— Sie kennen ja die Initiative von neun europäischen Ländern, u.a. auch Österreich, die EU solle ein Datum für das Verbot von Verbrennungsmotoren festlegen. Damit wird doch zum Ausdruck gebracht, die Technologie einer Verbrennung per se sei das Schlimme und nicht der Einsatz fossiler Brennstoffe.
Hans-Werner Sinn: Dass die Umweltminister so einen Beschluss fassen und dann in der EU Druck erzeugen, ist ein Unding. Da kommen die Umweltminister aus ganz Europa zusammen, treffen sich in Brüssel, bilden einen Ministerratund treffen einen Beschluss. Und wenn sie Glück haben, übernimmt ihn die EU und das Parlament setzt sich drauf und macht daraus eine Verordnung oder eine Richtlinie.
Das ist ein Unding, eine Absurdität der europäischen Demokratie.
Hans-Werner Sinn, Ökonom
Das geht sowohl an der nationalen Regierung als auch am nationalen Parlament vorbei. Zu Hause, im eigenen Kabinett, kämen die Umweltminister gar nicht damit durch. Die Fachminister entscheiden in Brüssel und die nationalen Parlamente müssen sich dem beugen, indem sie die Richtlinien in nationales Gesetz übertragen. Das ist eine von Juristen vielfach beklagte Absurdität der europäischen Demokratie.
— Würde man die Neuzulassung von Autos mit Verbrennungsmotor verbieten, hätte das Ihrer Meinung nach Auswirkungen auf den Wiederverkaufswert von Bestandsfahrzeugen?
Hans-Werner Sinn: Ja, ich vermute aber – umgekehrt, wie viele meinen –, dass die Werte dieser Autos steigen werden. Weil die einzige Chance, ein vernünftiges Auto zu haben, das einen überall hinbringt, eben ein altes Auto sein wird. Ich würde sagen, wer sich noch ein richtiges Auto sichern will für die Zukunft, der muss jetzt noch eines kaufen oder zusehen, dass er noch einen schönen Gebrauchtwagen kriegt, der unter alten rechtlichen Bedingungen erzeugt wurde.
— Der ÖAMTC ist der Ansicht, dass sich die Klimaziele rein durch den Austausch der derzeitigen Flotte an Bestandsfahrzeugen durch Elektrofahrzeuge, zumindest einmal bis 2030, unmöglich erreichen lassen. Wie sehen Sie die Situation?
Hans-Werner Sinn: Im Automobilbau ist sowieso nicht so viel zu erreichen, das ist schon ziemlich ausgereizt. Wir müssen an die Gebäude ran. Die Gebäudeheizungen müssten sich ebenfalls diesen Einsparbemühungen stellen, und das würde durch einen einheitlichen CO2-Preis automatisch passieren.
Aber ich wiederhole: Dass die Einsparungen, zu denen man sich im Pariser Abkommen verpflichtet hat, tatsächlich dem Klima helfen, wage ich zu bezweifeln – denn die Brennstoffe, die wir nicht mehr verbrennen, die sind ja noch da und werden zu fallenden Weltmarktpreisen anderswo hin geliefert.
Beachten Sie: Trotz des riesigen Auf und Ab bei der Nachfrage, welches beim Rohöl zu Preisänderungen in dramatischem Ausmaß nach oben und nach unten geführt hat, ist die Produktion in den letzten 20, 30 Jahren ganz stabil gewesen. Der leicht wachsende Trend war davon völlig unberührt, die Ausschläge kaum zu sehen. Das liegt daran, dass die Nachfrage jeweils nur in Teilen der Welt auf und ab ging, so dass die anderen Teile die jeweils nicht mehr nachgefragten Mengen zu fallenden Preisen kauften oder zu steigenden Preisen hergaben.
