Das neue Alpha-Tier
Schlusslicht in der Konstrukteurswertung, während das Schwesterteam die Weltmeisterschaft dominiert. AlphaTauri steckt in der Krise. Der Vorarlberger Peter Bayer soll's als neuer CEO richten.
Von Segeln bis Snowboard: Quasi sein ganzes Berufsleben schon dreht sich alles um die Competition, den Sport. Nach Stopps beim IOC und der FIA, wo er Generalsekretär für Sport war, will der im Bregenzerwald aufgewachsene Peter Bayer die Scuderia AlphaTauri als CEO zusammen mit Laurent Mekies (kommt von Ferrari) als Teamchef auf Vordermann bringen.
— In Vorarlberg aufgewachsen, in Innsbruck studiert und drei Jahre lang Generalsekretär der Olympischen Winter-Jugendspiele gewesen – wie hat es Sie von der Piste auf den Track verschlagen?
Peter Bayer: Das war tatsächlich ein Zufall: Jean Todt, der damalige FIA-Präsident, ist sehr eng befreundet mit dem IOC-Generaldirektor Christophe De Kepper. Nachdem die Olympischen Jugend-Winterspiele ein sehr großer Erfolg waren, hat der Christophe mich in guter Erinnerung behalten. Als Jean einen Generalsekretär suchte, hat er mit Christophe gesprochen, und der hat gesagt: "Red' mal mit dem Peter." Im Februar 2017 kam der Anruf von Jean.
— Was war in Ihrer Zeit bei der FIA die größte Herausforderung?
Die Komplexität dieses Jobs. Als Generalsekretär für Sport ist man für über 1.200 Motorsportveranstaltungen zuständig: Von Kart- über Dragster-Rennen bis zur World Endurance und Rallye Championship. Das heißt: Wir hatten jedes Wochenende weltweit Veranstaltungen. Und immer wenn's Probleme gibt, laufen die an der Spitze zusammen.
— Nach Ihrer Zeit bei der FIA waren Sie Berater bei Audi: Inwiefern waren Sie an der Entscheidung des Unternehmens beteiligt, 2026 in die Formel 1 einzusteigen?
Die Entscheidung war bereits vor meiner Zeit getroffen worden. Die Verbindung zu Audi hat sich über die Entwicklung des Motorenreglements etabliert. Da war ich bei der FIA Projektleiter und habe mich natürlich regelmäßig mit dem Top-Management von Audi ausgetauscht. Die Entscheidung kam aber schon vorher.
— Man hat Sie aber aufgrund Ihrer Motorsport-Erfahrungen zu Audi geholt?
Absolut. Hauptsächlich habe ich kommerzielle Themen bearbeitet, aber natürlich auch zu globaler Motorsport-Politik beraten, Kontakte geknüpft und Türen geöffnet.
— Sehen Sie den F1-Einstieg in Gefahr, jetzt, wo es ab September einen neuen Audi-Chef gibt?
Das Projekt war ja intern vom Vorstand abgesegnet und ist direkt beim Technikvorstand Oliver Hoffmann beheimatet. Ich persönlich sehe da also keine Gefahr.
Immer wenn's Probleme gibt, laufen die an der Spitze zusammen.
Peter Bayer, steht oft an dieser Spitze
— Bei AlphaTauri geht Franz Trost, Sie kommen als CEO und Laurent Mekies als Teamchef: Wie darf man sich diese Doppelspitze vorstellen?
Es gibt drei Reglements: Sporting, technical und financial. Laurent Mekies wird sich mit allem beschäftigen, was Racing betrifft, also die technische und sportliche Seite. Financial betrifft uns beide, weil ich sehr viel Erfahrung in dem Bereich habe und die Einführung der "financial regulations" damals federführend umgesetzt habe.
Grundsätzlich kümmere ich mich aber um die strategischen Seiten: Entwicklung des Unternehmens, Synergien definieren mit Red Bull Racing, Synergien definieren mit Red Bull Headquarters in Salzburg.
— Warum läuft's momentan nicht?
Ganz einfach: Es gab Ingenieure bei uns – die sind jetzt nicht mehr da –, die haben geglaubt, sie können etwas besser als ein Weltmeister-Team, das mit vielen Hunderten Mitarbeitern diese Autos auf höchstem Niveau entwickelt. Dem war nicht so.
Es ist kein Geheimnis: In der Formel 1 spielen Größe und Budgets eine Rolle, weil man einfach mehr Entwicklungen forcieren kann. Simulatoren spielen heutzutage zum Beispiel eine riesengroße Rolle. Wir hatten nie einen eigenen. Und bei Red Bull Racing gibt's zwar einen, der ist aber natürlich immer wieder mal besetzt. Das heißt: Wir haben da vielleicht mal Samstagabend hineindürfen. Und genau diese Themen arbeiten wir jetzt auf zwischen Red Bull Racing und uns.
