Wien Wahl 2025: Bettina Emmerling (NEOS)
Wie soll es mit der Mobilität in und um Wien weitergehen? Wir haben die Spitzenkandidat:innen der Gemeinderats-Parteien zu Parkpickerl, Lobautunnel, autofreier Innenstadt, Öffis und mehr befragt. NEOS-Spitzenkandidatin Bettina Emmerling im Interview.
Die aktuelle Stadtregierung hat im Koalitionsprogramm eine "autofreie Innenstadt" festgeschrieben, was im Wesentlichen auf ein elektronisch überwachtes Einfahrverbot für alle, die nicht im 1. Bezirk wohnen, hinausläuft. Für Bezirks-Fremde ist nur die Zufahrt zu Tiefgaragen erlaubt. Wie stehen Sie zu dieser Form von "autofreier Innenstadt"?
Das Projekt lag aufgrund einer fehlenden Regelung in der StVO und der Blockade der Verkehrsministerin auf Eis, aber ich bin zuversichtlich, dass wir mit der neuen Bundesregierung hier einen Schritt weiterkommen. Im Regierungsprogramm wurde es jedenfalls verankert. Klar ist, dass es dann auch Zufahrtsregelungen geben muss. Also Ausnahmen für Anrainer, Taxifahrten, Zulieferer, Einsatzkräfte etc. Alles, was dringend erledigt werden muss und wofür ein Auto benötigt wird, sollte auch weiterhin möglich sein. Und private Pkw, die in die Innenstadt fahren, sollen in der Garage parken. Das macht in der Innenstadt oberirdisch Platz frei. Wir haben ein historisches Zentrum, das wir einfach auch in dieser Form würdigen wollen.
Der Lobautunnel liegt seit drei Jahren auf Eis. Unabhängig davon steigt der Verkehr auf der A23 weiter an. Braucht es Ihrer Meinung nach den Lobau-Tunnel oder sind andere Maßnahmen zielgerichteter?
Also, wir haben den Lobautunnel immer kritisch gesehen, auch ökonomisch und ökologisch halten wir ihn für nicht sinnvoll. Die versprochene Entlastung der Tangente wird mit dem Tunnel nicht eintreten, das besagen alle wissenschaftlichen Untersuchungen dazu. Jetzt steht im Regierungsprogramm, dass alle Bauprojekte, die schon eine Genehmigung haben, auch zügig gebaut werden sollen.
Beim Lobautunnel ist das nicht der Fall. Da sind noch sechs von neun Prüfungen komplett offen. Das Projekt zieht sich seit den 90ern. Ich glaube, wir brauchen hier Alternativen. Bei der Absage des Lobautunnels auf Bundesebene ist man diese Alternativen leider schuldig geblieben. Was die Zukunft bringt, werden wir sehen. Klar ist aber, wir müssen versuchen, vor allem die Pendlerinnen und Pendler aus dem Wiener Umland, die ja zu drei Viertel mit dem Pkw in die Stadt hineinfahren, frühzeitig abzufangen und auf andere Verkehrsformen zu bringen.
Die Stadt Wien hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 den Fahrzeugbestand auf rund 530.000 Stück zu senken. Welchen Stellenwert hat Ihrer Meinung nach überhaupt noch der private Pkw in der Stadt?
Ich glaube, der Stellenwert des privaten Pkw geht zurück. Mich wundert es aber, dass es relativ langsam geht. Wir haben in Wien unglaublich vielfältige Möglichkeiten von Sharing-Angeboten. Ich glaube dennoch, obwohl ich selbst manchmal ein Auto benötige, dass der Pkw-Besitz in den nächsten Jahren noch stärker zurückgehen wird.
Laut Modal Split (Verkehrsverteilung OHNE Einpendler) werden 74% aller Wege in Wien mit Öffis, dem Rad oder zu Fuß zurückgelegt. Dieser Anteil soll bis 2030 auf 85% steigen. Wie bringt man Menschen Ihrer Meinung dazu, vom Auto auf andere Verkehrsmittel umzusteigen?
Es braucht grundsätzlich wirklich attraktive Angebote. Es muss attraktiv sein, ein Sharing-Auto zu nutzen. Es muss attraktiver sein, ein öffentliches Verkehrsmittel, das Rad oder was auch immer zu nutzen, als mit dem eigenen Pkw zu fahren. Denn ein eigener Pkw bedeutet ja monatliche Fixkosten, einen Parkplatz und so weiter.
Die Schaffung dieser attraktiven Angebote passiert schon. Zum Beispiel, indem WienMobil das Angebot massiv ausbaut, Sharing-Stationen direkt an den Verkehrsknotenpunkten schafft. Indem andere Carsharing-Anbieter Entlastungen erfahren und ihr Einsatzgebiet massiv erweitert haben. Fahrräder und E-Scooter spielen eine große Rolle, vor allem bei jungen Menschen.
Aber das Ganze ist ein Umdenkprozess, der, wie schon erwähnt, noch relativ langsam vonstattengeht.
Beim Anrainerparken und der Kurzparkzonen-Regelung bin ich für ein flexibleres System.
Bettina Emmerling, NEOS
Wie stehen Sie zum Ausbau der Öffi-Verbindungen und -Ausbauten über die Stadtgrenze Wiens hinaus?
