Kevin der Erste

Wie ein Salzwasser liebender Niederösterreicher als meist zu spät Startender 7 WM-Titel holen konnte? Jetski-Ass Kevin Reiterer erklärt es uns im Interview. 

Intro: Wir finden, man darf ihn ruhig als Valentino Rossi der Meere bezeichnen, das ist weder unangebracht noch übertrieben. Beide ließen bereits in sehr jungen Jahren ihr Talent erkennen. Mit ihrer Gabe, Rennen lesen zu können und ihre Fahrzeuge auf unnachahmliche Weise zu beherrschen, haben sie in den folgenden Jahren ihre Fans begeistert und die Konkurrenz des­illusioniert.

Beide haben Titel gehamstert wie kaum ein anderer, und: Beide gründeten am Höhepunkt ihrer Karriere Teams, deren Fahrer nun selbst sehr erfolgreich unterwegs sind.

Bloß: Der eine wurde zum vermögenden und weltweit bekannten MotoGP-Superstar, der andere vermag in weiten Teilen der Welt unerkannt auf die Straße zu gehen. Finde den Fehler. Doch Kevin stört das nicht, er lebt seinen Traum und liebt, was er tut. Ruppige Verhältnisse sind seine Spezialdisziplin.

Nur damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Jetski, das sind jene Motorrad-ähnlichen Dinger, auf denen man stehend über das Wasser gleitet. Was in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben sollte: Renn-Jetski haben weit mehr als 200 PS! Topspeed: rund 130 km/h.

Gefahren wird entlang eines festgelegten Kurses. Und wie in der Motorrad-WM kommt es auch hier immer wieder zu Berührungen, Remplern und Stürzen. Anders als bei den Straßen-Motorrädern ist die eingeschränkte Sicht jedoch ein ständiges Manko – zusätzlich zu den ständig wechselnden Wellen.

Aber sehen sie selbst: Dieses Video bietet alles: Einen packenden Start, einen Sturz, eine Mega-Aufholjagd und sogar ein Happy End…


Ready. Steady. Go!

— Beginnen wir mit ein paar Entweder-oder-Fragen: Süß- oder Salzwasser?

kevin reiterer: Salzwasser.

— Wellen oder Flachwasser?

kevin reiterer: Wellen, definitiv.

— Start verschlafen oder Frühstart?

kevin reiterer: Oh, eher Start verschlafen.

— Frühaufsteher oder Langschläfer?

kevin reiterer: Ha, Frühaufsteher.

— Sonnenauf- oder Sonnenuntergang?

kevin reiterer: Sonnenaufgang.

— Obst oder Gemüse?

kevin reiterer: Gemüse.

— Fisch oder Fleisch?

kevin reiterer: Früher war es eher Fisch, jetzt keines von beiden. Ich habe vor einiger Zeit umgestellt, ernähre mich nur noch vegan.

—Rock, Pop oder Rap? Oder etwas ganz anderes?

kevin reiterer: Rap.

— Bunt oder Schwarzweiß?

kevin reiterer: Schwarzweiß.

— Flipflops oder barfuß?

kevin reiterer: Barfuß.

— Neopren- oder Business-Anzug?

kevin reiterer: Haha, Neopren.

Am Wasser so schnell wie auf der Autobahn.

— Du bist seit knapp zwei Jahrzehnten erfolgreich am Jetski unterwegs, was hat sich in dieser Zeit sportlich am meisten verändert?

kevin reiterer: Das technische Reglement für Jetski. Früher waren sie kürzer, wendiger und wackliger, hatten einen 800-Kubik-Turbomotor und waren viel schwieriger zu fahren.

2017 kam dann die Änderung, die Jetski wurden größer, breiter und schwerer, insgesamt stabiler. Technisch sind sie jetzt zwar einfacher zu fahren, aber es braucht viel mehr Kraft.

Motorisch kommt seitdem der Vierzylinder-Saugmotor der Kawasaki ZX-12R zum Einsatz, allerdings mit 1.500 Kubik. (Anm.: Der Serienmotor verfügte nur über knapp 1.200 Kubik.)

— Ein Motor von einem Superbike? Das klingt nach viel Leistung und hohem Tempo…

kevin reiterer: Ja, der Motor hat sehr viel Leistung, im Renntrimm rund 260 PS. Auf gerader Strecke fahren wir knapp 130 km/h, in den Kurven mit bis zu 70 km/h.

