Patrick und der Regenbogen
Patrick Konrad möchte sich bei den UCI Road World Championships in Innsbruck ein Regenbogentrikot holen. Dazu muss er freilich erst einmal Weltmeister werden. Wir wollten von ihm wissen, wie er das anstellen will.
Patrick wird bald 27 Jahre alt, ist 1,80 Meter groß, wiegt rund 65 Kilogramm. Seinem Instagram-Profil ist außerdem zu entnehmen, dass er offenbar eine ausgeprägte Schwäche für guten Kaffee hat. Wer einen Blick auf die Website seines BORA-hansgrohe-Teams wirft, erhält übrigens einen ganz ähnlichen Eindruck, denn da wird er gar mit dem Satz "There is always time for an Espresso" charakterisiert.
In Mödling geboren, startet er seine professionelle Rad-Rennfahrer-Karriere 2010 zunächst bei dem Radland-Tirol-Team. 2012 dann der erste Titel – Patrick Konrad wird österreichischer Meister in der Einerverfolgung. In den folgenden Jahren wird er nicht nur älter, sondern auch immer besser, holt sich Top-10-Platzierungen bei diversen Rundfahrten.
2015 schließlich stößt er zum Bora-Team dazu, einem der ganz großen Teams in der Welt des Straßen-Radrennsports. Hier darf er im Umfeld weiterer Top-Stars, allen voran Weltmeister Peter Sagan, reifen. Und er beweist immer wieder stets aufs Neue, dass er Talent hat.Wird heuer Gesamt-Siebenter beim Giro d'Italia, gewinnt Anfang August bei der Polen-Rundfahrt die Bergwertung, mit anderen Worten: Die Formkurve in Richtung WM scheint zu stimmen.
Und dann passiert das - autsch:
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OK well, that was not planned.. ???? Luckily no serious injuries! #deutschlandtour #borahansgrohe @deutschlanddeinetour
Ein Beitrag geteilt von Patrick Konrad (@patrickonrad) am Aug 25, 2018 um 2:54 PDT
Patrick Konrad über sein Rennrad
— Patrick, lass uns das Interview doch gleich bei deinem Dienstfahrzeug beginnen. Was ist das, was kann das, ist etwas besonders daran?
Patrick und die WM
— Kommen wir zu dir. Magst du dich bitte einmal kurz selbst beschreiben?
Patrick Konrad: Ich bin der klassische Rundfahrer, der beim Bergauffahren ganz gut ist, aber auch gut Zeitfahren kann. Daher mache ich auch bei der WM beides – Zeitfahren und das klassische Straßenrennen bestreiten.
— Wie hast du dich auf die WM vorbereitet?
Patrick Konrad: Ich habe im Sommer zunächst einmal eine Rennpause gemacht und ein sechswöchiges Trainingslager eingelegt, das war ein Höhentrainingslager. Dann bin ich ein paar Rennen gefahren, z.B. die Polen-Rundfahrt, bei der ich auch die Bergwertung gewonnen habe. In Kanada standen zwei Ein-Tages-Klassiker am Programm, ich bin die Deutschland-Tour mitgefahren, bei der ich ja leider gestürzt bin, und in Innsbruck haben wir dazwischen auch trainiert.
— Welchen Umfang hat denn aktuell dein Oberschenkel?
Patrick Konrad: Ah, das müsste ich nachmessen, das weiß ich gar nicht, weil ich ihn noch nie gemessen habe. Er ist sicherlich größer als der eines Bergfahrers, aber kleiner als der eines Sprinters.
— Und wie fühlst du dich zur Zeit?
Patrick Konrad: Nach dem Zeitfahren bin ich jetzt ein bisserl enttäuscht (Anm.: Sein Team erreichte Platz 8, erwartet hatten sie sich einen Podestplatz), für uns Österreicher hätte das ein schöner WM-Auftakt werden sollen. Aber im Sport läuft es eben nicht immer nach Wunsch. Und die anderen bereiten sich auch sehr gut vor. Jetzt heißt es nach vorne blicken.
— Bei dem Straßenrennen am kommenden Samstag (30.9.) strebst du welches Ziel an?
Patrick Konrad: Beim Straßenrennen ist eigentlich alles möglich. Meine ganze Vorbereitung in der zweiten Saisonhälfte zielte auf diese Rennen ab. Trotzdem brauche ich einen extrem guten Tag, an dem alles passt, dann sind die Top 5 realistisch, das ist auch mein Ziel.
— Wer sich noch nie mit dem Straßenrad-Rennsport auseinandergesetzt hat, sieht bei einem Rennen vermutlich nur einen Haufen schnell nebeneinanderher strampelnder Sportler und hinterher hetzender Team-Autos. Kannst du uns einen Einblick geben, wie so ein Profi-Team tatsächlich organisiert ist?