In der Coronakrise hat sich das geändert. Warum? Weil eben die Nachfrage nicht nur in Teilregionen der Welt zurückging, sondern weltweit. Wenn alle weniger kaufen, bleibt den Ölscheichs nichts andere übrig, als ihre Mengen zu reduzieren. Die unilaterale Klimapolitik Europas entspricht dem ersten Fall. Was die Europäer an Brennstoffen freigeben, weil sie grüner werden, nehmen die anderen auf und verbrennen es.
Das CO2 kommt nur anderswo in die Atmosphäre, aber für das Klima ist das einerlei.
Das Pariser Klima-Abkommen ist Augenauswischerei. Denn die Brennstoffe, die wir nicht mehr verbrennen, sind ja noch da – und werden zu fallenden Weltmarktpreisen anderswo hin geliefert.
Hans-Werner Sinn, Ökonom
Insofern ist es Augenauswischerei, dass das Klima-Abkommen mit 200 Ländern auf der Erde beschlossen werden konnte, denn nur 30 von diesen 200 Ländern haben sich zu einem verbindlichen Mengenziel bereit erklärt. Dass 170 Länder zugestimmt haben, dass diese 30 sich einschränken, verwundert nicht. Das als Erfolg zu feiern ist abwegig.
— Zum besseren Verständnis: Sie sagen, solange die Fördermengen stabil bleiben, kann der CO2-Ausstoß global einfach nicht sinken.
Hans-Werner Sinn: Ja, und die bleiben nicht nur stabil, sondern sie wachsen und wuchsen in der Vergangenheit immer weiter, und zwar ganz kontinuierlich – obwohl es gewaltige Preisaufschläge gab, wenn irgendwo in der Welt eine Rezession war und die Nachfrage zurückging.
Diese Preisaufschläge haben aber im Aggregat aller Länder nie zu einer Mengenbegrenzung geführt, weil die Erdölexporteure an ihren Mengenplanungen festhieltenund andereLänder entsprechend mehr gekauft haben.
Wenn nun aufgrund des Klimaabkommens ein Teil der Welt, also 30 Länder von 200, ihre Nachfrage einschränkt, dann ist das ebenso: Dann führt das zu einer Preissenkung bei Rohöl, aber nicht zu einer Verringerung der Extraktion. Die kann ich nur dann erwarten, wenn alle Länder weniger kaufen. Insofern wird die europäische Politik vollkommen sinnlos verpuffen, wenn es nicht gelingt, die anderen Großverbraucher der Welt mit verbindlichen Mengeneinschränkungen ins Boot zu holen.
— Für das Erreichen der Flottenziele ist es für die Fahrzeughersteller einerlei, in welchem Markt sie die Fahrzeuge verkaufen. In den nationalen Treibhausgas-Bilanzen werden alternative Kraftstoffe, synthetische oder biogene, sehr wohl entsprechend angerechnet. Setzt das die richtigen Anreize?
Hans-Werner Sinn: Das ist ein Widerspruch in sich, den müsste man auflösen, indem man es auch den Autoherstellern anrechnet, wenn sie ihre Autos in Ländern wie beispielsweise Schweden verkaufen, wo mehr E-Fuels oder Bio-Kraftstoffe verwendet werden.
— Inwiefern halten Sie steuerliche Anreize für den Mehreinsatz von alternativen Kraftstoffen für gerechtfertigt? Die Mineralölsteuer müsset ja schon aufgrund ihrer Bezeichnung wegfallen.
Hans-Werner Sinn: Steuerliche Anreize sind auf jeden Fall besser als Ge- und Verbote, weil sie die Spielräume nicht so stark einengen und dem Erfindergeist der Ingenieure weniger Schranken auferlegen.
Ich wiederhole: Es gibt nur ein Instrument, das aus ökonomischer und umweltökonomischer Sicht angemessen ist, und das ist der einheitliche CO2-Preis in Europa und vor allem auch im Rest der Welt. Weil natürlich alles, was Europa alleine macht, ohne dass die anderen mitmachen, wirkungslos ist – und nicht nur gering in der Wirkung, weil Europa klein ist. Sondern wirkungslos!
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