— Helmut Marko hat gesagt, die Zeit der unterschiedlichen Entwicklungen sei vorüber.
Es gibt ein genaues Reglement von der FIA, was man von einem anderen Team beziehen darf. Bisher haben wir dieses technische Reglement bei weitem nicht ausgenutzt. Gutes Beispiel: die Federung. Da haben wir viele Teile selbst entwickelt, obwohl wir die eigentlich von Red Bull auf einem wesentlich höheren Niveau beziehen könnten.
Es geht aber auch um andere Themen: Zusammenarbeit im Sponsorship, in der Kommunikation, Human Ressources, Entwicklung von Talenten – nicht nur im Fahrer-, sondern auch im Engineering-Bereich. Dort herrscht genauso ein Wettkampf um Talente. Wir versuchen über diese Synergieeffekte mit Red Bull Racing ein attraktiverer Arbeitgeber zu werden.
— Sind 24 Rennen zu viel nächstes Jahr?
Die Balance stimmt mit 24 Rennen. Natürlich hat man damit das Limit ausgereizt, was Logistik und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anbelangt. Es gibt manche Teams, in denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon jetzt rotieren, und auch bei uns passiert das bei ein paar Stellen. Aber der Bedarf ist da.
Besucherrekorde, explodierende TV-Zahlen, neue Märkte. Wir bedienen damit als Sport, der gleichzeitig Entertainment bietet, ein globales Publikum. Aber mehr als 24 – da wird's dann irgendwann eng.
— Ist es mittlerweile zu viel Entertainment? Es gab da ja viele Diskussionen nach der Show in Miami.
Auf der Strecke hat Entertainment nichts verloren. Drumherum wird's aber immer wichtiger – auch, weil sich unser Publikum verjüngt. Und die US-Amerikaner sind da halt ganz extrem. Die Halftimeshow beim Super Bowl ist mittlerweile bekannter als der Sport selbst (lacht).
Aber: Der Sport als Kernelement, der muss erhalten werden, der muss geschützt werden. Dann kann und soll man auch über das Entertainment abseits der Strecke nachdenken.
Pitwalk und "Green Carpet": Entertainment abseits der Strecke beim Großen Preis von Österreich 2023:
— Wie stehen Sie zu Sprintrennen?
Ganz ehrlich: Ich find's cool. Für die Fans, die sich ein Wochenend-Ticket kaufen, macht das absolut Sinn. Wir haben Freitag ein tolles Programm, Samstag ein tolles Programm, Sonntag ein tolles Programm. Die Fans bekommen somit mehr für ihr Geld.
Die große Gefahr ist nur, dass am Wochenende keiner mehr weiß: "Wo bin ich überhaupt? Was passiert gerade?" Man muss es gut strukturieren und den Fans gut erklären. Aber insgesamt sehe ich das Sprintformat absolut positiv, glaube aber, dass es besser ist, nicht jedes Wochenende eines zu veranstalten, so wie das bei der MotoGP der Fall ist.
— Ist es aber nicht ein Problem für Rookies?
Ein Riesenproblem, ja. Strecken kennenlernen können sie vergessen.
— Stichwort "Rookies": Ein Statement zu Nyck de Vries und Daniel Ricciardo.
Wir sind aktuell Letzter in der Weltmeisterschaft und fast alle Strecken nach der Sommerpause wären neu für Nyck gewesen – das Risiko, unsere Performance nicht signifikant zu verbessern, war zu hoch. Es war eine schwierige Entscheidung, aber wir müssen das ganze Team und die ganze Saison im Blick haben.
Daniel bringt viel Erfahrung ins Team – und gleichzeitig viel positive Energie und Motivation für jeden. Mit der Performance und Pace, die er bis jetzt gezeigt hat, sind wir sehr happy.
Nyck de Vries in Spielberg bei seinem vorläufig vorletzten Formel-1-Wochenende.
— Sie haben quasi Ihr ganzes Berufsleben mit Sport verbracht: Wie powern Sie sich privat aus?
Ich liebe Schifahren und habe, glaube ich, zehn Paar Schi im Keller. Schi für harte Pisten, Schi für Tiefschnee, einen Tourenschi, einen Slalomschi, einen Riesentorlaufschi (lacht). Dann habe ich zwei Jungs, der eine spielt Fußball, der andere fährt Kart – also auch da gibt's eine Leidenschaft. Aber das war's dann eigentlich schon, weil mehr Zeit hab' i ned. Aja, boxen habe ich jetzt angefangen.
— Boxen?
Ja, um für den Paddock bereit zu sein (lacht).