Junge Typen, altes Blech
Faszination Oldtimer: Warum auch junge Menschen ihrem Charme nicht widerstehen können. Eine Spurensuche im Rahmen der Alpenrallye.
Der Boxermotor röchelt und röchelt, doch anspringen will er irgendwie nicht. Nächster Versuch: Es bleibt beim Röcheln. Ich sitze in einem Porsche 911. Nicht irgendeinem, sondern dem Porsche 911, also dem Ur-Elfer, Jahrgang 1969. Als dieses Auto seinerzeit in Zuffenhausen gebaut wurde, wurde in Woodstock gefeiert und in Vietnam gekämpft.
Mehr als ein halbes Jahrhundert ist das jetzt her. Und während die damals Jungen bevorzugt im Bulli die Freiheit auf vier Rädern fanden, setzen die heute Jungen auf Fahrrad und Öffis, vor allem im urbanen Raum. Das Auto sehen sie mehr als simples Transportmittel an – und haben daher auch wesentlich seltener eine emotionale Bindung zu ihm.
Doch: Keine Regel ohne Ausnahme. Eine 2022 erschienene Studie zum Thema Oldtimer in Österreich kam zu dem Ergebnis, dass sich die 18 bis 30-Jährigen genauso für Altblech interessieren wie die älteren Befragten. Das überrascht.
Faszination Oldtimer aus der Vogelperspektive.
Weiters kam in der Studie heraus: Die grundsätzliche Stimmung Oldtimern gegenüber sei sehr positiv. 90 Prozent der Menschen gaben an, sich zu freuen, wenn sie ein altes Fahrzeug auf der Straße sehen würden.
Nur: Wieso eigentlich? Was fasziniert an Oldtimern? Was macht sie begehrenswert, sympathisch? Wir begaben uns auf Spurensuche in Tirol und Umgebung.
Dort nämlich findet jährlich die Kitzbüheler Alpenrallye statt, 2023 zum bereits 36. Mal. Wenngleich dieses Jahr einiges anders war.
"Wir versuchen, die Rallye zu öffnen", erzählt Florian Zinnagl. Der gebürtige Melker organisiert seit einigen Jahren die Generali Open Kitzbühel – und seit diesem Jahr auch die Alpenrallye.
"Deshalb haben wir eine neue Kategorie geschaffen, die Exceptional Cars." Vor allem aber, erzählt Zinnagl, wolle man mehr junge Menschen erreichen. "Für unter 30-Jährige gab es eine Ermäßigung beim Nenngeld."
Tatsache nämlich ist: Nur neun Prozent der Oldtimer-Besitzer:innen in Österreich sind laut Studie unter 40 Jahre alt, ein Drittel bereits in Pension.
Um dem entgegenzuwirken startete die Alpenrallye auch ihren Social Media-Auftritt. Denn, so Zinnagl: "Content is King."
Dass Content King ist, weiß auch Jonas Lach. Der 26-Jährige hat so einen Social Media-Auftritt, einen Instagram-Kanal, "Jonnys Garage", rund 125.000 Menschen folgen ihm dort. Sein Content: Videos von alten Autos.
Wer durch seinen Feed scrollt, wähnt sich in den Vorkriegsjahren. Zu sehen sind ganz viele, ganz alte Autos. Etwa ein Austin 7, ein Bentley Blower oder ein Blitzen-Benz mit 21,5-Liter-Vierzylinder (und nein, das Komma ist nicht falsch gesetzt).
Jonas' Leidenschaft: Vorkriegsautos.
Beim Schrauben half Jonas schon als Kind mit: Sein Vater kaufte noch vor seiner Geburt einem jungen Studenten einen Mercedes-Benz 170 ab, der bei der Restauration gescheitert war. In den Jugendjahren, erzählt Lach, war er aber nie so richtig vernarrt in Autos, spielte lieber Tennis.
"Gepackt hat es mich dann, als ich den Führerschein gemacht habe", so Lach. "Wenn man an einem Auto herumschraubt, dann will man es auch selber fahren."