Wir haben uns immer schon dafür eingesetzt, dass es hier eine überregionale Planung gibt. Wenn man sieht, wie viele Leute täglich nach Wien einpendeln, dann wird deutlich, dass man da gemeinsam an einen Strang ziehen muss. Wichtig sind Straßenbahnen ins Umland, Busverbindungen, Park-and-Ride-Anlagen. Viele Ideen sind leider gescheitert, schade darum.
Das Wiener 365-Euro-Jahresticket wurde am 01. Mai 2012 eingeführt und wird u.a. durch die Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung finanziert. Im Mai 2023 sagte der zuständige Stadtrat Peter Hanke, "dass der Preis nicht ewig zu halten sei". Wie sehen Sie das?
Also für 2025 können wir den Preis halten. Für mich ist das 365-Euro-Ticket ein ganz wesentlicher Bestandteil in unserem Mobilitätsangebot, weil es dazu beiträgt, dass Öffis gerne genutzt werden. Ob der Preis auch in Zukunft zu halten ist, muss jährlich neu beurteilt werden. Rein rechnerisch hätte diese Jahreskarte mittlerweile einen Wert von über 700 Euro, es gibt also eine ordentliche Diskrepanz. Deswegen jährlich neu bewerten und prüfen, wie sich das im Gesamt-Budget ausgeht.
Bis zum Jahr 2030 soll der Auto-Einpendler-Verkehr (im Vergleich zu 2021) an der Stadtgrenze um die Hälfte reduziert werden. Wie realistisch ist das Ziel von 50% weniger Pendler-Einfahrten mit dem Auto?
Man sollte an großen Zielen festhalten und versuchen, sie zu erreichen. Klar ist, dass Pendlerinnen und Pendler ein Angebot haben sollten, ihr Auto an Verkehrsknotenpunkten am Rand oder außerhalb von Wien abstellen und auf Öffis umsteigen zu können. Das wäre das Ziel und so kann man sicher auch viel erreichen.
Trotz vieler Investitionen in Radwege und Verbesserungen für den Radverkehr, ist der Radverkehrsanteil in Wien in den letzten zwei Jahrzehnten nur von 6 auf 10% gestiegen. Wo ist anzusetzen, um die Nutzungshäufigkeit des Fahrrades spürbar zu erhöhen?
Ich glaube, das ist einfach ein Effekt, der ein bisschen länger brauchen wird. Wir sind jetzt bei 10 Prozent, es gibt eine stetige Steigerung, aber es ist eine relativ sanfte Kurve nach oben. Ich glaube schon, dass die Fahrradnutzung in den nächsten Jahren steigen wird, weil die Infrastruktur immer attraktiver und sicherer wird. Wir, die Stadt Wien, haben in den letzten fünf Jahren hier massiv investiert, haben das Radverkehrsbudget verfünffacht.
Bei den neuen Radwegen ist es so, dass manche gut angenommen werden, manche nur sehr schlecht. Ist für Sie denkbar, dass man bei jetzt schon gebauten Radwegen hier einfach noch einmal eine Evaluierung macht, eventuell sogar einen Rückbau in Betracht zieht?
Einen Rückbau sehe ich schwierig. Klar ist: Neue Infrastruktur, die den Platz neu verteilt, ist immer ein Aufreger. Manchmal mehr, manchmal weniger. Mehr natürlich, wenn Parkplätze wegfallen. Aber solche Projekte müssen langfristig evaluiert werden.
E- Mobilität ist ein zentraler Bestandteil der Mobilitätswende. Zu den aktuell rd. 1.000 Ladepunkten sollen in den nächsten Jahren aber gerade einmal 200 weitere dazukommen. Ist das ausreichend und sollen die Ladepunkte im öffentlichen Raum auch von anderen Anbietern als der Wien Energie betrieben werden dürfen?
Natürlich bin ich für den Wettbewerb, überhaupt keine Frage. Ja, ein weiterer Ausbau ist definitiv notwendig, auch eine genauere Abrechnung nach Kilowattstunden. Prinzipiell haben wir schon ein recht gutes Netz, aber es kann noch besser werden. Außerdem müssen wir im Bereich der Privatgaragen noch ansetzen, das Installieren von E-Ladestationen zu erleichtern. Denn das ist, glaube ich, ein ganz, ganz großer Hebel.
Die Parkraumbewirtschaftung in Wien mittels Kurzparkzone und "Parkpickerl" wurde ja auf ganz Wien ausgedehnt. Wie bewerten Sie diese Erweiterung?
Die ausgedehnte Parkraumbewirtschaftung war notwendig und die richtige Entscheidung. Ich bin aber zukünftig für ein flexibleres System, momentan ist es ja recht starr, beim Anrainerparken ebenso wie bei der Kurzparkzonenregelung. Das muss kundenfreundlicher werden und meine Vision dazu ist, die jeweilige Situation mit der momentanen Auslastung zu verknüpfen. Konkret: Ich habe dann eine Handy-App, wo ich sehe: Welcher Parkplatz ist frei. Wie ist gerade die Auslastung? Zahlt es sich überhaupt aus, mit dem Auto dort hinzufahren? Diese Idee ist noch weit weg, aber das Arbeiten mit einer Echtzeitverfügbarkeit von Parkplätzen wäre ein sehr smarter Ansatz.