Schokolade im Blut

Matthias Winkler hat 2014 die Geschäftsführung der Sacher-Gruppe übernommen. Im Interview mit Birgit Schaller spricht er über ein außergewöhnliches Familienunternehmen und Entwicklungen in der Luxushotellerie.

Der CEO der Sacher-Gruppe ist ein entspannter Gesprächspartner. Er empfängt uns im kaiserlichen Ambiente mit rotem Samt und eleganter Seide im Hotel Sacher in Wien. Der 50-jährige Manager lenkt seit 2014 die Geschicke der Hotels in Salzburg und Wien, der Sacher Cafés und der Manufaktur der Original Sacher-Torte.

Matthias Winkler kann Karrieren in der Wirtschaft bei McDonald’s und bwin und einen Politbackground als ehemaliger Kabinettchef des Finanzministers vorweisen. Er ist mit der Tochter von Elisabeth Gürtler, der Sacher-Miteigentümerin Alexandra Winkler, verheiratet und hat drei Kinder. Entspannung sucht der gebürtige Steirer am liebsten am Wasser oder mit dem Mountainbike im Wienerwald.

"Wir wollen, dass unsere Gäste ihren Aufenthalt genießen"

— Sacher ist eine der bekanntesten österreichischen Marken und ein Haus, das seit 1832 für Tradition und Kontinuität steht. Was ist das Erfolgsgeheimnis?

Matthias Winkler: Unseren Hotelgästen begegnen wir seit bald 150 Jahren persönlich und authentisch. Wir wollen, dass unsere Gäste ihren Aufenthalt genießen. Dafür muss ein Hotelier seinen Gästen nahe sein, hören und spüren, was gefragt und gewünscht ist.

Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers, heißt es. Die Familien im Sacher haben sich immer durch enormen unter­nehmerischen Mut ausgezeichnet. Den braucht es heute mehr denn je, weil sich die Welt dramatisch schnell verändert. Damit meine ich die Digitalisierung, neue Anbieter – die teuersten Zimmer in New York bietet nicht ein Hotel, sondern Airbnb –, aber auch Fusionen wie jene zwischen der Marriott- und der Starwood-Gruppe, die nun mit 5.500 Hotels und 100 Millionen Einzelkunden­daten der größte Anbieter weltweit ist.

— Das klingt nach großen Herausforderungen für einen Familienbetrieb. Die Sacher-Gruppe erwirtschaftet mit 750 Mit­arbeitern aktuell rund 90 Millionen Euro Umsatz und 10 Millionen Gewinn. Wie sieht ihre Strategie aus?

Matthias Winkler: Wir investieren viel – in die Hotels, also unsere Hardware. Ein gutes Produkt ist die Mindestanforderung, um überhaupt dabei zu sein. Mit jährlich bis zu 20 Millionen Euro werden und wurden die Hotels in Wien und Salzburg über die letzten Jahre renoviert. Dabei sprechen wir nicht nur von Einrichtung und Vorhängen, sondern von Heizung, Sanitär, größeren Räumlichkeiten.




Unser wertvollstes Gut sind unsere großartigen Mitarbeiter. Sie alle sind Markenbotschafter.






Matthias Winkler, CEO Sacher-Gruppe


In Wien gibt es eine neue Spa-Experience, die Blue Gin Bar, den mondänen Sacher Salon im Stil der 1920er-Jahre oder das neue Café Sacher Eck. Auch in Salzburg erstrahlen Café, Zirbelzimmer, der Sacher Grill und alle Zimmer in neuem Glanz. Aber unser wertvollstes Gut sind unsere großartigen Mitarbeiter. Sie alle sind Markenbotschafter.

Außerdem treibt uns die Digitalisierung. Wir setzen auf smarte Türschlösser, Tablets am Zimmer, die schnellste WLAN-Verbindung und in Kürze eine neue Sacher-App und QR-Codes in den Boxen der Original Sacher-Torte, die die ganze Geschichte erzählen.

— Zimmer im Hotel Sacher kosten im Schnitt 400 Euro, die Suiten bis zu 6.000 Euro. Wie sieht ihre Klientel aus?

Matthias Winkler:In der Luxushotellerie sprechen wir vielleicht vier bis fünf Prozent der Bevölkerung an. Zu uns kommen Reisende aus 70 Nationen, die USA und Deutschland sind aktuell die wichtigsten Märkte. Auch hier sehen wir Veränderungen, denn Gäste folgen heute keinen Regeln mehr. Derselbe Gast schläft im Zelt in Patagonien, fährt Schi in Island und macht morgen einen Städtetrip mit allem Luxus in unserem Hotel. Bei uns gibt es inzwischen Frühstück, Fitness und Concierge-Services rund um die Uhr.

"Große Touristenströme kommen auf uns zu"

— Als Familienbetrieb läuft der Weg zur Eroberung von Kunden über Kooperationen und Partnerschaften. Wie sieht da Ihr Portfolio aus?

Matthias Winkler:Je weiter entfernt der Markt sprachlich, kulturell oder auch geographisch ist, desto wichtiger sind Partner und Vermittler. Wir arbeiten einerseits mit Reisebüros und andererseits wie alle mit booking.com zusammen, das ermöglicht uns weltweit anzubieten. Der größte Teil unserer Kunden, rund ein Drittel, bucht immer noch direkt.

