Was sind die größten Herausforderungen?
Mäx Beer:Der Ärmelkanal ist tatsächlich der Mount Everest der Schwimmer, auch wenn ihn in einer Saison vielleicht so viele Menschen durchqueren wie an einem guten Tag auf den Everest gehen. Die Distanz ist eine Herausforderung, die Kälte, Treibgut, die Dunkelheit. Die Wellen können bis zu zwei Metern hoch sein, der Wind ist spürbar und das Wetter kann kippen. Der Kanal hat vielleicht 16 Grad Wassertemperatur und man schwimmt in einer Badehose mit Badehaube und Brille, ein bisschen eincremen mit Vaseline oder Lanolin ist erlaubt, das war’s. Die Channel Swimming Association macht sehr strikte Vorgaben zur Bekleidung – lange Hosen sind zum Beispiel verboten.
Wie haben sie sich vorbereitet?
Mäx Beer:Training, Training, Training. Dazu braucht es viel Verständnis und Unterstützung von der Familie. In unserer Wohnhausanlage gibt es ein 25-Meter-Becken – da schwimme ich regelmäßig mehrere hundert Längen. Ich habe in zwei Jahren 15 Kilo an Fettpolstern zugenommen. Das war richtig schwer, denn mein Körper ist es gewohnt, viel zu verbrennen, ich musste also deutlich mehr essen als zuvor. Um der Kälte zu trotzen, dusche ich bis heute täglich mit dem Schlauch auf der Terrasse, natürlich auch im Winter. Ich schwimme outdoor, im Tullner Aubad oder beim Eisschwimmen in der Neuen Donau.
Video: Wie du dich auf eine Ärmelkanal-Durchquerung vorbereitest.
Was war während der 12 Stunden Ihre Motivation?
Mäx Beer:Mehr als 200 Menschen beobachteten meinen Swim am Livetracker – Freunde, Bekannte und Schwimmerkollegen aus der ganzen Welt. Das war schön. Meine Begleiter haben mir das während der Verpflegungspausen mitgeteilt. Die Menschen am Boot sind eien Motivation, es darf sogar jemand zeitweise mit mir schwimmen. Mein Kompagnon ist aber leider ausgefallen – er war von der ersten Minute an seekrank und verbrachte beinahe die gesamte Zeit unter Deck auf der Toilette. Ihm ging es deutlich schlechter als mir, als ich den Strand in Frankreich erreichte.
Ich war körperlich super in Form und konnte am Ende noch Reserven aktivieren. Schade nur, dass ich Cap Gris-Nez – die kürzeste Strecke von Dover nach Frankreich – wegen der Strömung verpasste, das kostete mich zwei Stunden. Aber ich hatte auch großes Glück – ich durfte einen wunderschönen Sonnenaufgang über dem Meer erleben. Das war fantastisch, eine kleine Abwechslungen in den 12 Stunden. Übrigens eine großartige Zeit, normal dauert die Durchquerung 15 Stunden. Ich bin durchschnittlich mit einer Geschwindigkeit von 3,2 km/h geschwommen.
Wie verschmutzt ist der Kanal eigentlich?
Mäx Beer:Weniger als man denkt, obwohl der Ärmelkanal mit 500 Schiffen pro Tag die am stärksten befahrene Wasserstraße der Welt ist. In der Separation Zone zwischen den beiden Richtungsstreifen wälzen sich Treibgut und Quallen. Aber so blöd es klingt, selbst das ist eine willkommene Abwechslung.
Quallen als willkommene Abwechslung?
Mäx Beer:Drei haben mich erwischt, das brennt zehn Minuten und ist halb so schlimm. Es sind Tiere mit Tentakeln bis zu einem halben Meter, aber sie sind harmlos. Schlimmer war eine Stelle in der Achsel, wo ich mich aufscheuerte, obwohl ich mich am Vorabend rasiert hatte. Das habe ich noch vier Wochen lang gespürt.
Das Wichtigste ist: keine Emotionen. Wenn mich etwas im Wasser streift, bleibe ich ruhig.
Mäx Beer, Langstreckenschwimmer
Hatten sie manchmal auch Angst?
Mäx Beer:Naja, ich hatte mich gewissenhaft vorbereitet und das Boot gibt große Sicherheit. Natürlich braucht es einen starken Kopf. Das Wichtigste ist: keine Emotionen. Wenn mich etwas im Wasser streift und ich weiß nicht was, dann bleibe ich ruhig. Ich konzentriere mich auf das Schwimmen, auf die Technik.
Eine große Gefahr ist Hypothermie, die Unterkühlung – da strömt das Blut zu den lebenswichtigen Organen und zieht sich aus den Extremitäten und leider auch aus dem Gehirn zurück. Das müssen die Begleiter am Schiff ganz schnell mitbekommen.
Welche Art der Verpflegung benötigt man für so lange Schwimmstrecken?
Mäx Beer:Maltodextrin in flüssiger Form. Das ist ein langkettiger Zucker, der sehr langsam ins Blut geht, um einen raschen Energieabfall zu vermeiden. Alle halben Stunden habe ich eine Verpflegungspause gemacht. Besonders hart ist die Phase nach sechs bis sieben Stunden, da sind die Kohlehydrate in den Muskeln aufgebraucht und der Körper bezieht die Energie aus dem Fetthaushalt. Das geht sehr viel langsamer und man erlebt ein spürbares körperliches Tief. Gegen Ende hatte ich Magenschmerzen, ich habe richtig viel Meerwasser geschluckt.
Was ist die Belohnung für all die Mühe?
Mäx Beer:Ich setze mir gern fordernde Ziele. Auch wenn es am Weg weh tut, daran gewöhnt man sich. Außerhalb der Komfortzone ist viel mehr möglich, als man denkt. Ich sehe mich als motivierten Hobbysportler, der sich freut, wenn er seine Ziele erreicht.
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