— Null auf hundert, wie lang dauert das?

kevin reiterer: Zweieinhalb bis maximal drei Sekunden.

— In der Motorrad-WM wird aktuell sehr viel mit aerodynamischen Verkleidungsteilen experimentiert – ist die Strömungsoptimierung bei Jetskis auch ein Thema?

kevin reiterer: Ja, allerdings geht's bei uns natürlich um die Hydro- bzw. Fluiddynamik, also grob gesagt darum, wie sich der Jetski im Wasser verhält. Wir arbeiten nicht mit Spoilern, sondern mit Deflektoren, die das Wasser optimal um den Jetski herum umleiten sollen.

Lenken, Bremsen – wie funktioniert das?

— Gebremst wird nur mit Hilfe des Widerstands des Wassers?

kevin reiterer: Genau. Zumindest bei einem Renn-Jetski. Bei den Serienmodellen gibt es mittlerweile einen Retourgang, den man auch als Bremse verwenden kann.

— Und gelenkt wird mittels Lenker und Gewichtsverlagerung?

kevin reiterer: Ja. Das ist einem normalen Motorrad gar nicht so unähnlich.

Kreuz & quer gefragt

— Jeder, der schon einmal beim Sprung vom Drei-Meter-Turm mit Bauch oder ­Rücken voran auf die Wasseroberfläche geklatscht ist, weiß, das kann ganz schön wehtun. Bei welcher Geschwindigkeit wird für dich Wasser hart und schmerzhaft?

kevin reiterer: Es kommt sehr darauf an, wie man fällt. Mit der Ausrüstung, die wir tragen müssen, wird es ab ca. 60 km/h schmerzhaft. Dann zer­würfelt es einen so richtig.

— Der emotional schönste Moment deiner Karriere war…?

kevin reiterer: … als ich mit 17 Jahren den ersten WM-Titel in der GP-Klasse gewonnen habe. Der erste Titel ist immer der beste. Im Jahr davor hatte ich bereits den prestigeträchtigen Kings Cup gewonnen, das war auch sehr schön, weil einem die 4,3 Kilogramm schwere Silber-Trophäe direkt von der thailändischen Prinzessin überreicht wird.

Die große Silber-Trophäe direkt aus den Händen der Prinzessin überreicht zu bekommen – das war schon sehr schön.

Kevin Reiterer, Jetski-Weltmeister

— Im Motorsport wird momentan viel über alternative Antriebe geredet – auch beim Jetski-Sport? Ist der Elektroantrieb ein Thema?

kevin reiterer: Die Veranstalter bemühen sich um CO2-Neutralität, aber die Diskussion wird leider noch nicht so intensiv geführt wie in anderen ­Motorsportklassen. Einen Jetski-Prototypen mit Elektroantrieb bin ich schon gefahren, aber die Entwicklung steht noch ganz am Anfang. Momentan ist sie für den Renneinsatz noch nicht praktikabel genug.

Für Serienmodelle hingegen ist der Elektroantrieb aber durchaus ein Thema. Die Motoren sind kräftig genug, außerdem kann die Leistung mittels Elektronik relativ leicht gedrosselt, der Jetski so für Anfänger wie Fortgeschrittene gleichermaßen fahrbar gemacht werden.

— Mittlerweile gibst du dein Jetski-Wissen und -Können auch an den Nachwuchs weiter…

kevin reiterer: Nachdem ich so viele Titel gewonnen und so viele Ziele erreicht habe, war es an der Zeit, auch etwas zurückzugeben und den jüngeren Fahrer:innen dabei zu helfen, sich ihre Träume zu erfüllen. Das macht mir unglaublich viel Spaß.

— Dein Highlight als Trainer?

kevin reiterer: Die Betreuung des kambodschanischen Nationalteams vor und während der Asian Games. Das war so viel Verantwortung. Auch, weil ich gleichzeitig für deren Jetskis verantwortlich war. Hätten sie also nichts gewonnen, wäre es quasi nur an mir gelegen. Zum Glück haben sie die Goldmedaille geholt. Wir wurden später noch vom Premierminister empfangen, das war eine Riesenehre.

— Du unterrichtest aber auch Yoga, wie kam es dazu?

Yoga habe ich während meiner Zeit als Profi in Dubai kennengelernt. Es hat mir geholfen, mich zu fokussieren und das psychische Wohlbefinden zu steigern. Das ist vor einem Wettkampf sehr wichtig, kann aber auch im Alltag ganz hilfreich sein.