Sehr wichtig ist es, neue Reisende aus China, Indien, Korea oder Südamerika anzusprechen. Heute besitzen zehn Prozent der Chinesen einen Pass, bald wird sich diese Zahl verdoppeln. Da kommen große Touristenströme auf uns zu, die wir erreichen wollen. Auch deshalb waren wir eines der ersten Hotels, das die Bezahlung über das chinesische Online­-Bezahlsystem Alipay ermöglicht hat.

Ein enger Partner sind die Leading Hotels of The World, in deren Executive Committee ich sitzen darf – ein internationales Netzwerk mit 420 Luxushotels, die meist im Privatbesitz stehen. Dazu kommen Partnerschaften mit Botschaften, Handelskammern oder Unternehmen abseits der Hotellerie, wie z.B. Champagnerproduzenten. Oder Automobilherstellern, so bieten wir unseren Gästen neben der klassischen Kutschenfahrt auch eine „moderne Kutsche“, den BMW i3. Die Elektromobilität wird gerne auf Fahrten durch Wien oder zum Heurigen in Anspruch genommen.

— Wien und Salzburg boomen als Touristenziele – wie sehen Sie diese Entwicklung?

Matthias Winkler:Wien, Salzburg und andere österreichische Städte boomen und werden in internationalen Medien gelobt und als Destination angepriesen. Darauf sollten wir stolz sein, das ist das Ergebnis jahrelanger harter Arbeit vieler Beteiligter! Letztlich profitieren davon nicht nur die Hotels, sondern auch Museen, Restaurants, Cafés, Geschäfte und der österreichische Staat durch Steuereinnahmen. Ja, an manchen Orten, zu manchen Zeiten wird es einfach zu viel – das muss man ernst nehmen und dem punktuell entgegenwirken.

"Ich sehe mich eher als Change Manager"

— Wie ist die Aufgabenteilung im Hause Sacher?

Matthias Winkler:Mein Kollege Michael Mauthner und ich verantworten die Geschäfte der Sacher-Gruppe von den Hotels bis zur Torten Manufaktur, wo alljährlich 360.000 Original Sacher-Torten mit der Hand gefertigt werden. Meine Frau Alexandra Winkler ist Eigentümerin und engagiert sich in den Themen Design und Marketing. Mein Schwager Georg Gürtler ist ebenfalls Eigentümer und für die Qualitätssicherung zuständig, seine Frau ist gerade im Bereich Food & Beverage in Wien gestartet. Meine Schwiegermutter Elisabeth Gürtler hat großartige Arbeit geleistet und sich 2014 aus der operativen Geschäftsführung zurückgezogen, sie betreibt und leitet nun ihr eigenes Hotel, das Astoria in Seefeld in Tirol.




Ich will das Unternehmen finanziell kerngesund, am neuesten Stand der Technik und Optik an unsere Kinder weitergeben können.






Matthias Winkler, CEO Sacher-Gruppe


— Musste man Sie zu ihrem heutigen Job überreden?

Matthias Winkler:Nichts, was ich beruflich geworden bin, hatte ich jemals geplant. Ich bin dankbar für alle Erfahrungen, aber ich will zum Beispiel keine Sekunde mehr in der Politik tätig sein. Meine Aufgabe jetzt im Sacher ist es, etwas für die eigenen Kinder zu tun. Ich will das Unternehmen finanziell kerngesund, am neuesten Stand der Technik und Optik an unsere Kinder weitergeben können. Meine Entscheidungen als CEO betreffen ja nicht nur das Unternehmen, sondern die Familie direkt, das erhöht den Druck enorm. Insofern bin ich sicherlich kein klassischer Hotelier oder Gastronom, da gibt es viel bessere als mich, meine Aufgabe ist eher jene des Change Managers.

— Ich denke gerade an den 16-jährigen Lehrling Franz Sacher, der für den Fürsten Metternich die Original Sacher-Torte gezaubert hat, an die zigarrenrauchende Anna Sacher, eine der ersten Businessfrauen, oder an die vielen Stargäste von Bruce Willis, Kate Moss über Nicolas Cage bis zu Prince Charles & Camilla, die rund um uns auf Porträts mit Unterschriften verewigt sind. Ist der Erfolg der Marke einfach gutes Storytelling?

Matthias Winkler:Unser Haus in Wien geht zurück auf das Jahr 1876, jenes in Salzburg auf 1866. Die Geschichte der Original Sacher-Torte auf 1832. Ich habe einmal beim Radfahren im Wald eine alte wunderschöne Eiche entdeckt. Sie hat sicherlich viel erlebt, Stürme und Sonnenschein. Sie ist knorrig, hat einen sichtbaren Charakter und sie ist echt und in ihrer Art einmalig. Auch wenn daneben viele andere Hotels stehen, das Sacher ist eben wirklich und authentisch für Wien und Salzburg – das hilft uns und der Marke enorm. In dieser langen Geschichte war das Sacher auch immer ein Treffpunkt für Kunst, Kultur, Politik, Wirtschaft und Reisende, und das soll es auch bleiben

— Sacher Torte oder Sacher Würstel?

Matthias Winkler:Auf jeden Fall die Original Sacher-Torte! Uns allen liegt Schokolade im Blut.