Patrick Konrad: So ein Team besteht aus einem Haufen an Betreuern. Es gibt einen sportlichen Leiter, der während der Rennen im Auto sitzt und im Konvoi mitfährt, mit all den Ersatzrädern, Trinkflaschen und Regengewand an Bord. In jedem Auto sitzt zudem ein Mechaniker drinnen, damit technische Defekte während des Rennens rasch behoben werden können, also z.B. Hinter- oder Vorderrad tauschen. Der sportliche Leiter gibt zudem die Taktik vor, wir fahren mit Funk im Ohr, können also auch miteinander kommunizieren. Vor jedem Rennen gibt es zudem eine Taktik-Besprechung, weil es ja in einem Rennen oft mehrere unterschiedliche Rennen gleichzeitig gibt. Bei der Tour de France beispielsweise gibt es das Rennen um den Tagessieg, das Rennen um die Gesamtwertung, teilweise auch noch Rennen um das Bergtrikot, das Sprinttrikot, die Nachwuchswertung etc. Je nachdem welches Interesse das Team hat, aus welchen Fahrern das Team zusammengestellt wurde, wird dann die Strategie festgelegt. Auf jeden Fall gibt es in jedem Team auch noch einen Kapitän.
— Und während des Rennens?
Patrick Konrad: Das ist natürlich von der Taktik abhängig, aber es wird festgelegt, wer wem Windschatten gibt, wer den Kapitän aus dem Wind hält, wer die Flaschen holt, wer bergauf das Tempo macht. Für die Sprinter gibt es außerdem so genannte Anfahrer, die dem Top-Sprinter im Team beim finalen Zielsprint Windschatten geben und dann den Weg frei machen.
— Welcher Typ bist du?
Patrick Konrad: Ich bin ein klassischer Rundfahrer, kann über einen langen Zeitraum fast das Maximum meiner Leistung abrufen. Ich komme sehr gut über die Berge drüber, kann gut Zeitfahren, bin eigentlich auf jedem Terrain gut unterwegs. (Kurzer erklärender Einschub an dieser Stelle: Radrennen wie die Tour de France, der Giro d'Italia oder die Vuelta dauern rund 3 Wochen).
— Welche Entwicklungsmöglichkeiten hat man als junger Fahrer in einem Topteam wie BORA-hansgrohe?
Patrick Konrad:In meinem Fall war es so: Ich habe mit 14 Jahren einen Gastvertrag für das BORA-Team bekommen, das damals allerdings noch anders hieß (Anm.: NetApp  Endura). Es ist mir dann gelungen, mich in die Mannschaft zu integrieren, bekam einen 2-Jahres-Vertrag. Zeitgleich hat sich auch das Team immer weiterentwickelt. Wenn man das mit dem Fußballsport vergleichen will – wir sind von der Bundesliga bis in die Champions League aufgestiegen. Das war natürlich auch für mich toll, weil ich an immer besseren und wichtigeren Rennen teilnehmen konnte. Ich hoffe natürlich für mich, und bisher war es so, dass ich jedes Jahr noch einen Schritt weiter nach vor machen kann. Man sagt ja, dass man im Ausdauersport erst mit rund 30 Jahren seinen Höhepunkt erreicht. Und ich spüre auch, dass da noch ein Spielraum nach oben da ist. Ein Etappensieg wäre einmal schön, oder überhaupt ein Renngewinn – das wird das Ziel für die kommenden Rennen sein. Und bei der Polen-Rundfahrt ist mir das mit dem Gesamtsieg der Bergwertung ja auch schon gelungen. Wichtig ist mir, dass man immer wieder neue Ziele festlegt, sich selbst neue Anreize schafft.
— Im Fernsehen ist es ja kaum zu sehen, aber Rennradfahren ist ein sehr technischer Sport. Das beginnt natürlich beim Material, genauso wichtig ist aber die optimale Sitzposition am Rad beispielsweise.
Patrick Konrad: Stimmt. Wir machen regelmäßig Aerotests, um die optimale Sitzposition zu finden. Unsere Ausrüster entwickeln zudem ständig neue, leichtere und dünnere Materialien, die wir dann ebenfalls testen, um da und dort vielleicht wieder ein bisserl besser sein zu können. Wir als Profis sind da unmittelbar in die Entwicklungsarbeit eingebunden.
— Apropos Entwicklung: Dein Wettkampfrad ist noch mit einer klassischen Felgenbremse ausgestattet, auf vielen Rädern deiner Kollegen sind bereits Scheibenbremsen zu sehen…
Patrick Konrad: Scheibenbremsen haben Vor-und Nachteile. Bei denTrainings und der Polen-Rundfahrt war ich auch schon damit unterwegs, im Endeffekt muss das jeder für sich entscheiden. Klar, Scheibenbremsen funktionieren auch bei Nässe sehr gut, sie sind jedoch wartungsintensiver, außerdem sind Scheibenbremsen-Räder im Renneinsatz schwerer zu wechseln.