugs entstehen, unter besonderen Schutz fallen sollen?
werner kogler:Es geht ja um die Vernetzung der Daten, die eine Gewinnquelle für die ist, die die Daten haben, quasi das weiße Gold. Ich glaube nicht, dass die Datenschutzgesetzgebung der Union grundsätzlich dagegen steht, dass man mehr macht. Wie das Gesetz auch immer heißt, wo das reinfällt. Tendenziell sind wir Grünen aber immer auf der Seite der Konsumentinnen und Konsumenten.
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