Und das tut er: Der studierte "Motorsport-Engineer" lebt in Hannover. Zur Kitzbüheler Alpenrallye kam er "auf Achse". Mehr als 700 Kilometer alleine hin – und gemeinsam mit Schwester und Rallye-Beifahrerin Leonie wieder retour. Im offenen Mercedes-Benz 170. Wow.
Insgesamt sind wir fast 2.200 Kilometer gefahren. Die Rückfahrt war dann schon sehr ermüdend.
Jonas Lach, Oldtimer-Besitzer, Instagramer & Engineer
Es ist das Fahrzeug, das der Vater damals dem gescheiterten Studenten abkaufte. Ihm selbst gehört ein Austin 7, das Geld dafür kam von Kauf, Restauration und anschließendem Verkauf von Oldtimern, aber auch von Studenten-Jobs auf Konzerten. Sein erstes Auto übrigens war ein Strich-Acht Mercedes.
Zurück zum röchelnden Boxermotor von vorhin. Er röchelt und röchelt. Immer noch. "Beim Starten ein bisserl Gas geben", hat man mir noch bei der Übernahme des Ur-Elfers gesagt. Und dann, endlich: Kein Röcheln mehr, sondern ein Röhren. Zwei, drei Stöße noch, runter vom Gas – und Stille.
Ist es das, was so fasziniert an alten Autos? Das Gefühl, etwas geschafft zu haben?
Maximilian Barcelli, Redakteur
Beim nächsten Versuch gehe ich dann sachter vom Gas, es klappt, endlich. Erleichterung. Freude. Sonnenschein fürs Gemüt. Der Boxermotor läuft und röhrt. Ist es das, was so fasziniert an alten Autos? Das Gefühl, etwas geschafft zu haben? Den Tücken der Mechanik widerstanden zu haben?
Der erste Gang ist drinnen. Im Schaltschema ist der übrigens links unten (Dogleg-Getriebe), weil so Gang zwei und drei in einer Schaltgasse liegen und auf der Rennstrecke zeiteffizient durchgerissen werden können.
Wenngleich: Ums Gänge durchreißen geht's hier freilich nicht. Was die Faszination Oldtimer nämlich eher weniger ausmacht, sind sportliche Fahrleistungen. Der Ur-Elfer, wir fuhren ein T-Modell, kann bei einem modernen Autoquartett mit Kleinwagen mithalten, mehr aber nicht.
Dafür quittiert die Drehzahlnadel eines Kleinwagens Gangwechsel nicht so, wie das der alte Porsche tut: Nämlich mit einem wilden Auf- und Abpendeln. Irgendwann kriegt sich die Nadel dann doch wieder ein. Charmant.
Auch das ist es, was das Altblech so sympathisch macht: die mechanischen Ecken und Kanten.
Übrigens, zum Sportlichen: Wir fuhren außer Wertung, so konnten beide, Fahrer und Beifahrer, die "Faszination Oldtimer" erleben. Die Zieleinfahrt jedenfalls wurde mir überlassen.
Um "unseren" Porsche herum: Viele Zuseher:innen, die sich begeistert das Altblech ansahen. "Wäre jetzt natürlich sehr peinlich, wenn er dir abstirbt", höre ich schelmisch Gesprochenes vom Beifahrersitz aus. Tut er nicht, mittlerweile bin ich per Du mit dem 911er, beim Starten schnurrt er endlich. Ich parke ein – geschafft. Und wieder diese Freude.
Für Jonas Lach besteht die Freude am Altblech auch an der Arbeit, die man hinterm Steuer hat, speziell am Steuer eines Vorkriegsautos: "Du musst richtig Denken beim Autofahren. Und hoffen, dass du den zweiten Gang rein kriegst beim bergauf fahren oder der Motor nicht an Drehzahl verliert – das macht halt einfach mehr Spaß." Automobiler Nervenkitzel – und das fast ganz ohne Geschwindigkeit.