Immer bei der Musik
In memoriam Walter Lechner: Schon als Kind ein begnadeter Musiker, später erfolgreicher Motorsportler, Mentor und Mastermind hinter vielen Rennfahrer-Karrieren.
Als er Anfang Dezember 2020 in Bahrain ins Flugzeug steigt, vermuten nur die Familie und eine Handvoll enger Freunde, dass es die letzte Heimreise sein könnte. Walter Lechner ist krank, stirbt 71-jährig wenige Tage später am 8. Dezember.
Wer war Walter Lechner? Er war Rennfahrer: Europameister in der Formel Super V und in der PS-starken Interserie. Er schaffte es zwar nicht in die Formel 1, auch Le Mans hat er nie gewonnen. Und dennoch ist er eine Motorsport-Legende weit über Österreichs Grenzen hinaus. Seine größten Leistungen vollbrachte er als Mentor, Manager und Wegbereiter.
Wer immer in Österreich etwas mit Rundstrecken-Rennsport zu tun hatte, der hatte irgendwann auch mit Walter zu tun.
Walters Welt
PS-Promis von heute lernten unter seinen Fittichen: Franz Tost, Formel-1-Teamchef bei Alpha Tauri, fuhr bereits Formel Ford, als er nach dem Studium seine Berufskarriere als Instruktor in Lechners Racing School begann. Er weiß: "Alles, was mir heute hilft, hab ich damals von Walter gelernt."
Toto Wolff bekam von Lechner die harte Seite des Motorsports aufgezeigt. Nämlich, dass man ohne Geld nicht weiterkommt. Walter gab Toto den Rat: "Mach erst dein Studium fertig und dann komm in den Sport zurück." Ein Gold-Tipp. Denn Wolff ist heute als Mercedes-Teamchef 14-facher Formel-1-Weltmeister.
Auch Roland Ratzenberger und später Alexander Wurz gehen durch die harte Lechner-Schule. Walter Lechner spart bei guter Leistung nicht mit Lob, kann aber auch knallhart sein: "Dort bist an Schas gfoahrn!"
Aber der Walter war nicht nur als Lehrer "straight forward", er hatte auch später als Teamchef Handschlagqualität. Der Deutsche Michael Ammermüller, 2007 Formel-1-Testfahrer bei Red Bull und von 2017 bis 2019 Porsche-Super-Cup-Gesamtsieger für das Lechner-Team, erinnert sich: "Ich hatte mit dem Walter nie einen Vertrag. Wir haben uns immer auf einer Berghütte getroffen, über die nächste Saison gesprochen und alles mündlich ausgemacht."
Walter Lechner war ein Kind der Nachkriegszeit. Und weil er immer schon schnell sein wollte, erblickt er wegen plötzlich einsetzender Wehen in St. Pölten statt in Wien das Licht der Welt. Der Vater ist Kapellmeister, die Familie betreibt in Fünfhaus das Gasthaus "Zum musizierenden Wirten". Der Vater stirbt früh, aber auch der junge Walter hat Musik im Blut. Er lernt mehrere Instrumente, darunter Violine und Gitarre.
Wenn die Leidenschaft zum Beruf wird, gibt es kein Aufhören. Die Rolling Stones hören <br />
ja auch nicht auf!
Walter Lechner, Musiker und Motorsportler
Als 16-jähriger Hotel-Sacher-Lehrling besucht er das legendäre Rolling-Stones-Konzert 1965 in der Wiener Stadthalle. Im Sacher steigt er vom Türlschnapper zum Oberkellner auf, bedient Society-Löwen von Gunther Philipp bis Peter Alexander und perfektioniert sein Naturtalent – das Gespür im Umgang mit Menschen.
Irgendwann fährt Lechner auch zur See, lebt danach in Paris und London. In Rouen verfolgt er sein erstes Formel-1-Rennen, bald danach fährt er nach Le Mans zum 24-Stunden-Klassiker. Nicht im Traum hätte er damals daran gedacht, dass er Jahrzehnte später hier selbst am Start stehen würde.
Für den Grundwehrdienst kehrt er zurück nach Salzburg. Er liebt diese Stadt und verliebt sich unweit des Salzburgrings. Seine neue Heimat ist nun Faistenau. In Salzburg betreibt er ein Café und eine Disco. Als er eines Tages die Jim Russell Racing School besucht, weiß er nach wenigen Runden: "Das ist es! Ich will Rennen fahren."
Viele halten ihn für verrückt, aber für diesen Traum verkauft er die Disco und das boomende Café.
Die Söhne Robert und Walter empfinden es als völlig normal, die Wochenenden an irgendwelchen Rennstrecken zu verbringen. Während die Mutter im Wohnmobil kocht, spielen sie mit Kindern anderer Rennfahrer und düsen mit kleinen Mopeds durchs Fahrerlager.
"Wir hatten damals riesigen Spaß!", grinst Robert Lechner. In der Volksschule wird ihm bewusst: "Nicht jeder Schulkollege hat einen Papa, der im Porsche 962 Rennen fährt, der fürs Fernsehen interviewt wird und dessen Name montags in der Kronen Zeitung steht."
Als Jugendliche verbringen Robert und Walter im Sommer viel Zeit auf dem Österreichring. Robert erinnert sich: "Gespräche mit Fahrern wie Philipp Peter oder Alexander Wurz haben mich fürs Rennfahren motiviert."
Der Papa war nicht begeistert. Motorsport war ja gefährlich und teuer. Aber er gibt nach. Und bald feiern die Söhne tolle Erfolge: Robert wird Vizemeister in der Formel 3, gewinnt auf der Nordschleife. Walter jun. feiert einen LMP2-Klassensieg in Le Mans.
Walter Lechner war immer stolz auf seine Buam, die nun sein Lebenswerk weiterführen: die Racing School, das Rennteam, die Middle-East-Serie in Arabien und auch die Liebe zur Musik.
Link: Lechner Racing
Familienbande