Österreich von oben

Er galt immer schon als Perfektionist. Und er gilt – weit über die Grenzen Österreichs hinaus – als Pionier für extrem aufwändige und perfekte Luftaufnahmen. Ganz gleich ob Foto oder Film, Georg Rihas Arbeit fasziniert.

In seinem neuesten Werk "Über Österreich", das in vier Folgen am 16. und am 23. Mai in ORF III jeweils um 20.15 und 21.05 Uhr ausgestrahlt wird, nimmt der österreichische Filmemacher und Fotograf Georg Riha die Zuseher/-innen mit auf eine faszinierende Reise hinweg über Landschaften und Bauwerke. In seiner außergewöhnlichen Bildsprache zeigt Riha das Land von oben – vom Morgennebel am Fuß des Wilden Kaisers bis zum Sonnenuntergang am Neusiedlersee, vom Staudamm in Kaprun bis zur Kellergasse in Wildendürnbach.

In jahrelanger Arbeit hat Riha mit dem Helikopter Österreichs Landschaften und Baudenkmäler in einmaliger Weise erkundet. Er formte sie zu einzigartigen Miniaturen – jede einzelne ist im Schnitt nur 100 Sekunden lang – gestaltet in seiner einzigartigen, zeitlosen und unverwechselbaren Bildsprache.

Ein Wettbewerb als Initialzündung

"Seit 40 Jahren fotografiere und filme ich nun Österreich von oben", erzählt Georg Riha im auto touring-Gespräch. Damals, als er die Filmakademie besuchte, schrieben die Österreichischen Bundesbahnen gerade einen Wettbewerb aus: die Bahn sollte in möglichst schönen Bildern in Szene gesetzt werden. Riha ging in sich, sah in seinem Kopfkino tolle Luftaufnahmen der Semmeringbahn, schrieb drumherum ein Drehbuch – und gewann. Eine große Ehre, aber verbunden mit der großen Gefahr, sich zu blamieren: Denn für die Umsetzung musste er die Luftaufnahmen realisieren. Geld dazu hatte er keines. Aber, animiert von einem Akademieprofessor, eine Idee.

"Ich nahm all meinen Mut zusammen und schrieb einen Brief an den damaligen Verteidigungsminister mit der Bitte um einen Helikopterflug", erinnert er sich. Prompt meldete sich ein Oberst vom Fliegerhorst Langenlebarn – und eine Woche danach flog Riha bereits im Tiefflug über die Kalte Rinne, das Herz der mittlerweile unter UNESCO-Weltkulturerbeschutz stehenden Bahnstrecke über den Semmering. Die Tür des Helikopters war ausgehängt, er mit Gurten gesichert und am Steuerknüppel ein erfahrener Pilot. "Zehn Meter über den herbstlichen Wipfeln. Für mich ist damals ein Traum ist in Erfüllung gegangen!" Bestärkt in seiner Liebe zu Luftaufnahmen wurde Riha kurze Zeit später durch die Anfangssequenz von Stanley Kubricks Horrorfilm "The Shining": "Da steigt man richtig ein in den Film. Exzellent."



Bilderbücher für Erwachsene

Infiziert von der Magie dieser Art Luftbilder begann Riha eine Idee zu entwickeln: Er wollte die Schönheit Österreichs quasi von oben dokumentieren. Flog mit einer Cessna 172, einem einmotorigen Leichtflugzeug, monatelang über alle Bundesländer. Verbrachte Tage in der Dunkelkammer, bis er mit seiner Foto-Ausbeute zufrieden war. Es galt, 13 Bücher mit faszinierenden Großformat-Bildern zu füllen. Pro Bundesland eines, dazu ein Österreich-Band, einer über die Alpen und zwei weitere Sammelbände.

Was danach folgte, waren erstens ein gewisser Ruhm und zweitens eine Zäsur: Die Behörden machten immer öfter Probleme mit den für Tiefflüge notwendigen speziellen Genehmigungen. "Ich dachte mir, wenn ich schon von oben nicht so weit hinunter darf, dann geht’s vielleicht von unten hinauf", erzählt Riha. Die Konsequenz: Er probierte, Fotos mit Hilfe eines Fesselballons zu machen. Ausschlaggebend dafür waren seine Erfahrungen in der Architekturfotografie. "Dabei gilt es, schöne Seitenrisse ohne stürzende Linien abzubilden, und für mich war der Ballon Architekturfotografie vom erhöhten Standpunkt. Und dafür perfekt, da kann man 10 Minuten am gleichen Standpunkt warten, bis Sonne, Licht und Schatten optimal sind."

Später, in den 1990ern, entwickelte Riha ein weiteres System: Camcat, "die Luftbildkamera, die am Schnürl fährt", wie er lächelnd erzählt. Eine Kameraseilbahn. 1996 spannte Riha Seile über dem Parlament, an der Flanke des Stephansdoms, über der Salzburger Innenstadt. Die Kamera fuhr für viele Universum-Dokumentationen des ORF über eine Strecke von 300 Metern und bis zu einem Winkel von 70 Grad und lieferte gestochen scharfe bewegte Bilder. Im Rahmen der Vierschanzen-Springertournee schaffte der rasende Luftbild-Kamerawagen sogar stolze 130 km/h.

Heute ist vieles anders

"In unserer Zeit würde sich niemand mehr den Aufwand mit Fesselballon oder Camcat antun", relativiert Riha den Blick auf die Technik vergangener Tage. Die Entwicklung der Flugdrohne habe die Einstiegshürde für Luftaufnahmen tiefer gelegt, an das Thema wagen sich heute viel mehr Menschen mit viel geringerem Risiko. Denn ein Helikopterpilot würde für solch einen extremen Tiefflug seinen Schein riskieren.

Aber: "In Österreich wurden 2015 zumindest 17.500 Drohnen verkauft, aber nur 500 Personen suchten bei der Austro Control um professionelle Aufnahmegenehmigungen an. 17.000 scheinen zu dilletieren", sagt Riha. Die Folge: "Wenn es wieder einmal einen Unfall gibt, oder eine Situation wie bei Marcel Hirschers Slalomlauf im Dezember, dann wird es Einschränkungen geben. Und die Profis kommen zum Handkuss."

Riha fühlt sich heute über das Experimentieralter hinaus. Er lässt mittlerweile fliegen, von Profis. Mit dem Flächenflugzeug oder dem Helikopter. Denn als viel wichtiger sieht er anderes an: "Das Werkzeug ist nur das Mittel zum Zweck. Es kommt aber immer auf die Kreativität der Gestaltung an!"


Die letzten Jahre und Monate verbrachte Riha mit Recherche, Planung und Ausführung seines ORF III-Projekts "Über Österreich". Bald kann man sich von dessen Qualität überzeugen.